Der verregnete Sommer schadet nicht nur den Touristikern: Bei vielen Kulturpflanzen grassieren dieses Jahr die Pilzkrankheiten. Im Rebbau drohen mancherorts gar Totalausfälle. Auch Biobauern müssen den Pilzen - ihren ärgsten Feinden - mit teils giftigen Pflanzenschutzmitteln zu Leibe rücken.
Nur die Pilze haben Freude am vielen Regen der letzten Wochen: In Rebbergen, Acker- und Obstkulturen grassieren dieses Jahr die Pilzkrankheiten. Am Bielersee, aber auch im Aargau und Thurgau, zeugen vertrocknete, angegraute Beeren und Blätter mit braunen Flecken vom Wüten des «Falschen Mehltaus».
Apfelschorf und Kraut- und Knollenfäule
Der Befall sei so schlimm wie seit Jahrzehnten nicht mehr, sagte Andreas Häseli, Berater beim Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) in Frick AG der Nachrichtenagentur sda. In manchen Parzellen ist bereits die ganze Ernte vernichtet, wie die «Berner Zeitung» letzte Woche berichtete. «In feuchten Jahren sind Pilze ausschlaggebend für den Erfolg von Kulturen», erklärt Häseli.
Auch Äpfel und Kartoffeln werden von Pilzkrankheiten heimgesucht: Apfelschorf verursacht Flecken auf Früchten und Blättern, die zwar für den Konsumenten harmlos sind, aber zum Verfaulen des Obsts führen können. Bei der Kartoffel kann eine Infektion mit der gefürchteten Kraut- und Knollenfäule bei feuchtwarmem Wetter ohne Gegenmassnahmen einen Bestand in wenigen Tagen vollständig ausmerzen.
Problematische Biopestizide
Biobauern trifft die Situation besonders hart, da ihr Arsenal an Pflanzenschutzmittel begrenzt ist: Statt Hunderte von Mitteln stehen ihnen nur rund 30 zur Verfügung. Im Gegensatz zu chemischen Mitteln sind diese Biopestizide meist natürlichen Ursprungs, so wollen es die Bioregeln.
Doch gerade gegen Pilzkrankheiten haben Biobauern noch keine zufriedenstellenden Waffen: Kupfer ist ein Schwermetall, das sich im Boden anreichert und in hohen Dosen Bodenlebewesen schädigen kann, etwa die Regenwürmer. Auch Schwefel wirkt gegen relativ viele Organismen und kann Nützlingen schaden, wie Hans-Rudolf Forrer von der Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART in Zürich erklärt.
Alternative zu Kupfer gesucht
Biobauern benützen zwar weniger Pflanzenschutzmittel als ihre konventionell arbeitenden Kollegen, was sich etwa in grösserer Regenwurmdichte in Bio-Obst- und Weinkulturen äussert. Dennoch belastet der Kupfereinsatz das Kulturland. Also sucht man sowohl bei der Agroscope wie beim FiBL seit Jahren nach Alternativen.
Vielversprechend sind laut Lucius Tamm, Pflanzenschutzexperte beim FiBL, saure Tonerde, Lezithin, Fenchelöl und Kaliumbicarbonat, was fast das Gleiche ist wie Backpulver. Doch sie können Kupfer und Schwefel nur teilweise ersetzen - gegen den Falschen Mehltau etwa muss noch immer Kupfer eingesetzt werden.
Selbstverteidigung gegen Pilze
Es gibt indes eine Lösung für das Pilz-Dilemma: widerstandsfähige Sorten zu züchten. «Die Schweiz ist Weltmeisterin beim Anbau von resistenten Apfelsorten», sagte Tamm. Das FiBL hat zusammen mit Coop die ganze Vermarktungskette neu aufgegleist, um den Konsumenten neue Sorten wie «Topaz» schmackhaft zu machen. Schon 40 Prozent der verkauften Bioäpfel stammen heute von resistenten Sorten.
Harziger geht es bei Reben und Kartoffeln voran. Mehr als eine resistente, qualitativ gute Kartoffelsorte fiel beim Handel durch - eine bildete in der Auslage bei Licht Solanin und färbte sich grün, eine andere hatte eine Schale mit Violettton. «Man hätte damit viel Kupfer eingespart», ärgert sich Forrer. Laut Tamm haben auch auf dem Weinmarkt neue Sorten einen schweren Stand.
Konventioneller Landbau wird ökologischer
Dennoch hat die Bioforschung grosse Wirkung gezeigt - auch in der konventionellen Landwirtschaft. Da ihre Spritzmittelauswahl begrenzt ist, müssten Biobauern kreativ sein, erklärt Forrer: Sie pflanzen Buntbrachen und Hecken, um Nützlinge zu fördern, perfektionieren die Fruchtfolge, fördern die Bodenfruchtbarkeit. Vieles davon floss in die integrierte Produktion (IP) ein, die schon heute etwa beim Getreide keine Pestizide mehr erlaubt.
Die übrigen, konventionell arbeitenden Landwirte machen es nach. Sie kaufen auch den Löwenanteil der Biopestizide und biologischen Schädlingsbekämpfungsmittel ein, an denen inzwischen sogar Agrarkonzerne wie Syngenta und BASF forschen. «Der Biolandbau und die integrierte Produktion haben den konventionellen Landbau ökologischer gemacht», sagt Forrer.