Wie sieht die Milchkuh im Jahr 2030 aus? Zucht- und Marketingexperten entwarfen am Strickhof-Milch-Tag ein Bild der Zukunft. Für Meisterlandwirt Daniel Hug hingegen ist die Kuh schon heute ein geniales Tier.
Anstatt über leidige Themen wie den Milchpreis zu diskutieren, wolle man dieses Jahr einen Blick in die Zukunft werfen, erklärte Strickhof-Direktor Ueli Voegeli zum diesjährigen Milchtag-Thema «Die Milchkuh 2030».
Erste Erbgutanalyse kostete 50 Millionen
Von Science-Fiction-Romanen nicht weit entfernt lagen die Ausführungen von Hubert Pausch, Professor für Tiergenomik der ETH-Zürich, zum derzeitigen Stand der Zuchtforschung. Die komplette Analyse des Erbguts von Rindern bringe die Züchter der idealen Milchkuh mit grossen Schritten näher, erklärte Pausch. Ein entscheidender Faktor seien die Kosten der Genomanalyse.
Die erste Erbgutanalyse, die 2004 bei der Hereford-Kuh Dominette erfolgte, habe 50 Millionen Dollar gekostet. Heute könnten für 50 bis 300 Franken 10'000 bis 800'000 Positionen im Erbgutstrang eines Rinds analysiert und typisiert werden. Die Wissenschaft könne immer genauer sagen, welcher Abschnitt des Erbstrangs für welche Eigenschaften verantwortlich sei.
Krankheiten ausschliessen
Sieben Prozent des europäischen Braunviehs hätten eine Genveränderung, die dazu führe, dass Kälber mit Geburtsfehlern zur Welt kämen, im Wachstum zurückblieben und sich nicht normal entwickelten. Tiere mit diesem Erbfehler könnten mithilfe der Genomanalyse von der Zucht ausgeschlossen werden.
Ein paar Schwanzhaare
Interessant sei die Genomanalyse auch im Hinblick auf die Form des Euters. Die Auslese könne so erfolgen, dass Kühen mit melkrobotertauglichen Eutern der Vorzug gegeben werde. Auf Basis der Genanalyse könne weit besser entschieden werden, welche Tiere man für die Zucht verwenden wolle, als allein aufgrund des klassischen Zuchtwerts. In Irland erfolge bereits bei 17 Prozent aller Rinder die Beurteilung anhand einer Genomanalyse. In der Schweiz sei dagegen erst bei 3,5 Prozent der Rinder das Genom analysiert.
Dazu brauche es lediglich ein paar Schwanzhaare mit der DNA des Tieres und die entsprechende Software. Die präzisere Zucht ermögliche die Fokussierung auf gesunde Tiere, die zum Beispiel weniger anfällig seien für Mastitis oder andere Krankheiten. Die Zuchterfolge der vergangenen Jahre könnten so innerhalb kürzerer Zeit erzielt werden, sagte Pausch. Rekordleistungen wie die 34'000kg Milch/Jahr, die von einer Kuh in den USA erzielt wurden, seien zwar fraglich, aber von der physiologischen Grenze im Hinblick auf die Gesundheit der Kühe sei man derzeit noch weit entfernt.
Weniger Methanausstoss
Die Sichtweise der Industrie brachte Daniel Imhof, Leiter Landwirtschaft bei Nestlé Schweiz, den Milchbauern näher. Für erfolgreiche Nestlé-Exportprodukte wie Babynahrung sieht Imhof in der Swissness einen grossen Vorteil gegenüber Konkurrenten. Denn die Schweiz stehe für Lebensmittelsicherheit und Kühe in unberührter Berglandschaft. Über den Preis könne die Schweiz auf den internationalen Märkten nicht konkurrieren, sondern nur über die Qualität.
Wie der Fleischkonsum stehe jedoch auch die Milchproduktion in der Kritik, den Klimawandel zu befeuern. Im Hinblick auf Züchtungen sei es wichtig, dass man dies ernst nehme. Ein Zuchtziel könne dabei sein, dass man den Verdauungsvorgang so optimiere, dass eine Kuh mehr Milch bei weniger Methanausstoss produziere.
Miteinander statt gegeneinander
Um den ökologischen Fussabdruck zu verringern, arbeite Nestlé mit 50 Betrieben zusammen, um verschiedene Ansätze auszuprobieren. Wichtig sei, dass Nestlé dem Konsumenten eine schöne Geschichte erzählen könne. Die Schweiz habe hierbei aufgrund ihres Heile-Welt-Images im Ausland eine gute Ausgangsposition. Allerdings exportiere Irland inzwischen dreimal so viel Babynahrung wie die Schweiz. «Auch die Iren haben schöne Geschichten zu erzählen», sagte Imhof, «und dort arbeiten Landwirtschaft, Industrie und Politik sehr gut zusammen.»
In der Schweiz sei es dagegen so, dass man im Partner oft seinen Feind sehe. Damit appellierte Imhof an die Bauern, sich mit den Verarbeitern dafür einzusetzen, dem Konsumenten einen Mehrwert zu bieten. In China sei es Nestlé gelungen, Produkte zu positionieren, bei denen der Konzern den Mehrwert auch an die Milchproduzenten weitergeben könne. Allerdings koste die Eroberung neuer Märkte viel Geld.
Den Kühen Zeit lassen
Meisterlandwirt Daniel Hug aus Wetzikon schloss den Milchtag aus der Sicht des Praktikers. Trotz moderner Züchtungsmethoden zählen für den 58-jährigen Landwirt vor allem die Leidenschaft und die Liebe zur Kuh. Für Hug ist die Kuh ein geniales Tier. «Wer sonst kann Gras in Eiweiss verwandeln?», fragte er. «Und dabei furzen sie halt.»
Die Milchleistung seiner 55 Kühe sei zurückgegangen, seit er sie das ganze Jahr über auf der Weide hält. Dafür sei der Eiweissgehalt heute höher. «Ich setze immer gute Stiere ein, die sich im Hinblick auf den Eiweissgehalt auszeichnen», so Hug. Für den hohen Eiweissgehalt seiner Milch bekomme er jeden Monat 1000 Franken Zulage. Entscheidend ist für Hug, dass man seinen eigenen Weg findet, Problemkühe konsequent aussortiert, gute Genetik zukauft und den Kühen Zeit lässt, ihr Potenzial zu entfalten.