Forschende haben vor dem Hintergrund des Zielkonflikts zwischen Landnutzung und Biodiversität das Flächeneinsparungspotenzial in der Landwirtschaft simuliert. Das Modell zeigt: Weltweit könnte knapp die Hälfte der Anbaufläche reichen, um die derzeitigen Produktionsmengen zu erzielen. Dabei würde es zu sinkenden Preisen, aber auch einem Anstieg der Produktion kommen.
Weltweit steigt die Nachfrage nach Agrarprodukten für Nahrungs- und Futtermittel und Bioenergie. Damit wachse auch der Druck auf die Ressource Land, schreiben die Forschenden.
«Gleichzeitig sind Flächen, die nicht landwirtschaftlich genutzt werden, wichtig, um den wichtigsten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts – dem Verlust von Biodiversität und dem weltweiten Klimawandel – zu begegnen», halten sie fest. Eine Lösung dieses Konflikts könnte es sein, die landwirtschaftliche Produktivität zu steigern und die benötigte Anbaufläche so zu verringern.
Agrarproduktion steigt um 3%
Die Geographen Julia Schneider und Florian Zabel von der Uni München haben gemeinsam mit Forscherinnen der Universitäten Basel und Hohenheim in einer interdisziplinären, modellbasierten Studie analysiert, wie viel Fläche durch effizientere Anbaumethoden global eingespart werden könnte und welche ökonomischen Auswirkungen – etwa auf die Preise und den Handel – dies hätte.
Wie die Autorinnen und Autoren im Fachmagazin PLOS ONE berichten, zeigten die Modelle, dass unter optimierten Bedingungen bis zu knapp die Hälfte der derzeitigen Anbaufläche eingespart werden könnte. Aufgrund der gesteigerten Effizienz würden in allen Regionen die Preise für Agrargüter sinken und die weltweite Agrarproduktion um 2,8 Prozent steigen.
Effizientere Anbaumethoden
«Ausgangspunkt unserer Arbeit war ein aktueller Diskurs in der Wissenschaft, ob es für den Schutz der Biodiversität besser ist, auf mehr Fläche extensiver oder auf weniger Fläche intensiver zu wirtschaften, mit allen damit verbundenen Vor- und Nachteilen», sagt Schneider. Die Forscher hat interessiert, welches Flächeneinsparungspotenzial es gibt und welche Auswirkungen eine solche Flächeneinsparung ökonomisch hätte. Zur Beantwortung dieser Fragen analysierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mithilfe eines prozessbasierten biophysikalischen Ertragsmodells für 15 weltweit wichtige Nahrungs- und Energiepflanzen, welche Flächeneinsparungspotenziale sich durch intensivierte Landnutzung ergeben.
Dabei gingen sie davon aus, dass die Lücke zwischen aktuell erzielten und potenziell möglichen Erträgen durch effizientere Anbaumethoden – etwa durch den effizienten Einsatz von Düngemitteln und die Optimierung von Aussaatzeitpunkten oder Schädlings- und Krankheitsbekämpfung – zu 80 Prozent geschlossen werden kann und dass die insgesamt produzierten Mengen an Agrargütern weiterhin den heutigen entsprechen müssen.
In Europa Einsparung gering
Die Autoren kommen insgesamt zu dem Schluss, dass unter diesen Bedingungen der derzeitige Bedarf an Ackerfläche global zwischen 37 und 48 Prozent reduziert werden könnte. Regional gesehen ist das Flächeneinsparungspotenzial unterschiedlich: In Europa oder Nordamerika etwa ist das Flächeneinsparungspotenzial gering, da die Landwirtschaft hier bereits stark industrialisiert und der Intensivierungsgrad sehr hoch ist. «Teilweise werden hier die maximal möglichen Erträge auch bereits erreicht», sagt Mitautor Zabel.
«In Regionen wie Subsahara-Afrika dagegen liegen die aktuell erzielten Erträge meist weit unter dem, was aufgrund der naturräumlichen Gegebenheiten und bei optimierten Anbaumethoden möglich wäre», fährt er fort. Etwas weniger ausgeprägt als in Subsahara-Afrika ist dies den Modellrechnungen zufolge auch in Indien und Teilen Lateinamerikas der Fall. Eine effizientere Produktion könnte in diesen Regionen daher zu grossen Flächeneinsparungspotenzialen führen.
Sinkende Preise
Was die Anbaufrüchte betrifft, fanden die Forschenden vor allem für Kulturen wie Sorghum oder Hirse, die aktuell hauptsächlich von Kleinbauern in Regionen angebaut werden, in denen noch grosse Ertragslücken vorhanden sind, grosse Flächeneinsparungspotenziale. Für sogenannte Cash Crops, etwa Palmfrucht oder Zuckerrohr, die aktuell bereits sehr intensiv angebaut werden, zeigte das Modell dagegen nur ein geringes Flächeneinsparungspotenzial.
Im nächsten Schritt integrierten die Wissenschaftler die Flächeneinsparungspotenziale in ein ökonomisches Modell der Universitäten Basel und Hohenheim, um die wirtschaftlichen Auswirkungen der Flächenreduktion zu untersuchen. «Dabei zeigte sich, dass die effizientere Flächennutzung in allen Regionen und für alle Anbaufrüchte zu einem Rückgang der Preise führen würde», sagt Schneider. Dies könnte sich in manchen Regionen positiv auf die Ernährungssicherung auswirken. Die gesteigerte Effizienz wiederum motiviert laut Modell in manchen Regionen die Landwirte dazu, ihre Produktion zu erhöhen, sodass global die Produktion landwirtschaftlicher Güter um 2,8 Prozent stiege.
Effekte der Flächeneinsparung variieren stark
Die ökonomischen Effekte der Flächeneinsparung variierten dabei stark zwischen den untersuchten Regionen. «Die stärksten ökonomischen Effekte, also die grössten Veränderungen in den Preisen, der Produktion und den Handelsströmen, traten nicht in den Regionen mit den grössten Flächeneinsparungspotenzialen auf, sondern in dicht bevölkerten Regionen mit hohem Flächendruck, etwa in Malaysia und Indonesien und auch Teilen von Südamerika. In diesen Ländern stellt Land eine besonders knappe Ressource dar und spielt deshalb als ‚kostbares Gut‘ in den Produktionskosten eine grosse Rolle», sagt Schneider.
Durch die globalisierten Agrarmärkte und internationalen Handel könnten zudem Effekte einer Flächeneinsparung in geographisch weit entfernte Regionen verlagert werden. So führten global fallende Preise beispielsweise im Nahen Osten und Teilen Nordafrikas zu rund 30 Prozent höheren Importen, da diese günstiger waren als die Inlandsproduktion.
Kohlenstoffspeicherungspotenzial
Nach Ansicht der Wissenschaftlerinnen zeigen diese Ergebnisse, die Potenziale und Auswirkungen der Flächeneinsparungen in einem integrativen globalen Ansatz und im Kontext globaler Märkte zu untersuchen. So könnten mögliche Zielkonflikte und Co-Benefits zwischen dem Schutz von Klima, Biodiversität und der Nahrungsproduktion identifiziert werden.
Die Forscherinnen berechneten, dass durch eine Renaturierung der frei werdenden Flächen mit der Wiederherstellung der natürlichen Vegetation ein zusätzliches Kohlenstoffspeicherungspotenzial zwischen 114 und 151 Gigatonnen CO2 erreicht werden könnte. Die jährlichen globalen Emissionen liegen zum Vergleich aktuell bei rund 42 Gigatonnen CO2. Darüber hinaus könnten die potenziell frei werdenden Flächen für den Anbau von Bioenergiepflanzen oder den Schutz der biologischen Vielfalt, beispielsweise durch die Errichtung von Schutzgebieten, genutzt werden.
«Unsere Studie hat gezeigt, dass man die Forderungen nach einer Expansion der Anbauflächen kritisch betrachten kann und dass eine effizientere Nutzung der aktuellen Flächen den Druck auf die Landressourcen deutlich verringern würde», bilanziert Julia Schneider.