Mehrere Branchen- und Produzentenorganisationen möchten die Beiträge zur Finanzierung ihrer Kommunikationsmassnahmen für weitere vier Jahre auf die Nichtmitglieder ausdehnen. Der Bundesrat hat die Gesuche gutgeheissen. Ebenfalls durchgewunken wurde der Standardvertrag der Branchenorganisation Milch.
Die Organisationen Schweizer Milchproduzenten, Schweizer Bauernverband, GalloSuisse, Emmentaler Switzerland und Interprofession du Vacherin Fribourgeois erheben bei ihren Mitgliedern Beiträge zur Finanzierung von Kommunikationsmassnahmen, wie beispielsweise Werbung im In- und Ausland.
Trittbrettfahrer verhindern
Sie beantragen dem Bundesrat, auch die Nichtmitglieder für die Dauer von weiteren vier Jahren zur Zahlung dieser Beiträge zu verpflichten. Gestützt auf Artikel 9 des Landwirtschaftsgesetzes kann der Bundesrat die Selbsthilfemassnahmen von Branchen- und Produzentenorganisationen unter bestimmten Voraussetzungen auf Nichtmitglieder ausdehnen.
Am Mittwoch hat die Landesregierung die Gesuche nun bewilligt. «Auch wer nicht Mitglied einer Landwirtschaftsorganisation ist, aber dennoch von deren Selbsthilfemassnahmen profitiert, soll sich finanziell beteiligen müssen», schreibt der Bundesrat. Mit dem Entscheid sollen sogenannte Trittbrettfahrer verhindert werden. Diese profitieren von Massnahmen, ohne sich daran zu beteiligen. Die vom Bundesrat beschlossene Verpflichtung gilt für vier Jahre (2022–2025).
«Mehr Transparenz»
Zu mehr Gesprächsstoff dürfte der Entscheid beim Gesuch der Branchenorganisation Milch (BOM) führen. Die BOM hat an ihrer Delegiertenversammlung vom Juni 2021 beschlossen, ihr Reglement Standardvertrag und Segmentierung auf den 1. Januar 2022 anzupassen. Um die Umsetzung des Standardvertrags und der Segmentierung flächendeckend sicherzustellen, ersuchte die BOM Mitte September den Bundesrat, ihr Reglement erneut für vier Jahre auf allen Stufen des Kaufes und des Verkaufes von Rohmilch allgemeinverbindlich zu erklären.
Damit sollen gemäss BOM die Planbarkeit und die Transparenz bei den Milchpreisen verbessert werden. So müssen die Käufer von Rohmilch ihren Lieferanten jeden Monat die Konditionen (Mengen und Preise) für das A- und B-Segment bis spätestens am 20. Tag des Vormonats bekannt geben.
Der Bundesrat hat dem Gesuch zugestimmt und den Standardvertrag für vier Jahre (2022–2025) allgemeinverbindlich erklärt. «So können die Planbarkeit und die Transparenz für die Milchproduzenten beim Verkauf ihrer Milch verbessert werden», schreibt der Bundesrat dazu.
Keine Freiwilligkeit der B-Milch
Von der vom Parlament geforderten Freiwilligkeit der B-Milch wollte die Branchenorganisation aber nichts wissen. Diese fand im revidierten Milchkaufvertrag keinen Unterschlupf. «Die Freiwilligkeit der B-Milch gefährdet das Erfolgsmodell der Segmentierung. Damit hätte auch das Ende der A-Milch mit unberechenbaren Folgen im Schweizer Milchmarkt zur Folge. Deshalb lehnten auch die Milchproduzenten innerhalb der BOM diese Forderung geschlossen ab», teilte die BOM Anfang Juli 2021 mit.
BIG-M kritisierte diesen Entscheid scharf. «Mit dem Entscheid, diese Freiwilligkeit nicht umzusetzen, hat die Milchbranche ein weiteres, trauriges Kapitel in der Milchkrise geschrieben», teilte sie im Newsletter von Anfang Juli mit. Dies sei eine Absage an die rechtstaatlichen Institutionen, in dem die Milchbranche für sich das Recht herausnimmt, Parlamentsbeschlüsse zu ignorieren.
Die Leidtragenden sind gemäss der Organisation die Milchbauern. Der Druck werde weiter zunehmen. Den Entscheid der BOM-Delegierten bezeichnete BIG-M als Skandal. Die Basisorganisation für einen fairen Milchmarkt sieht das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) in der Pflicht. «Das BLW hat den Auftrag, dass die in der Politik gefällten Beschlüsse korrekt umgesetzt werden», so die Forderung von BIG-M.