Setzt die deutsche Landwirtschaft zukünftig auf Mikroalgen? Mit den einzelligen Wasserpflanzen lassen sich jedenfalls zahlreiche Wertstoffe produzieren – somit haben sie ein grosses Potenzial als nachwachsender Rohstoff und Biomassequelle für die Bioökonomie. Im Verbundprojekt »FuTuReS« untersuchten Forscherinnen und Forscher des Fraunhofer IGB, der Universität Hohenheim in Stuttgart und des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), unter welchen Bedingungen und für welche Zwecke sich die Algenkultivierung lohnt. Nach zwei Projektjahren zieht das Forschungsteam eine positive Bilanz: Der Schlüssel liegt in der richtigen Auswahl der Wertstoffe und der Nutzung von künstlichem Licht.
Mikroalgen sind genügsam und gleichzeitig produktiv: Sie benötigen nur Licht, Kohlenstoffdioxid (CO2) und ein paar Nährstoffe – und schon starten sie mit der Herstellung von Wertstoffen. Je nach spezifischer Algenart können die Einzeller etwa Farbstoffe, Omega-3-Fettsäuren oder Proteine produzieren, die beispielsweise für den Einsatz in der Lebensmittel- oder Kosmetikindustrie geeignet sind. Darüber hinaus stellen sie auch eine ideale Quelle für Biomasse dar, die sich als hochwertiges Futtermittel nutzen lässt. Eine Algenkultivierung könnte Landwirten somit potenziell vielversprechende Geschäftsfelder eröffnen.
Wirtschaftlich rentabel und ökologisch sinnvoll
Um dieses Potenzial für die Landwirtschaft zu erschliessen, beschäftigte sich das vom deutschen Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) geförderte Verbundprojekt »FuTuReS« mit der Frage, wie die Algenkultivierung konkret gestaltet werden muss, damit sie sich wirtschaftlich lohnt und gleichzeitig auch ökologisch sinnvoll ist.
Parallel untersuchte das Projekt die Interessen und Erwartungen von Praxisakteuren und Technologieentwicklern in der Landwirtschaft und dem Ernährungssektor. Als Ergebnis dieses partizipativen Prozesses entwickelte FuTuReS konkrete Szenarien und Handlungsempfehlungen, wie Mikroalgen zukünftig in landwirtschaftliche Produktionskreisläufe integriert werden können.
Kultivierungsszenarien
Für das Projekt spielte das deutsche Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB erstmals verschiedene Kultivierungsszenarien im Pilotmassstab durch: Die Algenzucht in Photobioreaktoren einerseits bei Sonnenlicht in Freilandanlagen oder Gewächshäusern und anderseits mit künstlicher Beleuchtung in geschlossenen Indoor-Anlagen.
Die Forscherinnen setzten dabei die einzellige Kieselalge Phaeodactylum tricornutum ein, welche sich auch unter den Bedingungen des mitteleuropäischen Klimas gut züchten lässt. Der Fokus der Untersuchungen richtete sich auf die Produktion des Farbstoffs Fucoxanthin, von Eicosapentaensäure (eine Omega-3-Fettsäure, kurz EPA) und von Proteinen sowie die hierbei generierte Wertschöpfung.
Höherer Biomasse-Ertrag dank kontinuierlicher künstlicher Beleuchtung
Die generierten Prozessdaten wurden im nächsten Schritt an der Universität Hohenheim ausgewertet. Die Bilanzierungen brachten zutage, dass die durchgehende Beleuchtung mit künstlichem Licht aus energiesparenden LED-Lampen Vorteile gegenüber der (natürlicherweise nicht durchgehenden) Nutzung von Sonnen- bzw. Tageslicht im Freilandbetrieb hat. Durch die unterbrechungsfreie Lichtversorgung tags und nachts konnten die produzierte Mikroalgen-Biomasse von 14 auf 123 Tonnen pro Hektar gesteigert und gleichzeitig die Kosten für die Herstellung eines Kilogramms Biomasse erheblich gesenkt werden – um ganze 70 Prozent.
Zwar fällt der Strombedarf um etwas mehr als die Hälfte höher aus (54 Prozent), dafür werden deutlich weniger Wasser und Fläche benötigt (80 bzw. 86 Prozent). «Der gesteigerte Biomasse-Ertrag kompensiert die höheren Kosten der künstlichen Beleuchtung», so das positive Fazit von Sebastian Weickert, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet «Nachwachsende Rohstoffe in der Bioökonomie» an der Universität Hohenheim (D).
«Für die Erzeugung der Biomasse mit künstlichem Licht benötigt man keine Agrarflächen oder kann stillgelegte landwirtschaftliche Infrastruktur nutzen, z. B. leerstehende Ställe. Dies und die hohen Ausbeuten bei wertvollen Stoffen machen die Algenkultivierung zu einem potenziell lohnenden Geschäft − es kommt darauf an, welche Produkte man herstellen möchte und für welche Branche diese bestimmt sind», resümiert Weickert.
Landwirtschaftliche Betriebe für Algenkultivierung aufgeschlossen
Über die naturwissenschaftlichen Resultate hinaus liefert das Projekt ein weiteres wichtiges Ergebnis: Landwirtschaftliche Betriebe sind der Algenkultivierung gegenüber grundsätzlich aufgeschlossen, verweisen aber auf weiteren Forschungs- und Förderbedarf. «Unter günstigen Rahmenbedingungen könnte die Mikroalgenkultivierung für einige Akteure in der Landwirtschaft ein neues Geschäftsfeld werden, um regional hochwertige Produkte zu erzeugen – das Potenzial ist auf jeden Fall da.
Das haben unsere Forschungsarbeiten eindeutig gezeigt», bilanziert Dr. Christine Rösch, Leiterin der Forschungsgruppe «Nachhaltige Bioökonomie» des Instituts für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Sie empfiehlt eine konsequente Weiterentwicklung der Mikroalgentechnologie, vor allem mit Blick auf Steuerung und Automatisierung, sowie die Förderung von Investitionen und genossenschaftlichen Kooperationen.