Agronomin Leana Waber ist Vizepräsidentin der Junglandwirtekommission des Schweizer Bauernverbands. Sie leitet den den Bereich Politik und Märkte beim Berner Bauernverband und ist Teil des Geschäftsführungsteams
zvg
«Jeder Betrieb, den wir halten können, trägt zur Vielfalt der Landwirtschaft bei», sagt Leana Waber, Vizepräsidentin der Junglandwirtekommission (Jula), im Agrarpolitik-Podcast.
Spannende wirtschaftliche Perspektiven
2024 existierten in der Schweiz laut Bundesamt für Statistik noch 47’075 Landwirtschaftsbetriebe. Das sind 644 weniger als im Vorjahr. «Das ist eine enorme Zahl, die so von der Jula nicht gewünscht ist», sagt Leana Waber, Vizepräsidentin der Junglandwirtekommission des Schweizer Bauernverbands. Deshalb sei es wichtig gegenzusteuern und Betriebe mit neuen Modellen und neuen Herangehensweisen zu führen. «Im Jahr 2050 werden wir sagen, dass wir jeden einzelnen Betrieb brauchen, den wir noch haben», ist sie überzeugt.
«Wir beschäftigen uns mit der Frage, was junge Berufsleute brauchen, damit sie motiviert sind, den Betrieb zu übernehmen», erklärt die Jula-Vizepräsidentin. Das ist zentral, weil 2024 laut Bundesamt für Statistik ein Viertel der Betriebsleitenden über 60-jährig war. Die wichtigsten Punkte der Jula decken sich mit den Themen der Agrarpolitik 2030+: Abbau von Bürokratie, weniger Mikromanagement, mehr Gestaltungsfreiraum und bessere wirtschaftliche Perspektiven. «Betriebsleiterinnen und Betriebsleitern sollen selbst mehr wirken können, ohne immer alles genau im Detail zu dokumentieren», findet Leana Waber. Die wirtschaftliche Perspektive sei über die Politik und die Märkte zu verbessern.
Gute Nachwuchskräfte sind zentral
Auch die Arbeitsbelastung, der Fachkräftemangel und die Anforderungen an die Grundbildung werden diskutiert. Gute Nachwuchskräfte sind für die Jula zentral. «Wenn man Geld hat für einen Angestellten, ist die Frage, wo man diesen bekommt», stellt Leana Waber fest. Bei der Ausbildung vermittelt der Direktzahlungskurs für die Jula nicht genügend Fachkompetenz, um einen Betrieb zu führen.
«Wir wollen keine direktzahlungsorientierten Betriebe, sondern Betriebe, die etwas produzieren», betont die Jula-Vizepräsidentin und ergänzt, dass für das Berggebiet einfache Ausbildungen wichtig seien, um genügend Betriebsleitende zu haben. «Eine Möglichkeit wäre, das Ausbildungsmodell nach Zonen abzustufen», sagt sie. Das müsste jedoch mit Vorsicht erfolgen. Auch die Reform der Grundbildung überzeugt die Jula nicht. «Die Spezialisierung erfolgt früher, die zukünftigen Landwirtinnen und Landwirte sind weniger breit ausgebildet», begründet Leana Waber.
Spezialisierung und Flächenwachstum haben zwei Seiten
Denn Spezialisierung hat für Leana Waber zwei Seiten. «Dank Spezialisierung kann man Effizienz gewinnen und Kosten senken», erwähnt sie die Vorteile. Gleichzeitig steige die Abhängigkeit. Auch die Wettbewerbsfähigkeit durch mehr Fläche zu verbessern, sei zu einfach. «Strukturwandel hin zu mehr Fläche pro Betrieb, gefährdet oder erschwert im Berggebiet die Bewirtschaftung der ganzen Fläche», sagt die Jula-Vizepräsidentin. Die Direktzahlungen nicht nur auf die Fläche zu beziehen, könnte den Druck auf die Fläche verringern. «In der Jula diskutieren wir, Produktionsfaktoren oder die Standardarbeitskräfte einzubeziehen», erzählt sie.
Bei Hofübergaben konzentriert sich die Jula auf Familienbetriebe. Ausserfamiliäre Hofübergabe könne jedoch auch ein Weg sein. Dass Betriebe aufgegeben würden, nur weil in der Familie keine Nachfolge da sei, sei nicht wünschenswert. «Jeder Betrieb, den wir halten können, trägt zur Vielfalt der Landwirtschaft bei», findet sie.
Die Realität ist: Gerade die kleinen und mittleren Höfe mit hoher Eigenarbeit, wenig Fläche und ohne kapitalintensive Rationalisierungsmöglichkeiten bleiben trotz höherer Preise im gleichen Hamsterrad. Für sie reichen ein paar Rappen mehr pro Liter oder Kilo nicht, um die strukturellen Nachteile auszugleichen.
Darum: Statt pauschal höhere Produzentenpreise zu fordern, sollten wir endlich über eine gerechte Verteilung der Direktzahlungen reden. Solange GVE-, Stück- oder Hektarbeiträge das Mass aller Dinge sind, zementieren wir den Strukturwandel – zugunsten der Grossen und zulasten der Kleinen.“
Es wäre der Vielfalt auch förderlich, wenn es noch (oder noch mehr) Schuhmacher, Bäcker, Metzger, Journalisten, Korbmacher, Bürstenmacher, Weber, Schneider usw. usw. gäbe.
In der Realität wollen beinahe alle von uns immer mehr Wohlstand, bessere Gesundheitsversorgung, grössere Wohnungen usw.
All dies lässt sich nur realisieren, wenn wir all unsere Wirtschaftsleistungen produktiver erbringen, was eben grössere Einheiten und weniger Betriebe erfordert.
Die Ausnahme von dieser Regel bilden die staatlichen Stellen. Dort ist Rationalisierung und Produktivitätssteigerung ein Fremdwort.
Meine Frage: wollen sich junge Bauern weiterhin als Staatsangestellte oder als Unternehmer fühlen, die sich dem rauen Wirtschaftswettbewerb stellen?
Ihr Vergleich mit anderen Gewerben greift für die Landwirtschaft zu kurz. In der Schweiz ist die Urproduktion kein Feld für freien Unternehmergeist im klassischen Sinn, sondern durch eine Vielzahl von Gesetzen und Auflagen bewusst reglementiert: Raumplanung, Höchsttierbestände, Gewässerschutz, Biodiversität, Tierwohl, ÖLN, usw.
Hinzu kommen die Produktionsfaktoren: Topografie, Klima und soziale Rahmenbedingungen lassen sich nicht „rationalisieren und automatisieren“ wie in der Industrie/Gewerbe. Diese natürlichen und gesellschaftlichen Grenzen bestimmen die Struktur der Landwirtschaft viel stärker als reine Marktmechanismen.
Zudem ist Landwirtschaft nicht nur Unternehmertum, sondern erfüllt gemäss Art. 104 BV einen klaren öffentlichen Auftrag – Ernährungssicherheit, Pflege der Kulturlandschaft, Erhalt der dezentralen Besiedelung, Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen. Damit das funktioniert, braucht es politische Instrumente: Grenzschutz, Direktzahlungen und Zollkontingente. Ohne diese könnte die Urproduktion hierzulande nicht bestehen.
Das Bild vom Landwirt als „freier Unternehmer im rauen Wettbewerb“ verkennt daher die Realität. Die Schweizer Landwirtschaft ist ein politisch gewolltes Projekt – und die Gesellschaftspolitik entscheidet, welche Form sie will und finanziert. Vielleicht lohnt es sich, Ihr Bild vom „freien Unternehmer“ und „Staatsangestellten“ in diesem Zusammenhang zu revidieren.
Jetzt müssen deine Worte nur noch den Weg die Köpfe von Bern und des BLW finden.
Ein 10-Hektar-Betrieb reicht heute meist weder für ein gesichertes Einkommen noch für eine Vollzeitarbeitsstelle. Und schon gar nicht, wenn zusätzlich Ferien- oder Wochenendvertretungen finanziert werden sollen. Doch gerade diese kleineren Betriebe tragen wesentlich zur Resilienz der Landwirtschaft bei – sie sichern Vielfalt, regionale Präsenz und Flexibilität - wenn wir diese mit klaren Aufgaben ausstatten, die alle Betriebe umsetzen können und eine faire Entschädigung erhalten.
Wenn wir Vielfalt ernst meinen, dann nicht als romantisches Erinnern, sondern als bewusste Investition in die Zukunft. Kleine Betriebe sind keine Relikte, sondern Bausteine einer Schweizer Landwirtschaft, die krisenfest, resilient, vielfältig und nah an den Menschen bleibt.