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Milchindustrie warnt vor milchpolitischem Kurswechsel

Die Warnungen vor einem milchpolitischen Kurswechsel in Deutschland werden lauter. Der Milchindustrie-Verband (MIV) wandte sich mit Nachdruck gegen eine Rückkehr zu „wie auch immer gearteten staatlichen Eingriffen und zeitlich befristeten Regelungen“.

AgE |

 

 

Die Warnungen vor einem milchpolitischen Kurswechsel in Deutschland werden lauter. Der Milchindustrie-Verband (MIV) wandte sich mit Nachdruck gegen eine Rückkehr zu „wie auch immer gearteten staatlichen Eingriffen und zeitlich befristeten Regelungen“.

Überlegungen, wie sie derzeit von einigen Landesministerien angestellt würden, wies MIV-Hauptgeschäftsführer Eckhard Heuser am vergangenen Donnerstag als „kontraproduktiv“ zurück. Aus seiner Sicht würde damit lediglich die Bürokratie erhöht, nicht jedoch der Milchauszahlungspreis. Ähnliche Stimmen kamen aus der Wissenschaft. Agrarökonomen der Universitäten Berlin, Göttingen und Rostock sprachen sich für einen marktwirtschaftlichen Weg zur Bewältigung der gegenwärtigen Krise aus.

Märkte nicht aushebeln

Die Aushebelung des Marktes sei das falsche Instrument, um den Landwirten zu helfen, heisst es in einem gemeinsamen Papier von neun Wissenschaftlern. Die Spitzen des Deutschen Bauernverbandes (DBV) und genossenschaftlicher Molkereien wandten sich gegen gesetzgeberische Eingriffe in die Gestaltung der Lieferbeziehungen. Bei einem Treffen in Berlin verständigten sich beide Seiten auf Grundzüge für ein gemeinsames Vorgehen.

Erstmals kündigte Agrarminister Christian Schmidt an, er wolle weitere finanzielle Hilfen für Milchviehbetriebe an eine Begrenzung der Milchmenge koppeln. Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister Dr. Till Backhaus will für den 15. Juli zu einer Sonderagrarministerkonferenz (AMK) in Brüssel einladen. An der sollen auch EU-Agrarkommissar Phil Hogan und der französische Ressortchef Stéphane Le Foll teilnehmen.

Wettbewerbskraft der Molkereien verbessern

Seit dem Auslaufen der Quotenregelung liege die Verantwortung für die Produktionsmengen, das Management der Milchvermarktung sowie den Umgang mit zunehmenden Preisschwankungen es allein in den Händen der Marktakteure, verlautete nach dem Branchentreffen, zu dem DBV-Präsident Joachim Rukwied am vergangenen Donnerstag die Präsidenten der Landesbauernverbände sowie die Vorstände und Aufsichtsräte genossenschaftlicher Molkereien nach Berlin eingeladen hatte.

Gebrauch machen will man laut einer gemeinsamen Erklärung von der Möglichkeit zur Bildung einer Branchenorganisation. Sie soll in erster Linie zur Absatzförderung sowie im Bereich Forschung und Entwicklung eingesetzt werden. Derzeit würden die bereitstehenden EU-Mittel in Deutschland nur in geringem Umfang abgerufen. Einig war man sich in der Notwendigkeit, die Potentiale zur Verbesserung der Wettbewerbskraft der genossenschaftlichen Molkereien im Bereich der Wertschöpfung und Vermarktung stärker zu nutzen. Dazu soll gegebenenfalls auch eine Anpassung der Vermarktungsstrukturen zählen.

Stärkere Bündelung des Angebots 

Zudem müssten alle Möglichkeiten genutzt werden, um eine stärkere Bündelung des Angebots zu erreichen. Beide Seiten betonten, dass die Milchproduktion markt- und absatzorientiert auszurichten sei. Dies müsse von allen Beteiligten gegenüber den Erzeugern kommuniziert werden, um das gegenwärtige Marktungleichgewicht zu beheben.

Schliesslich fordern der DBV und die Genossenschaften nach wie vor einen verbesserten Zugang zu Drittlandsmärkten. Erwartet werden dabei auch politische Maßnahmen zur Lockerung des russischen Importembargos. In dem Gespräch setzten sich die DBV-Vertreter nach Verbandsangaben für differenzierte Auszahlungspreise ein. Beispiele dafür seien Festpreisvereinbarungen und eine verwertungsbezogene Preisstaffelung. Dabei gehe es nicht um ein dauerhaft höheres, „aber ein stabileres Preisniveau“.

Keine staatliche Milchquote

Sein Eintreten für eine Verknüpfung finanzielle Hilfen zugunsten der Produzenten mit einer Produktionsdrosselung begründete Bundesminister Schmidt mit der Notwendigkeit, „einen finanziellen Anreiz für eine bessere Mengenregulierung innerhalb des Marktes“ zu setzen. Nach einer Zusammenkunft mit den Länderagrarministern am Dienstag vergangener Woche stellte der Minister zugleich klar, dass er keine staatliche Milchquote wolle.

Gemeinsames Ziel sei: „Weniger Milch für bessere Preise.“ Schmidt räumte ein, dass die notwendigen rechtlichen Grundlagen dazu noch gefunden werden müssten. Die Länder hätten angekündigt, Modelle zu entwickeln und auf der für den 15. Juli vorgesehenen Sonderagrarministerkonferenz vorzustellen. Zuvor hatte der Minister nach dem Landwirtschaftsgipfel in der bayerischen Staatskanzlei eine von den Ländern geforderte befristete, entschädigungslose Mengenreduzierung auf EU-Ebene als „ultima ratio“ bezeichnet.

Branche gefordert

Im Nachgang seiner Unterredung mit seinen Länderkollegen begrüsste Schmidt deren Bereitschaft, ihn bei den Verhandlungen in Brüssel für ein weiteres EU-Hilfspaket zu unterstützen. „Mein Ziel ist es, EU-Gelder durch einen nationalen Beitrag von Bund und Ländern zu einem grossen Hilfspaket zusammenzuführen“, so der Minister. Er habe „viele positive Signale“ der Länderagrarminister erhalten, einen Beitrag zu einem grossen Hilfspaket leisten zu wollen.

Erneut verwies Schmidt auf die Verantwortung der Wirtschaft zur Überwindung der Milchkrise. Die Marktbeteiligten müssten zu einer Reduzierung der Milchmenge kommen und sichtbare Schritte für Strukturanpassungen auf den Weg bringen. „Die Branche muss die rechtlichen Rahmenbedingungen und Instrumente nutzen, um zu einem besseren Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage zu kommen“, bekräftigte der Ressortchef.

Mit dem Agrarmarktstrukturgesetz hätten Molkereien und Erzeugergemeinschaften demnächst die Möglichkeit, Absprachen über eine Reduktion der Milchmenge zu treffen. Schmidt: „Ich erwarte, dass sie davon Gebrauch machen.“ Mit dem von ihm initiierten Branchendialog habe man einen ersten Schritt in Richtung einer intelligenten Rohstoffplanung gemacht. Dieser Bereitschaft der Marktbeteiligten müssten jetzt unmittelbar Taten folgen.

Länder mit eigenen Mitteln

Im Mittelpunkt der Sonder-AMK in Brüssel werde die Diskussion um weitere Hilfen für die in Not geratenen Milcherzeuger stehen, sagte Backhaus nach dem Treffen der Länderressortchefs mit Schmidt. Der amtierende Vorsitzende der Agrarministerkonferenz machte deutlich, dass die Länder von der EU zusätzliche Mittel für Liquiditätshilfen erwarteten. Einvernehmen herrsche dabei, dass frisches Geld künftig grundsätzlich mit einer Drosselung der Milcherzeugung verknüpft werden müsse.

Der SPD-Politiker begrüsste, dass diese Position, die bereits Bestandteil des milchpolitischen Beschlusses der AMK vom April war, inzwischen auch vom Bundesminister geteilt werde. Backhaus bekräftigte die Bereitschaft der Länder, mit eigenen Mitteln die in Aussicht stehenden Hilfen des Bundes und möglicherweise der EU zu ergänzen. Konkrete Zusagen gebe es allerdings nicht.

Enttäuscht zeigte sich der Minister von der ablehnenden Haltung des Molkereisektors gegenüber strukturellen Änderungen in den Lieferbeziehungen. Ohne Vereinbarungen auf dieser Ebene und eine Mengensteuerung zwischen Erzeugern und Molkereien werde es weitere politische Schritte geben müssen. Backhaus erinnerte an die Forderung der AMK nach einer zeitlich befristeten obligatorischen Mengenbegrenzung in der EU, sollten freiwillige Massnahmen zur Angebotsdrosselung auf dem Milchmarkt nicht zum Erfolg führen.

Finanzielle Hilfen verschärfen Problem

Die Reaktionen auf das Bund-Länder-Treffen fielen überwiegend kritisch aus. Für den rheinland-pfälzischen Landwirtschaftsminister Dr. Volker Wissing ist Schmidts Konzept zur Überwindung der Milchkrise „nicht überzeugend“. Finanzielle Hilfen alleine würden die Probleme der Bauern nicht lösen, sondern langfristig noch verschärfen.

„Wir brauchen eine nachhaltige, marktwirtschaftliche Lösung, die es den Betrieben ermöglicht, mit ihrem Produkt faire Preise am Markt zu erzielen“, so der FDP-Politiker. Brandenburgs SPD-Ressortchef Jörg Vogelsänger mahnte eine europäische Lösung an, „weil es niemanden nützt, wenn in Deutschland die Milchmenge reduziert wird und andere Länder die Produktion weiter hochfahren.“ Der Bund solle prüfen, ob bei ausstiegswilligen Betrieben die Bindungsfristen für Fördermittel flexibler gehandhabt werden und Vorruhestandsregelungen für Beschäftigte und Eigentümer der Milchviehbetriebe helfen könnten.

Sackgassen-Politik

Hessens grüne Agrarministerin Priska Hinz zeigte sich enttäuscht, dass Schmidt keinen Vorschlag vorgelegt habe, wie eine Mengenreduzierung künftig an Bundesprogramme geknüpft werden könne. Ihr niedersächsischer Amts- und Parteikollege Christian Meyer warf dem CSU-Politiker eine „Sackgassen-Politik“ vor. Meyer erwartet von der angekündigten Sonderagrarministerkonferenz in Brüssel ein Votum für zeitlich begrenzte obligatorische Mengenreduzierungen.

Bereits im Vorfeld der Begegnung mit Schmidt hatten die grünen Länderagrarminister ihre Vorschläge für eine Lösung der Krise auf dem Milchmarkt bekräftigt. Im Mittelpunkt müssten wirksame Maßnahmen für eine Drosselung des Milchangebots stehen, heißt es in einem Positionspapier, das die Ressortchefs anlässlich des Bund-Länder-Treffens zur Milchpolitik vorgelegt hatten. Darin fordern die grünen Minister erneut ein Bonusprogramm Milch, um Molkereien und Erzeuger finanziell zu unterstützen, die sich an mengenreduzierenden Massnahmen beteiligen. Kurzfristige Hilfsmassnahmen seien zwingend mit einer Milchmengenreduzierung zu verknüpfen. Schließlich müsse eine zeitlich befristete entschädigungslose Mengenbegrenzung auf EU-Ebene ermöglicht werden, sollten freiwillige Massnahmen zur Mengensteuerung nicht greifen.

Nicht falsche Erwartungen vorgaukeln

Mit Nachdruck warnte MIV-Hauptgeschäftsführer Heuser die Politik davor, falsche Erwartungen zu wecken: „Im Übrigen sollte den Milcherzeugern nicht vorgegaukelt werden, dass solche Überlegungen realistisch sind“, so Heuser an die Adresse insbesondere der grünen Agrarminister. Änderungen der entscheidenden Gesetzeslage könnten nur auf EU-Ebene erfolgen. Nationale Alleingänge auf freiwilliger Basis brächten nichts außer zusätzliche Wettbewerbsnachteile.

Die Hauptaufgabe der Politik sieht Heuser darin, den freien Verkehr von Milch und Milchprodukten innerhalb der EU sicherzustellen und deren Zugang zu Drittlandsmärkten zu ermöglichen. Skeptisch zeigte sich der MIV-Vertreter gegenüber Vorschlägen für eine besser bezahlte A-Quote und eine B-Quote. Sie würden gerade bei genossenschaftlich organisierten Molkereien nur wenig Anklang finden. In Genossenschaften gelte zunächst einmal das Gleichheitsprinzip, „und das heißt auch, gleicher Basismilchpreis für alle“.

Scharf kritisierte Heuser Forderungen nach einer Abschaffung der Andienungspflicht, wie sie aus den Reihen der SPD erhoben werden. „Der Andienungspflicht auf Erzeugerseite steht die Abnahmepflicht auf Verarbeiterseite gegenüber.“ Beides seien „Kernelemente moderner organisierter Molkereiwirtschaft“. Wer die Andienungspflicht abschaffen wolle, der stelle zugleich gewachsene Strukturen, ausgewogene Partnerschaften und den Grundgedanken gegenseitiger Absicherung in Frage. Heuser: „Fällt die Andienungspflicht, fällt auch die Abnahmegarantie.“ Damit ginge für die Landwirte die Sicherheit verloren, die von ihnen produzierten Milchmengen auch in Zeiten schwieriger Marktlagen abgenommen, verarbeitet und verkauft zu bekommen.

Milchkartell nicht umsetzbar

Die Agrarökonomen üben in ihrem Papier grundsätzliche Kritik an Überlegungen für einen Zusammenschluss der Anbieter auf einem Markt zur Durchsetzung höherer Preise. Dies sei „wettbewerbspolitisch problematisch und wettbewerbsrechtlich unzulässig“. Zudem äussern die Wissenschaftler erhebliche Zweifel an der Umsetzbarkeit eines solchen Milchkartells. Es gebe Milcherzeuger, die in der Lage seien, sehr kostengünstig zu produzieren und die an einer Produktionsdrosselung kein Interesse hätten.

Forderungen nach einer staatlich durchgesetzten Begrenzung der Milchmenge lehnen die Wissenschaftler als Wiedereinführung einer staatlich administrierten Milchquote ebenfalls entschieden ab. Die Agrarökonomen räumen ein, dass eine marktwirtschaftliche Anpassung zu einem Ausscheiden der am wenigsten wettbewerbsfähigen Betriebe aus der Milcherzeugung führen werde. Warnungen vor einem Strukturbruch in der Milcherzeugung halten sie jedoch für unbegründet.

Problematisch sei die Situation für Betriebe, die in Erwartung hoher Milchpreise fremdfinanzierte Investitionen getätigt hätten und nun Kredite bedienen müssten, räumen die Wissenschaftler ein. Hier müssten Landwirte und Banken gemeinsam nach Wegen suchen, finanzielle Engpässe zu überbrücken. Leistungen, die die Landwirtschaft zur Erhaltung der Umwelt und der Kulturlandschaft erbringe, sind den Ausführungen zufolge nicht indirekt über Markteingriffe, sondern direkt über Zulagen zu honorieren. Perspektiven für die Weidehaltung könnten dadurch entwickelt werden, dass diese einerseits als Umweltleistung stärker honoriert und andererseits über spezielle Programme von Molkereien und Lebensmitteleinzelhandel über Preisaufschläge besser entlohnt werde.

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