Die Schweizer Wirtschaft drängt auf eine weitere Abschwächung des Frankens. Um allenfalls eine Rezession oder eine Deflation zu bekämpfen, zeigt sich die Schweizerische Nationalbank (SNB) zu weiteren Interventionen am Devisenmarkt bereit.
Zwei Monate nach Festlegung des Euro-Mindestkurses von 1,20 Franken sei der Wechselkurs weiterhin hoch. «Wir erwarten, dass er sich über die Zeit weiter abschwächen wird», sagte SNB-Präsident Philipp Hildebrand in einem Interview mit der «NZZ am Sonntag».
Anhebung Euro-Mindestkurs: Bei Bedarf Massnahmen ergreifen
Sollte sich der Franken nicht abschwächen, könne dies zu deflationären Tendenzen führen und stark auf der Wirtschaft lasten. «Falls es die Wirtschaftsaussichten und die deflationäre Entwicklung erfordern, stehen wir bereit, weitere Massnahmen zu treffen.» Am Donnerstag hatte sich SNB-Direktoriumsmitglied Jean-Pierre Danthine ähnlich geäussert.
Auf die Frage nach einer Anhebung des Euro-Mindestkurses auf 1,30 Franken sagte Hildebrand: «Wir beobachten die Daten und werden bei Bedarf weitere Massnahmen ergreifen.» Intensiv verfolge die SNB die Ankündigungen von Entlassungen bei Schweizer Unternehmen.
2. Hälfte 2011: Am Rande einer Rezession
Erstmals rückte Hildebrand die Schweizer Wirtschaft auch an den Rand einer Rezession: Die Konjunktur habe sich sei Mitte Jahr deutlich verschlechtert. Seit Juli schrumpften etwa die Warenexporte. «Ich gehe davon aus, dass die Schweizer Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte im besten Fall stagniert, möglicherweise sogar etwas schrumpft.»
2012 werde die Schweizer Wirtschaft «im besten Szenario sehr magere Wachstumsraten haben». Bei ihrer letzten geldpolitischen Lagebeurteilung im September hatte die SNB noch keine BIP-Prognose für das nächste Jahr abgegeben und für 2011 ein Wachstum von 1,5 bis 2 Prozent veranschlagt. Hildebrand rechnet für dieses Jahr mit «gut 1,5 Prozent».
Dank der Einführung des Euro-Mindestkurses habe eine viel schlimmere Entwicklung verhindert werden können. Die SNB stelle fest, dass ihre «kristallklare Politik» hohe Glaubwürdigkeit geniesse. Und die breite Unterstützung in der Schweiz interpretiere er als Spiegel der absurden Überbewertung des Frankens im Sommer.
Viele Unternehmen in Existenz bedroht
Dennoch häufen sich Meldungen über Massenentlassungen. Für den Chefökonom des Bundes, Aymo Brunetti, ist der momentane Euro-Wechselkurs «für viele Unternehmen lebensbedrohend hoch». Es wäre wünschenswert, wenn sich der Kurs weiter abschwächen würde, sagte Brunetti der «Zentralschweiz am Sonntag».