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«Mit Kühe töten ist dem Klima nicht geholfen»

Ab Sonntag füllt sich die Schweiz den Teller statistisch gesehen aus dem Ausland. Die einheimische Landwirtschaft deckt nämlich lediglich 52 Prozent des Lebensmittelbedarfs im Land, wie der Schweizer Bauernverband (SBV) am Freitag mitteilte. Der Verband fordert eine Stärkung der inländischen Lebensmittelproduktion.

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Die 52 Prozent stellen den sogenannten Nettoselbstversorgungsgrad der letzten drei Jahre dar. Der Sonntag bildet demzufolge den «Food Overshoot Day». Ab diesem Datum ist die Schweiz auf importierte Lebensmittel und damit ausländische Produktionsflächen angewiesen.

6,8 Prozent für Lebensmittel

«Damit belegt die Schweiz Flächen in anderen Ländern und erhöht ihren konsumbedingten ökologischen Fussabdruck», schreibt der Bauernverband am Freitag in einer Mitteilung. Dieser falle bereits heute zu zwei Dritteln im Ausland an, obwohl der Importanteil beim Essen rund die Hälfte betrage. Die Bevölkerung muss im Vergleich zum Ausland weniger Geld für die Ernährung aufwenden.

«Ein durchschnittlicher Haushalt gibt 6,8 Prozent des verfügbaren Einkommens für Lebensmittel aus. Alles ist jederzeit verfügbar, niemand muss Hunger leiden. Entsprechend nachlässig ist der Umgang mit den nutzbaren Flächen und den Lebensmitteln an sich», kritisiert der Verband. Dies führe dazu, dass ein Drittel der Lebensmittel verschwendet würde.

Zerbrechlichkeit der Lieferketten

Wie der SBV weiter schreibt, zeigen die jüngsten Krisen wie der Krieg in der Ukraine die Zerbrechlichkeit der Lieferketten auf. Nur kleine Störungen könnten die ausreichende Versorgung aller Menschen gefährden, mahnt der Verband. Gründe dafür seien einerseits das Schwinden von Landwirtschaftsflächen durch Überbauung, Erosion, Versalzung und Wassermangel. Andererseits wachse die Weltbevölkerung. Mittlerweile sind gemäss dem SBV 828 Millionen Menschen unterernährt. Das Uno-Ziel, bis 2030 den Hunger auszurotten, rückt in weiter Ferne.

Wie auf der ganzen Welt verschwinden in der Schweiz landwirtschaftliche Nutzflächen, stagniert die Produktivität und steigen klimabedingte Anbaurisiken bei gleichzeitig wachsender Nachfrage durch das Bevölkerungswachstum. Der SBV fordert deshalb eine Stärkung einer ökologischen, tierfreundlichen Produktion mit Mehrwert bei den Produzentenpreisen sowie die Überführung der aktuellen Agrar- in eine umfassende und glaubwürdige Ernährungspolitik.

Produktionsaspekt stärken

Der Direktor des Schweizer Bauernverbandes, Martin Rufer, sprach von einer Herkulesaufgabe für die Landwirtschaft: «Unter sich verändernden klimatischen Bedingungen und trotz geopolitischen Problemen auf den limitierten Agrarflächen die Produktion so erhöhen, dass die stetig wachsende Nachfrage gedeckt werden kann, ohne dabei die natürlichen Ressourcen zu übernutzen. Kurz gesagt: so umweltfreundlich wie möglich, soviel Essen wie nötig bereitstellen.»

Dies klappe aber nur, wenn alle Stufen der Wertschöpfungskette mitziehen würden. Gefordert sei auch die Politik, so der Verband. Sie müsse dem Produktionsaspekt wieder eine höhere Bedeutung beimessen. «Dann können die Bauernbetriebe wirtschaftlich und sozial nachhaltig ihre Aufgabe als Lebensmittelproduzenten erfüllen», führt der Verband aus. Dies sei aufgrund der weltweiten Herausforderung eine moralische Pflicht.

Bioland Schweiz Utopie

Auch Bauernverbandspräsident Markus Ritter wies auf den stetig sinkenden Nettoselbstversorgungsgrad der Schweizer Landwirtschaft hin. Das liege am Schwund der Nutzflächen, dem Bevölkerungswachstum und den stetig steigenden Auflagen an die Produktion. «Ja, wir brauchen eine nachhaltige Produktion, denn nur so können wir die natürlichen Ressourcen für die Zukunft erhalten. Wir brauchen aber nicht – wie es gewissen Kreisen vorschwebt – ein 100-prozentiges Bioland», machte Ritter deutlich.

Die Schweiz brauche eine Produktion, die nachhaltig und tierfreundlich das Optimum aus den vorhandenen Ressourcen heraushole. Das sei zum Beispiel bei der IP-Suisse der Fall. «Die Ausdehnung dieser Produktionsform mit Mehrleistung wird aktuell in erster Linie durch die zu tiefe Wirtschaftlichkeit für die Bauernbetriebe begrenzt, die die damit verbundenen Risiken und die Mehrkosten nicht decken», führte er aus.

Bauern brauchen faire Preise

Ritter richtete seine Worte auch auf den Detailhandel. Diese würden zwar gerne in der Öffentlichkeit und in der Werbung ein «nachhaltiges Mäntelchen» umlegen. «Sie haben es in der Hand, das zu ändern. Taten statt Worte oder leere Versprechen sind gefragt», hob Ritter hervor. Er forderte eine glaubwürdige Ernährungspolitik. Dies umfasst auch Importe.

«Solange wir diese nicht ebenfalls nachhaltiger gestalten, gibt es keinen Gewinn für die Umwelt und das Klima», stellte er klar. Kühe töten wie in Irland und dann die fehlende Milch und das Fleisch importieren, möge für die nationale «Milchbüechlirechnung» einen Nutzen bringen. «Dem Klima ist damit aber rein gar nicht geholfen. Ich hoffe wirklich, dass wir in der Schweiz gescheiter sind», appellierte Ritter an Politik und Wirtschaft.

Das Fazit von Ritter: «Um die Vielfalt der Schweizer Landwirtschaft als Kernstück eines resilienten und nachhaltigen Ernährungssystems zu erhalten, brauchen unsere Bauernfamilien stabile Rahmenbedingungen, längerfristige gesetzliche Planungssicherheit und faire Produzentenpreise.»

Plan der irischen Regierung

Die Meldung schlug ein wie eine Bombe: Mitte Juni wurde ein internes Papier des irländischen Landwirtschaftsministeriums publik. Dieses sieht vor, dass in den kommenden drei Jahren fast 200’000 Kühe getötet werden sollen. Die bis jetzt geplanten Massnahmen reichten nicht aus, um die Klimaziele zu erreichen, so die Regierung.

Wie die Zeitung «Independent» berichtet, sieht der Plan vor, von 2023 bis 2026 jährlich 65’000 Tiere zu schlachten. Es handelt sich um sogenannte Kernmassnahmen. Für jede getötete Kuh gäbe es eine Entschädigung von 3’000 Euro (ca. 2’920 Franken). Die 18’000 irischen Milchbauern sind alarmiert. Ein solches Programm könne nur freiwillig sein, sagte Pat McCormack, Präsident des Verbands der irischen Milchlieferanten, der Deutschen Presse-Agentur. Und auch die Finanzierung sei noch nicht gesichert. «Es sollte bilaterale Gespräche geben, um einen Plan zu erstellen, der die ganze Branche mit ins Boot holt», sagte Pat McCormack weiter. 

Doch aus das reicht gemäss der Regierung nicht aus, um die Klimaziele zu erreichen. Um die Lücke zu schliessen, müssten nach Ansicht der irländischen Regierung in den kommenden Jahren «10 Prozent des Viehbestands durch andere Aktivitäten ersetzt» werden. Das wären 740’000 Tiere.  In Irland gibt es mehr als 7 Millionen Rinder, davon 1,55 Millionen Milchkühe. 

Kommentare (6)

Sortieren nach:Likes|Datum
  • SB Leser | 12.07.2023
    Mit der neuen Aufmachung ist der SB nicht mehr Tablet tauglich, die Darstellung erscheint zu gross.
    • bräseli | 10.11.2023
      Ja, die neue Aufmachung des SB ist gegenüber der Alten sehr schlecht. Besuche sie deshalb nur noch selten.
  • Lebensmittelproduzent | 09.07.2023
    Mit der letzten Abstimmung, wurde wieder einmal mehr Tür und Tor geöffnet, die schweizer Landwirtschaft
    für alle Misstände vor allem die Umweltverschmutzung, verantwortlich zu machen.
    Liebe Berufskollegen, wir gehen unabsehbar schwierigen Zeiten entgegen, aber auch die nichtlandwirtschaftliche Bevölkerung, der Schweiz, wird da mit einbezogen.
  • B.A.U.E.R | 09.07.2023
    Jeder, der solche Vorhaben unterstützt, sollte sich schriftlich dazu verpflichten, dass er oder sie oder es nicht mehr auf tierische Produkte zurückgreifen kann, falls mal Hunger eintreten sollte... Irgendwann räblets mit der Hi-Tech-Produktion und dann sind wir froh, produzieren die Bauern Lebensmittel!
  • Gesunder Menschenverstand | 07.07.2023
    Wir werden noch staunen, was uns Bauern für dumme Vorschriften gemacht werden, Begründung: Klimawandel!
    • lex | 12.07.2023
      Genau!
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