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Mit Emotionen ins Sortiment gelangen

Der Schweizer Käsemarkt wandelt sich rasant. Während Sortenkäse wie Emmentaler und Gruyère an Bedeutung verlieren, boomen Mozzarella, Feta und andere Frischkäsesorten. Die Schweizer Käsebranche steht vor der Herausforderung, Tradition und Innovation zu verbinden und neue Wege zu gehen, um weiterhin erfolgreich zu bleiben.

Renate Hodel, lid |

In den letzten Jahren hat sich das Konsumverhalten in vielen Bereichen verändert. Was bedeutet diese Veränderungen für die traditionellen Sortenkäse? Und was braucht es, um auch in Zukunft erfolgreich zu sein? An der Käsereitagung 2024 der Zentralschweizer Milchproduzenten (ZMP) setzte sich die Schweizer Käsebranche mit diesen Fragen auseinander und versuchte Antworten zu finden.

Die Schweiz liebt ihren Käse: Jährlich konsumieren Herr und Frau Schweizer im Durchschnitt 23 Kilogramm davon. Doch obwohl der Gesamtkonsum stabil bleibt, zeigt ein genauerer Blick grosse Veränderungen bei den bevorzugten Sorten.

ZMP: Noch 600 Käsereimichproduzenten

ZMP-Geschäftsführer Pirmin Furrer gab Einblick in das ZMP-Gebiet. Derzeit gibt es noch 660 Käsereimilchproduzenten, die rund 104 Mio. kg Milch produzieren, das sind durchschnittlich 157'000 kg pro Betrieb. 73,6 Mio. kg fliessen in Emmentaler Käsereien sowie 22,4 Mio. kg in Sbrinz-Käsereien. Das sind die beiden wichtigsten Sortenkäse in der Zentralschweiz. Mit etwas über 3,8 Mio. kg werden die beiden Gruyère-Käsereien bedient. Die restliche Käsereimilch wird in sieben Weich- und Halbhartkäsereien verarbeitet.

In den vergangenen Jahren gab es einen deutlichen Strukturwandel. Von 2005 bis 2023 halbierte sich die Anzahl Emmentaler Käsereien in der Zentralschweiz, von 40 auf 19 Käsereien. Im derselben Periode gaben 3 Sbrinz-Käsereien auf. Derzeit wird noch in 15 Betrieben Sbrinz hergestellt. Beim Gruyère (-1 auf 2 Betriebe) und bei den Weich- und Halbhartkäsereien (von 9 auf 7) gab es weniger Schliessungen. «Dies zeigt, dass Emmentaler AOP enorm unter Druck steht», sagte Furrer.

Emmentaler unter Druck

Auf diesen Druck ging Urs Schluechter ein. Er ist Direktor von Emmentaler Switzerland. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, setze die Sortenorganisation auf eine umfassende Strategie, die Tradition und Innovation vereine. «Das strenge Pflichtenheft garantiert höchste Qualität und erfüllt die Anforderungen des AOP-Siegels», sagte er. Um sich an den Konsumententrends anzupassen, brauche es in einzelnen Passagen Anpassungen. Mit neuen Produkten will die Sortenorganisation auf sich wandelnde Konsumgewohnheiten reagieren und gezielt Millennials, Familien und Käseliebhaber ansprechen.

Ob es gelingt, damit den Abwärtsspirale zu stoppen, wird sich zeigen. Die Zahlen der vergangenen Jahren verbreiten nicht so viel Optimismus. 2023 wurden noch 161 Mio. kg Milch (4,8 % der gesamten Schweizer Milchproduktion) zu 13'390 Tonnen Emmentaler AOP verarbeitet. Zum Vergleich: Im Jahr 2000 waren es noch 45’000 Tonnen. Die Anzahl der Emmentaler Käsereien in der Schweiz ist mit 95 unter die Marke von 100 Betrieben gesunken. 

Bis 1999 Käseunion

Bis ins Jahr 1999 regelte die Käseunion streng, welche Käsesorten in welchen Mengen produziert wurden. Diese Subventionierung der Sortenkäse – darunter Emmentaler AOP, Gruyère AOP und Sbrinz AOP – sicherte den Produzentinnen und Produzenten ihre Marktanteile. Doch mit der Auflösung der Käseunion begann ein tiefgreifender Wandel und die Bedeutung des Sortenkäses hat seither abgenommen: Seit dem Jahr 2000 ist ihr Anteil an der Schweizer Käseproduktion von 54 Prozent auf 27,5 Prozent gesunken.

«Ich glaube, das Beispiel der Regulierung durch die Käseunion hat gezeigt, dass dies für eine Branche langfristig nicht gut ist – mit dieser Regulierung wird die Innovation erstickt», sagte Hans Aschwanden, Präsident des Dachverbandes der gewerblichen Käsereien Fromarte. Beim Verband sind rund 500 Betriebe Mitglied. Sie verarbeiten jährlich rund 1,1 Mrd. kg Milch und produzieren etwa 130’000 Tonnen Käse. Das ist rund zwei Drittel der gesamten Schweizer Käseproduktion. 2023 exportierte die Schweiz 73’494 Tonnen Käse, wobei die gewerblichen Käsereien einen Anteil von etwa 80 % hatten. Die Branche erwirtschaftet jährlich einen Umsatz von 800 Mio. bis 1 Mrd. Fr. und bietet rund 2’400 Arbeitsplätze an.

Markttrend verpasst

Die Vorlieben der Konsumentinnen und Konsumenten haben sich verändert: Frischkäse, Mozzarella und Feta liegen im Trend – ein Wandel, den die gewerblichen Käsereien nur unzureichend mitgestaltet haben. «Der Markttrend von diesem weissen Käse hat man in den gewerblichen Käsereien ein Stück weit verpasst», räumte Hans Aschwanden ein. Die industrielle Produktion, etwa durch Unternehmen wie Emmi, habe diese Lücke gefüllt und heute sei die Umstellung auf Frischkäse für kleinere Käsereien oft nicht rentabel. «Als ich in den 80er-Jahren meine Lehre machte, war Frischkäse kein Thema – das zeigt, dass wir unsere Ausbildung und Produktion besser an die Marktnachfrage anpassen müssen», ergänzte Hans Aschwanden.

Gleichzeitig beeinflussen gesellschaftliche Entwicklungen den Käsemarkt. Die zunehmende Internationalisierung sowie Zunahme von multikulturellen Haushalten bringt neue Käsesorten in die Regale, etwa Salzlakenkäse aus dem Balkan. Auch die wachsende Zahl kleiner Haushalte verändert die Konsumform: Käse wird häufiger als Snack oder in kleinen Portionen konsumiert. Diese Trends eröffnen Chancen für innovative Produkte, stellen aber gleichzeitig Herausforderungen dar, insbesondere für die traditionsbewussten Sortenkäse.

Werte und Geschichten erzählen

Neben dem verpassten Konsumtrend machte Aschwanden noch zweit weitere Gründe geltend, weshalb die Sortenkäse nicht zulegten. Die staatlichen Interventionen hätten eine falsche Sicherheit vermitteln. «Die Änderung von politischen Rahmenbedingungen hinken dem Markt immer hinterher», sagte er. Zudem sei die Besitzerstruktur der Käsereien nicht optimal. «In den meisten Fällen sei die Käserei im Besitz einer Käsereigenossenschaft, daher sind Entscheidungsprozesse eher schwerfällig», hielt Aschwanden fest.

Er sieht die gewerblichen Käsereien trotz Strukturwandel nicht als Auslaufmodell. Für viele kleinere Käsereien liege der Schlüssel zum Erfolg in der Emotionalisierung ihrer Produkte. «Wir haben einen riesigen Vorteil, dass man das Produkt viel besser emotionalisieren kann – kleine Käsereien verkaufen mit dem Käse Werte und Geschichten aus den Regionen», betonte Hans Aschwanden weiter. Diese Strategie zeigt Wirkung: Käsereien, die ihre Geschichten gut vermarkten, schaffen es auch in die Regale grosser Detailhändler wie Coop und Migros.

Sortenkäse für Coop wichtig

«Im Coop-Kanal sind wir weiterhin wachsend auf den Sortenkäse. Sie sind für uns sehr wichtig und auch absatztreibend für den Schweizer Käse», bestätigte Christian Vögtlin, Einkaufsleiter Käse bei Coop. Aber kleinere, regionale Käsereien profitierten ebenfalls von der gestiegenen Nachfrage nach Regionalität. «Die Kunden legen Wert auf hochwertige Produkte, eine breite Auswahl und transparente Preise, die Nachhaltigkeit und Regionalität umfassen – und dort spielen kleinere regionale Angebote eine wichtige Rolle», ergänzte Vögtlin. Langfristig würden Käsealternativen, die heute auf tiefem Niveau sind, zunehmen.

2023 wurden bei Coop 31'000 Tonnen Käse verkauft, die Schweizer Käse hatten einen Marktanteil von 70 Prozent. Importierte Käsesorten sind vorwiegend Spezialitäten und DOP-Käse (geschützte Ursprungsbezeichnung), wie zum Beispiel Bio Feta DOP. Der Absatz von Biokäse steigt bei Coop seit 2016 stetig, und sein Anteil am Markt beträgt inzwischen 12 %.

Genügend Milch produzieren

Die Schweizer Käsebranche steht vor der Herausforderung, Tradition und Innovation zu verbinden. Während Sortenkäse weiterhin einen wichtigen Teil des Marktes ausmachen, müssen Produzentinnen und Produzenten flexibler auf neue Trends reagieren. Frischkäse und regionale Spezialitäten bieten Wachstumschancen, die durch gezielte Zielgruppenansprache und transparente Kommunikation genutzt werden können.

Für Konsumentinnen und Konsumenten heisst das: Jeder Kauf ist eine Möglichkeit, die Vielfalt und Qualität des Schweizer Käses zu unterstützen – und damit einen Beitrag zur Zukunft dieser stolzen Tradition zu leisten.

Einen wichtigen Punkt brachte Leonhard Wey,  Geschäftsführer von Käsehändler InterCheese, ein. Die Herausforderung sei eher, dass auch in Zukunft von den Milchbauern noch genügend Käsereimilch produziert werde. «Und dass sich junge Leute Milchtechnologen ausbilden lassen, damit die Käseherstellung in gewerblichen Käsereien gewährleistet werden kann», führte er aus.

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