Hilfs-organisationen sind irritiert: Einerseits mobilisiert die Weltgemeinschaft immer neue Hilfen in Milliardenhöhe zum Schutz des globalen Finanzsystems, aber andererseits kann kein Geld für den Kampf gegen Hunger und Armut locker gemacht werden.
Europas Schuldenprobleme und die Risiken für die Weltwirtschaft haben auch auf dem Gipfel der führenden Industrie- und Schwellenländer der Gruppe der 20 (G20) Anfang der Woche im mexikanischen Badeort Los Cabos wieder absoluten Vorrang. Dabei leben mehr als die Hälfte der ärmsten Menschen in diesen G20-Staaten.
Investitionen in Landwirtschaft sind der klügste Weg
Jeder siebte Weltbürger muss jeden Abend hungrig ins Bett gehen. Zweieinhalb Millionen Kinder sterben jedes Jahr, weil sie nicht genug zu essen haben.
Während die Mächtigen der Welt aber unsicher sind, mit welchen Rezepten die Finanzkrise bewältigt werden kann, stellt sich der Kampf gegen den Hunger einfacher dar: Investitionen in die Landwirtschaft sind nach Angaben von Experten der klügste Weg, um Volkswirtschaften voranzubringen. Laut Weltbank haben sie zwei- bis viermal so grosse Auswirkungen auf die Armutsreduzierung wie andere Investitionen.
Gegen Spekulationen mit Nahrungsmitteln
Immer häufigere Dürren durch Klimawandel und die Sprunghaftigkeit der Nahrungsmittelpreise sind in Entwicklungsländern «eine Frage von Leben und Tod», warnen Hilfsorganisationen. Sie fordern ein energisches Vorgehen der G20 gegen Spekulationen mit Nahrungsmitteln und kritisieren die Förderung von Bio-Benzin aus landwirtschaftlichen Produkten.
«Es muss für die G20 höchste Priorität haben, die armen Menschen vor hohen Preissteigerungen bei Nahrungsmitteln zu schützen», fordert der Sprecher der internationalen Hilfsorganisation Oxfam, Carlos Zarco. «Hohe und unberechenbare Preissteigerungen bei Lebensmitteln hindern Millionen von Menschen daran, der Armut zu entkommen, und haben langfristige Auswirkungen auf Gesundheit und Ausbildung.»
170 Millionen Kinder leiden weltweit unter Wachstumsverzögerungen, weil sie unzureichend ernährt werden. «Eltern sollten nicht wählen müssen, ob sie ihren Kindern etwas zu essen geben oder sie zur Schule schicken können», sagt Zarco.
Keine Ressourcen für Armutsbekämpfung
Für die Armen und Hungernden in der Welt sind die Zeiten durch die Finanzkrise noch schlechter geworden. «Den Industrie- und Schwellenländern ist wegen der Krisen das Hemd näher als die Jacke», klagt Marwin Meier vom Kinderhilfswerk World Vision. «Sie haben kaum Zeit und Ressourcen übrig für Armutsbekämpfung.»
Das eigentliche Problem sei aber das «karitative Verständnis im Umgang mit globalen Ungleichgewichten». «Wenn gefühlt weniger übrig bleibt, dann wird auch weniger geteilt.» Ein Umdenken zu einem rechtebasierten Ansatz sei hier erforderlich: Die Menschen müssten nicht verhandelbare Rechte auf Nahrung und Hilfe haben - «auch dann, wenn Banken gerne Rettungspakete hätten».