Die Gegnerinnen und Gegner der Massentierhaltungsinitiative sehen in der Ablehnung des Volksbegehrens einen Vertrauensbeweis in die Schweizer Landwirtschaft. Für die Befürworterseite ist derweil klar, dass Veränderungen bei der Lebensmittelproduktion unumgänglich sind.
Der für das Dossier zuständige Bundesrat Alain Berset zeigte sich am Sonntagabend vor dem Medien in Bern zufrieden mit dem Resultat. Eine deutliche Mehrheit der Stimmenden habe damit zum Ausdruck gebracht, dass «die Würde der Tiere in unserem Land durch die Gesetzgebung respektiert wird». Das Tierwohl sei dem Bundesrat wichtig. Er strebe auch künftig schrittweise weitere Verbesserungen in diesem Bereich an.
Hohes Niveau
Die Stimmenden hätten honoriert, dass das Niveau beim Tierwohl in der Schweiz schon heute hoch sei, sagte Martin Rufer, Direktor des Schweizerischen Bauernverbands (SBV), am Sonntag gegenüber dem Schweizer Fernsehen SRF. Sein Verband hatte die Nein-Kampagne koordiniert.
Er sei sehr froh über das Abstimmungsresultat, sagte Rufer. Denn eine Annahme hätte sehr negative Folgen für die Bäuerinnen und Bauern und die Lebensmittelproduktion in der Schweiz gehabt.
Versorgungssicherheit prioritär
Das Nein zeige, dass die Bevölkerung die einheimische Produktion nicht gefährden wolle, teilte die FDP mit. Der Volksentscheid garantiere die Versorgung der Menschen mit Lebensmitteln, schrieb die SVP in einer Stellungnahme. Angesichts der weltweit drohenden Hungersnot habe der Souverän damit ein wichtiges Signal gesendet.
SVP-Nationalrat Mike Egger (SG) forderte nach dem Nein zur Massentierhaltungsinitiative einen Kurswechsel des links-grünen Lagers. Dieses dürfte die Landwirtschaft nicht länger einem «Spiessrutenlauf» aussetzen, sagte er im Gespräch mit dem Schweizer Radio SRF. Die Landwirtschaft sei in der Schweiz stärker reguliert als der gesamte Energiesektor. Das könnte nicht die Lösung sein, denn das Land brauche eine produzierende Landwirtschaft.
Erfreut zeigte sich die Mitte. Die Schweiz habe schon heute eines der strengsten Tierschutzgesetze der Welt, liess sich Mitte-Nationalrätiin Priska Wismer-Felder zitieren. Gerade kleinere Betriebe wären bei einer Annahme der Initiative zu Um- oder Neubauten oder gar zur Aufgabe gezwungen gewesen.
«Zu viele Tiere, zu viel Gülle»
Für die Initiantinnen und Initianten ist die Debatte um Tierhaltung und Lebensmittelproduktion mit dem Entscheid nicht abgeschlossen. Es sei nicht gelungen aufzuzeigen, dass eine Annahme letztlich auch der Landwirtschaft genutzt hätte, sagte Philipp Ryf, Geschäftsführer der Ja-Kampagne, der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.
Man sei überzeugt gewesen, dass die Übergangsfrist von 25 Jahren der Schweizer Landwirtschaft die Umstellung erlaubt hätte, sagte er. Und er gehe nach wie vor davon aus, dass die Lebensmittelproduktion in einem Vierteljahrhundert an einem anderen Ort stehen müsse, als sie das heute tue.
Mit den heutigen Tierschutzregeln sei man am Rand dessen, was die Tiere gefährde, sagte Nationalrat Felix Wettstein (Grüne/SO). Dies sei der Grund der Initiative gewesen. Trotz des Volksneins werde sich in der Tierhaltung einiges ändern müssen, so Wettstein gegenüber Radio SRF: «Wir haben zu viele Tiere, und diese machen zu viel Gülle.»
Ins gleiche Horn stiessen die Grünliberalen: Das Tierwohl und der Schutz der Umwelt stünden heute zu wenig im Vordergrund, beklagten sie. Es würden zu viele Antibiotika eingesetzt und riesige Mengen Futtermittel aus dem Ausland importiert. Zudem führten die übermässigen Tierbestände zu einer Überdüngung.
Grüne wollen vorwärts machen
Die Grünen forderten in ihrer Stellungnahme eine «Deblockierung» der Agrarpolitik 22+. Insbesondere müssten Fehlanreize beseitigt werden. «Umweltschonend und tiergerecht produzierte Lebensmittel sollen nicht länger mit hohen Margen überteuert werden», schrieb die Partei.
Die Organisation Bio Suisse sieht nach dem Nein zur Massentierhaltungsinitiative die Konsumentinnen und Konsumenten in der Pflicht. Ihnen bleibe nun die Wahl beim Einkaufen. Biobäuerinnen und -bauern in der Schweiz zeigten jeden Tag, dass höhere Standards möglich seien als jene, die das Schweizer Tierschutzgesetz vorschreibe, teilte Bio Suisse mit.
Bedauern über das Volks-Nein äusserte die SP. Die Initiative hätte nur fünf Prozent der Betriebe betroffen, gab sie zu bedenken. Nach wie vor könne Massentierhaltung keine Perspektive für die Schweizer Landwirtschaft sein.



Gewürfelt, geraten oder im Prozentrechnen mit Absenzen geglänzt?
Es hätte nahezu alle Betriebe betroffen.
Vorgeschmack in Deutschland mit den Grünen Habeck und Co.