Die EU-Mitgliedstaaten haben eine rasche Reaktion auf die durch die USA verursachte Blockade der Welthandelsorganisation WTO gefordert. Ein entsprechender Gesetzesvorschlag der Kommission solle «prioritär» behandelt werden, heisst es in der Gipfel-Erklärung der Staats- und Regierungschefs vom späten Donnerstagabend.
Wird der Vorschlag umgesetzt, könnte die Brüsseler Behörde auch ohne WTO-Urteil Handelssanktionen verhängen. Die USA blockieren seit rund zwei Jahren die Ernennung neuer Berufungsrichter der WTO. Am Dienstag lief das Mandat zweier der drei verbleibenden Richter aus. Seit Mittwoch kann die Berufungsinstanz des Streitbeilegungsmechanismus deshalb nicht mehr arbeiten. Gemäss den Regeln der WTO muss ein Disput aber in letzter Distanz abgeurteilt sein, damit der Kläger Massnahmen wie Strafzölle einführen darf.
EU-Handelskommissar Phil Hogan hatte am Donnerstag vorgeschlagen, der EU-Kommission die Möglichkeit einzuräumen, bereits nach einem WTO-Urteil in erster Instanz Strafmassnahmen zu verhängen. Ein weiterer Vorschlag würde es der Brüsseler Behörde sogar erlauben zu reagieren, wenn nicht einmal ein erstinstanzliches WTO-Urteil vorliegt. Hogan zufolge sollen Strafzölle oder Einfuhrbeschränkungen verhängt werden können, wenn ein Land die Streitbeilegung schon in erster Instanz blockiert.
Die Kommission arbeitet zudem an alternativen Regelungen mit den internationalen Partnern. Nicht permanente Schiedsgerichte sollen helfen, die US-Blockade zu umgehen. Gegenüber Ländern, die sich an derartigen Regelungen beteiligen, soll die Regelung zu Strafmassnahmen ganz ohne WTO-Entscheidung nicht zur Anwendung kommen.
Vizedirektor: «WTO nicht klinisch tot»
Die Mitgliedstaaten begrüssten diesen Ansatz, «während aktiv nach einer permanenten Lösung gesucht wird»: Die EU-Vorschriften sollten möglichst schnell «im Einklang mit den WTO-Regeln» an die «Lähmung des WTO-Streitbeilegungsmechanismus» angepasst werden, heisst es in der beim Gipfeltreffen in Brüssel beschlossenen Erklärung.
Die WTO ist laut Angaben ihres stellvertretenden Generaldirektors Karl Brauner überzeugt, dass die Welthandelsorganisation die aktuelle Krise meistern wird. Obwohl es «einen Wildwuchs an hier und dort verhängten Zöllen» gebe, würden immer noch mehr als 90 Prozent des Welthandels unter den Regeln der WTO stattfinden, sagte Brauner in einem Interview mit den Tamedia-Zeitungen (Freitagsausgabe).
Wohl gebe es ein schwerwiegendes Problem bei der zweiten Instanz der Rechtsprechung. «Aber die WTO ist nicht klinisch tot.»