«Bio Grischun will wieder Importsoja» lautete der Titel im «Schweizer Bauer» vom 10. April. Tatsächlich wollten sie vom Prinzip der 100prozentigen Schweizer Fütterung der Schweizer Knospe-Wiederkäuer wieder abkommen und sowohl Eiweisskomponenten (Soja) als auch Raufutterimporte zulassen, «solange das Angebot im Inland nicht verfügbar ist».
Jetzt aber haben die zwei Mitgliedorganisationen von Bio Suisse zuhanden der Delegiertenversammlung einen neuen Antrag gestellt, der die von vielen in der Bio-Szene sehr kritisch gesehene grundsätzliche (Wieder-)Öffnung zu Kraftfutterimporten für Bio-Wiederkäuer nicht tangiert. In diesem Bereich hat die DV ja im letzten Herbst eine befristete Ausnahmeregelung beschlossen, aufgrund derer bis 2028 ein kleiner Teil der jährlich verwendeten Eiweisskomponenten importiert werden darf.
10% des Raufutters soll importiert werden dürfen
Die zwei Organisationen betonen in ihrem neuen Antrag, den die Delegierten am Mittwochnachmittag behandeln werden, dass diese bestehende Übergangslösung bestehen bleiben soll. Auch wollten sie nie an die 5%-Kraftfuttergrenze (bis 2022 waren es 10%) rühren, das stand auch in ihrem Antrag. Ihr Anliegen ist jetzt eine grundsätzliche Änderung der Richtlinie zur Wiederkäuerfütterung, indem «der nötige Spielraum für 10% Raufutterimport generell gegeben wird».
Der Wortlaut des Antrags lautet: «Die Fütterung erfolgt zu 100% aus Knospe-Komponenten. Raufutter besteht zu mindestens 90% aus Schweizer Knospe-Anbau, bis zu 10% des Raufutterbedarfs darf in Knospe-Qualität importiert werden. Das gesamte Kraftfutter besteht zu 100% aus Schweizer Knospe-Anbau (ausgenommen Mühlennebenprodukte).»
Willkür-Risiko bei Ausnahmebewilligungen gebannt
Als erstes Argument ist im Antrag aufgeführt, dass die inländische Raufutterproduktion unberechenbaren Schwankungen unterworfen sei, wie zum Beispiel vermehrten Dürreperioden. So könne man betroffenen Betrieben den zusätzlichen administrativen und finanziellen Aufwand für Ausnahmebewilligungen ersparen. Das Argument zeigt, dass die weitherum kommunizierte und beworbene 100%-Schweizer-Futter-Regel nie absolut gegolten hat, sondern es Ausnahmebewilligungen gegeben hat.
Und hier, so ist aus den Reihen der Antragsteller zu hören, die Gleichbehandlung nicht immer gegeben: Wer mehr drängt, erhält möglicherweise eher eine Ausnahmebewilligung als derjenige Betriebe, der sich von den Bio-Suisse-Offiziellen brav sagen lässt, er könne ja noch dort oder dort das entsprechende Alternativfutter beschaffen.
«Milchmenge geht zurück»
Die Antragsteller betonen, dass ihr Antrag gegenüber der Ausgangslage vor dem Entscheid der Delegierten im Jahr 2018 (für 100% Schweizer Futter und für nur noch 5% statt 10% Kraftfutter) nach wie vor eine Verschärfung darstelle. Denn vorher habe es gar keine Vorgabe zum Inlandanteil gegeben (jetzt 90%) und zudem sei damals 10% EU-Bio zulässig gewesen. Hier stellt sich ja beim Antrag die Frage, woher das verlangte Knospe-Raufutter aus der EU kommt. Oder würde da erneut mit Ausnahmebewilligungen gearbeitet, wenn nur EU-Bio- statt Knospe-Qualität verfügbar wäre?
Die Antragsteller verweisen darauf, dass viele ihrer Mitgliederbetriebe Handlungsbedarf sehen, und für sie ist klar, dass die Bio-Suisse-Richtlinien einen gewissen Spielraum zulassen sollten, damit eine genügend grosse Breite an Betrieben sich darin zurechtfindet. Sie sind überzeugt: «Ohne Anpassung der Richtlinie wird die aktuelle Bio-Milchmenge zurückgehen und die Knospe Marktanteile verlieren.» Aus den Reihen der Antragsteller verlautet auch, dass der 2022 von Bio Suisse mühsam erzielte Mehrpreis für 100% Schweizer Futter in eine Zeit ohnehin steigender Milchpreise gefallen sei und dass dieser die Mehrkosten für 100% Schweizer Futter und nur 5% Kraftfutter nicht gedeckt habe.
Bio-Käsereien könnten gefährdet sein
Im Bündnerland ist es zusätzlich so, dass in Gebieten, in welchen die ganze Region auf Bio umgestellt hat, die kleinen Bio-Käsereien schon gefährdet sind, wenn nur 1 bis 2 der grösseren Milchlieferanten aufgrund der strengeren Bio-Suisse-Vorgaben sich von der Knospe abwenden und eine neue Betriebsstrategie fahren und sich neu die ÖLN-Milch von der Mooh abholen lassen.
Zu hören ist etwa, dass die Sanierung der Käserei Brigels gefährdet sei, weil sich zwei Milchbetriebe den Ausstieg aus der Knospe überlegen. Auch bei Alpen, wo Bauern eigene Alpungsrechte haben, kann es sein, dass sämtliche Produkte (Käse, Milch, Butter) nicht mehr in Knospe-Qualität vermarktet werden, wenn nur einer die Knospe aufgibt und sagt, ich bringe meine Kühe trotzdem auf die Alp.
Vorstand sagt Nein
Der Vorstand hat den neuen Antrag von Bio Grischun und Progana am 9. April besprochen und empfiehlt ihn, wie schon den ersten Antrag, zur Ablehnung. Die standortgerechte Landwirtschaft wird in Erinnerung gerufen, und das bedeute, dass Betriebe die Anzahl Tiere der verfügbaren Futterfläche sowie die Leistungsziele den topographischen und klimatischen Bedingungen anzupassen seien. Die Delegiertenversammlung habe im Herbst 2023 die Grundsätze von 2018 erneut bestätigt, schreibt der Vorstand.
Tatsächlich gab es damals auch Anträge, welche darauf hinausliefen, den Grundsatz von 100% Schweiz nicht nur befristet bis 2028, sondern generell aufzuweichen, die abgelehnt wurden. «Diese Entscheidungen sind nicht weltfremd, sondern zukunftsgerichtet. Sie orientieren sich an den Prinzipien der Knospe, natürliche Kreisläufe bestmöglich einzuhalten und Landwirtschaft sowie Ernährung enkelwürdig zu gestalten», so der Vorstand. Der Antrag zur Wiederkäuerfütterung ist bei der Delegiertenversammlung am Mittwoch, 17. April, unmittelbar nach der Mittagspause traktandiert.



Und zu Fred Gerbers Kommentar: Ich habe auf meinem Betrieb (BZ III) immer sehr gut mit der Milch verdient. Aber ich habe mich schon frühzeitig von der Leistungs- und Schauzucht abgemeldet und die Kuh gesucht, die zum Standort passt, und zwar ohne zugekauftes Futter. Habe kleinere Weidekühe, die mit wenig Aufwand sehr gute Leistungen erbringen. Dafür habe ich mehr in den eigenen Futterbau investiert.