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Mensch und Natur: Der Abstand wird grösser

Sebastian Tilch, Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig |

 

Die Menschen leben immer weiter von Naturräumen entfernt und beschäftigen sich tendenziell auch seltener mit der Natur. Zu diesem Ergebnis kommt eine Metastudie eines deutsch-französischen Forscherteams am Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv), der Universität Leipzig und der Station für theoretische und experimentelle Ökologie (SETE - CNRS). 

 

Die Annahme, dass die Menschen weltweit immer weniger Naturerfahrung machen, ist weit verbreitet, aber es gibt kaum empirische Beweise dafür. Um Anhaltspunkte zu erhalten, untersuchte das deutsch-französische Forschungsteam zunächst, wie sich die durchschnittliche Entfernung zwischen dem Wohnort eines Menschen und dem nächstgelegenen naturnahen Gebiet im letzten Jahrzehnt weltweit verändert hat.

 

Sie fanden heraus, dass die Menschen heute im Durchschnitt 9,7 km von einem Naturgebiet entfernt leben, was einer Vergrösserung der Distanz um 7 % gegenüber dem Jahr 2000 entspricht. In Europa und Ostasien ist diese durchschnittliche Entfernung, etwa mit 22 Kilometern in Deutschland und 16 Kilometern in Frankreich, am grössten. «Auffallend ist, dass alle anderen Länder der Welt einem ähnlichen Muster folgen», erklärt Erstautor Victor Cazalis, Postdoktorand an der Universität Leipzig (D).

 

Zugang zu Grünflächen der Stadtbevölkerung nimmt ab

 

Die Autorinnen und Autoren konnten auch zeigen, dass der Baumbestand in den Städten seit 2000 weltweit zurückgegangen ist, insbesondere in Zentralafrika und Südostasien. «Dieser Befund deutet darauf hin, dass auch die Möglichkeiten für die Stadtbevölkerung, Zugang zu Grünflächen zu erhalten, abnehmen», sagt Gladys Barragan-Jason, Forscherin an der Station Theoretische und Experimentelle Ökologie und Mitautorin der Studie.

 

«Wir schlussfolgern, dass die Zerstörung von Naturräumen in Verbindung mit einem starken Anstieg der städtischen Bevölkerung zu einer wachsenden räumlichen Distanz zwischen Mensch und Natur führt, insbesondere in Asien, Afrika und Südamerika.»

 

Wenige Studien vorhanden

 

In derselben Studie suchten die Forscher systematisch nach wissenschaftlichen Veröffentlichungen, in denen ein Trend zu Naturerlebnissen untersucht wurde: von direkten Erlebnissen wie Wanderungen in Nationalparks bis hin zu stellvertretenden Erlebnissen, etwa Naturkulissen in kulturellen Produkten wie Zeichentrickfilmen, Computerspielen oder Büchern.

 

Sie fanden heraus, dass die Zahl der Studien, die diese Trends untersuchten, sehr gering war, und überwiegend in den USA, Europa und Japan durchgeführt wurden. Jede Behauptung, dass Naturerlebnisse zurückgingen, sei entsprechend unzureichend belegt. Es seien mehr Studien zu dieser Frage nötig, insbesondere in Afrika, Lateinamerika und Asien.

 

Gute Verbindung notwendig

 

Während einige Beispiele auf einen Rückgang der Naturbezüge hindeuten, stagnieren andere Interaktionen oder nehmen sogar zu. So erfreuen sich Dokumentationen über Wildtiere oder Videospiele mit Wildtieren grösserer Beliebtheit als noch vor einigen Jahren. «In den letzten Jahrzehnten über digitale Medien sicherlich neue Möglichkeiten entstanden, sich mit der Natur auseinanderzusetzen», sagt Gladys Barragan-Jason. «Mehrere frühere Studien zeigen jedoch, dass diese 'Naturerlebnisse ' unser Naturverbundenheitsgefühl weniger fördern als direkte Naturerlebnisse.»

 

«Zu wissen, wie sich die Menschen mit der Natur beschäftigen, ist essenziell, denn davon hängt ab, welche Beziehung wir zur Natur haben und wie wir mit ihr umgehen», sagt Victor Cazalis. «Wir müssen eine gute Verbindung zur Natur aufrechterhalten, um die notwendigen gesellschaftlichen Veränderungen möglich zu machen. Nur dann kann die Menschheit 'bis 2050 in Harmonie mit der Natur leben', wie es unsere Regierungen mit dem Global Biodiversity Framework anstreben, das derzeit auf der COP15 des Übereinkommens über die biologische Vielfalt diskutiert wird.»

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