Sie treibt die Tierzucht voran und macht sie effizienter: Die DNA-Analyse. Vor fünf Jahren eingeführt, ist sie heute ein unverzichtbares Instrument in der Milchviehzucht.
Er vererbt perfekte Euter, sein Samen weist eine sehr gute Befruchtungsfähigkeit auf und die Milch seiner Töchter ist von bester Qualität: Der im September 2007 geborene Pongo ist ein Spitzenstier. Das ergab eine Untersuchung von 49 Nachkommen, die mit Pongos Sperma gezeugt und nach der Geburt minutiös analysiert wurden: Wie gross sind die Zitzen, wie gut ist die Melkbarkeit, von welcher Qualität ist die Milch?
Vor fünf Jahren erstmals angewandt
Daraus wurde eine Gesamtnote errechnet, die weit über dem Durchschnitt liegt. Swissgenetics, der grösste Schweizer Anbieter von Rindersperma, hat den Brown Swiss-Stier deshalb ins Standardsortiment aufgenommen. Seit Januar 2014 können Bauern ihre Kühe mit Pongos Sperma besamen lassen.
Dabei wollte Swissgenetics Pongo anfänglich gar nicht ins Zuchtprogramm aufnehmen. Mitarbeiter von Swissgenetics haben ihn als Kalb begutachtet und seine Abstammung geprüft. Sie kamen zum Schluss, dass er den Anforderungen nicht genügt. Dass er heute dennoch als wertvoller Zuchtstier gilt, verdankt Pongo einer neuen Technologie: Der Genomanalyse. Diese ergab, dass Pongo über bessere Gene verfügt, als der Blick auf seine Verwandtschaft damals vermuten liess.
So funktioniert die genetische Selektion
Im Jahr 2009 haben Wissenschaftler das Rinder-Genom entschlüsselt. Dies ermöglicht es, den Zuchtwert eines Tieres direkt aus dem Erbgut abzuleiten. Dennoch ist noch nicht vollständig klar, welche DNA-Abschnitte was steuern. Bei der genomischen Selektion wird nicht das ganze Erbgut analysiert, sondern lediglich Einzelbausteine, so genannte SNP-Marker – in der Regel 54'000 Stück. Mit Hilfe mathematisch-statistischer Modelle wird dann für jedes SNP errechnet, welchen Anteil es an den interessierenden Merkmalen hat. Daraus resultiert schliesslich ein Zuchtwert eines Tieres, dessen Sicherheit bei rund 70 Prozent liegt.
Um die Sicherheit zu erhöhen, können weitere Informationsquellen hinzugezogen werden, etwa die Abstammung oder falls vorhanden die Nachkommen. Züchter, die das Erbgut eines Tieres analysieren lassen wollen, müssen eine Haarprobe an die Qualitas AG in Zug schicken. Diese wiederum sendet die Proben an ein US-amerikanisches Labor. Die Resultate liegen rund zwei Monate später vor. Die Preise für eine Genom-Analyse sind stark gesunken, von anfänglich über 400 Franken für eine Standarduntersuchung auf derzeit 150 Franken. Bei der Genomischen Selektion wird das Rinder-Genom lediglich analysiert, nicht aber verändert. mw
Die Zucht von Milchkühen hat sich mit der Entschlüsselung des Rindergenoms im Jahr 2009 stark gewandelt. Um zu entscheiden, ob sich ein Stier für die Zucht eignet, wird heute eine Erbgut-Analyse herangezogen. In der Branche wird das "Genomische Selektion" genannt. Vor fünf Jahren erstmals angewandt, ist diese Methode heute Standard bei Swissgenetics. Fritz Schmitz-Hsu, Senior Geneticist bei Swissgenetics, spricht von der "bedeutendsten Neuerung seit der Einführung der künstlichen Besamung". Das war in den 1960er Jahren.
Traditionelle Zucht
Bevor die Molekulargenetik Einzug hielt in der Tierzucht, wurde der Zuchtwert eines Stieres anhand der Abstammung und Nachkommen bestimmt. Informationen aus dem Stammbaum sind jedoch mit einer grossen Unsicherheit verbunden. Verlässlicher sind hingegen solche aus der so genannten Nachzuchtprüfung: Dabei wurden Kühe mit Sperma von potentiellen Spitzenstieren besamt.
Anhand der Nachkommen liessen sich Rückschlüsse auf den Zuchtwert des Stieres ziehen. Je mehr Nachkommen untersucht wurden, desto präziser konnte dieser eingeschätzt werden. Zwar kann mit dieser Methode mit einer sehr hohen Sicherheit vorhergesagt werden, welche Eigenschaften ein Stier weitervererbt. Der Haken: Bis die Ergebnisse vorlagen, dauerte es fünf bis sechs Jahre, zudem ist ein solcher Prüfprozess kostspielig.
Zuchtfortschritt wird beschleunigt
Mit der Genomanalyse verfügen Bauern und Zuchtorganisation über eine weitere Methode, den Zuchtwert eines Tieres zu bestimmen. Gegenüber den herkömmlichen Methoden hat die DNA-Analyse viele Vorteile: Informationen direkt aus dem Erbgut sind viel sicherer und präziser als solche, die aus dem Stammbaum abgeleitet werden. Somit kann bereits kurz nach der Geburt eines Kalbes ziemlich exakt dessen züchterischer Wert bestimmt werden.
Das erlaubt den Züchtern bereits früh zu entscheiden, ob ein Tier für die Zucht in Frage kommt oder nicht. "Durch die Genomische Selektion kann der Zuchtfortschritt enorm beschleunigt werden", erklärt Schmitz-Hsu. Das Generationenintervall verkürze sich, Stiere könnten früher ins Zuchtprogramm aufgenommen werden. Swissgenetics bietet seit einiger Zeit den Bauern Sperma von so genannten Optimis-Stieren an, deren Zuchtwert nicht anhand von Nachkommen, sondern anhand des Erbguts und der Abstammung bestimmt wurde.
Prüfeinsatz entfällt
Die Genomanalyse hat die Tierzucht nicht nur beschleunigt, sondern auch effizienter gemacht. Denn die Untersuchung des Erbguts senkt das Risiko, dass ein Kalb fälschlicherweise als zukünftiger Spitzenstier eingestuft wird. Mit anderen Worten: Den kostspieligen und langwierigen Prüfeinsatz, bei dem die Nachkommen untersucht werden, durchlaufen somit nur noch Stiere, die sich mit grosser Wahrscheinlichkeit für die Zucht eignen.
Für Swissgenetics bedeutet das: Weniger Leerlauf und weniger Fehlinvestitionen. "Früher haben wir von 100 Stierenkälber, die wir angeschaut haben, vielleicht 50 angekauft. Heute sind es von 400 vielleicht noch 40", erklärt Schmitz-Hsu.
Verschiedene Kuhtypen züchten
Die Genomanalyse hat noch einen weiteren Vorteil. Sie liefert auch da Informationen, wo traditionelle Methoden an ihre Grenzen stossen: Bei Merkmalen, die nur zu einem geringen Grad weitervererbt werden. Dazu gehören etwa Gesundheit, Langlebigkeit oder Fruchtbarkeit. Zudem hilft die DNA-Analyse, Erbfehler zu erkennen. Vor allem aber ermöglicht diese Methode eine gezieltere Zucht.
Früher hätte die grosse Mehrheit der Betriebe die gleichen Zuchtziele verfolgt, so Schmitz-Hsu. Das sei heute anders. Heute gebe es Bauern, die möglichst viel Milch produzieren wollten und entsprechend Kraftfutter einsetzen würden; andere Landwirte hingegen setzten eher auf eine Gras- und Heu-betonte Fütterung. Beide Strategien erforderten einen unterschiedlichen Kuhtyp. Die Genomanalyse helfe, diese effizienter zu züchten.
Einsatz noch gering
Die Genomische Selektion mache die traditionelle Zuchtmethoden nicht überflüssig, gibt Schmitz-Hsu zu bedenken. Sie sei vielmehr eine Ergänzung. Die so genannte Nachzuchtprüfung, bei der die Nachkommen untersucht werden, liefere bei vielen Nachkommen noch immer die exakteren Werte.
Solche nachzuchtgeprüften Stiere sind denn auch am beliebtesten bei den Bauern. Der Einsatz von Optimis-Stieren, die in erster Linie aufgrund einer Erbgut-Analyse zur Zucht empfohlen werden, hat in den letzten Jahren zwar zugenommen, verglichen mit dem Ausland ist er aber noch relativ bescheiden.