Ernst Schnyder bewirtschaftet einen Hof in der Stadt Grenchen SO. Seit Jahren kämpft er mit dem Abfall, den die Leute wegwerfen. Dieses Littering ist seit letztem Jahr besonders schlimm. Er verlor sechs Kühe wegen Alu-Dosen.
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«Schweizer Bauer»: Sie haben seit letztem Jahr sechs Kühe wegen weggeworfenen Abfalls verloren. Wie sieht das Krankheitsbild der Kühe, welche solchen Müll fressen, aus?
Ernst Schnyder: Vier sind gestorben, und zwei habe ich noch schlachten können. Das Muster ist immer das gleiche: Kühe oder Rinder, welche vor der Abkalbung stehen und gesund aussehen, können einen Infektionsherd in sich tragen, der aufgrund der körperlichen Veränderungen und der Vorbereitung auf das Abkalben ausgelöst wird und so zu einer Embolie führt. Diese Tiere sterben den Herztod ohne vorherige sichtbare Störung. Wir haben mit Tierärzten und Fütterungsspezialisten nach der Ursache geforscht, aber zunächst nichts gefunden. Dann lag in der ersten Februarwoche dieses Jahres wieder eine tote Kuh im Stall. Ich rief den Tierarzt an, und er öffnete die Kuh. Die Leber hatte eine ungesunde Farbe, und die Urinprobe zeigte ein Problem auf. Wir liessen daraufhin einen Teil der Kühe untersuchen. Das Resultat: Bei drei Vierteln der untersuchten Tiere wies der Test auf Infektionen hin. Alle anderen Resultate der Blutuntersuchungen waren gut bis sehr gut. Die Tierärzte kamen dann zum Schluss, dass Fremdkörper die Verursacher sein müssen.
...gegen die ein Magnet nichts bringt.
Genau. Ich habe zwar schon lange Probleme mit Fremdkörpern. Deshalb erhält jedes Rind routinemässig seit 30 Jahren einen Magneten. Aber Aluminium ist nicht magnetisch. Das Metall kann sich im Bauch einkapseln und Vereiterungen auslösen. Vor der Abkalbung kann sich dann die Infektion ausbreiten und die Kühe töten. Denn jede tote Kuh war hoch trächtig. Beim letzten Rind konnte ich es ganz speziell verfolgen. Zunächst war es ein traumhaft schönes Tier, dann aber auf einmal voller Wasser am ganzen Bauch. Das Kalb lag komplett verdreht im Bauch. Zunächst gab das Rind während vier bis fünf Tagen schön Milch. Dann ging die Leistung zurück. Verunsichert operierten wir den Labmagen und verabreichten Antibiotika. Zunächst ging es dem Tier besser. Als man mit dem Antibiotikum zurückging, bekam es erneut eine Euterentzündung. Also fuhr ich wieder hoch mit dem Antibiotikum. Dieses Spiel spielte ich viermal. Dann hatte ich genug, stoppte die Behandlung, um das Tier frühestens einen Monat später schlachten zu können. Es zeigte sich, dass es von Anfang an Fremdkörper in sich hatte. Auch am letzten Sonntag kalbte wieder eine Kuh ab. Und auch sie hat wieder solche Schwellungen und zeigt Anzeichen von Fremdkörpern.
Ihre Kühe sind offenbar vor allem an weggeworfenen Alu-Dosen gestorben. Ist Kunststoff ein kleineres Problem?
Kunststoffstücke sind zwar auch nicht gut. Doch Aluminium- und Chromstahlteile sind am schlimmsten. Denn sie sind scharf, aber nicht magnetisch. Mit modernen Mähwerken und Futtermischwagen werden diese auf die Grösse eines Kaffeerahmdeckels verkleinert. In der Grassilage finde ich jeden Tag zwei bis drei Gegenstände. Nicht jeder ist zwar gefährlich, aber man findet auch nicht jeden, der gefährlich ist. Heu ist weniger ein Problem, weil es ausgeschüttelt wurde. Auch die Hunde bereiten grosse Probleme. Viele Leute behaupten, dass sie den Hundedreck auflesen. Doch wenn der Hund auf das Gras gemacht hat, ist es kontaminiert. Wenn es eine Kuh frisst, dann hat sie zwei, drei Tage eine Magenstörung. Ich grase wegen der Hunde nicht mehr ein, die Silage ist aber trotzdem verschmutzt.
Zahlt Ihnen die Versicherung den Schaden, oder bleiben die Kosten bei Ihnen hängen?
Die Untersuchungen haben mich viel Geld gekostet. Für die toten Kühe aufgrund von Fremdkörpern bekomme ich von der Versicherung einen Grundbetrag. Die Abgänge durch Hundebandwürmer, welche ich auch schon hatte, wurden dagegen nicht abgegolten. Wenn ich Kühe auf meinem züchterischen Niveau kaufen will, dann reicht das erhaltene Geld nicht. Der finanzielle Verlust ist nur das eine, was wehtut. Man schluckt zwar den himmeltraurigen Milchpreis und die miesen Zucht- und Schlachtviehpreise. Aber wenn einem die Kühe wie Fliegen sterben, dann geht das an die Substanz.
Liegt Ihr Betrieb ganz einfach ungünstig, oder haben andere Bauern ähnliche Erfahrungen mit Littering gemacht?
An den Problemen mit Littering kauen viele Bauern. Wir haben nicht mehr die Zeit und die Leute, ständig ganze Flächen abzusuchen. Es ist nicht nur eine Häufung entlang von Hauptstrassen. Es gibt auch Fussgänger und Wanderer, welche entlang von Nebenwegen ihren Abfall wegwerfen. Gestern habe ich zwei Kunststoffblumentöpfe in der Weide aufgelesen und Gummiwaren. Immerhin bekomme ich von der Gemeinde Zangen zum Aufheben zur Verfügung gestellt.
Was kann ein Bauer gegen das Littering tun? Bringen zum Beispiel Hinweistafeln etwas?
Jeden Frühling räumen wir Abfall zusammen, doch alles findet man nie. Wir haben diesen Frühling so viel zusammengelesen wie noch nie. Vor allem die Jungen müssen ermahnt werden, Verpackungen, Flaschen und Alu-Dosen nicht einfach aus dem Auto zu werfen. Ich habe auch Hinweistafeln aufgestellt. Strom auf den Zäunen wirkt gegen Hunde am besten, aber im Stadtbereich kann ich das nicht machen.
Und was sollen Politiker und Bauernverbände tun?
Der Schweizerische Bauernverband (SBV) sollte unbedingt etwas unternehmen. Es ist Zeit, dass der SBV nicht nur Edelweisshemden präsentiert. Sie sollten auch einmal eine Kampagne fahren mit der Aussage «Müll wegwerfen kann Tiere töten». Die Bevölkerung muss sensibilisiert werden. Wenn einer Abfall wegwirft, dann sollte man den Mut haben, diese Person zu ermahnen oder gar zu büssen. Auch die Polizei muss gestärkt werden, wenn sie gegen Littering vorgeht. Denn wenn die Justiz die Täter wieder springen lässt, dann ist auch die Motivation der Polizisten gering.