Die niederländische Rabobank prognostiziert für die kommenden elf Jahre eine rasante Beschleunigung des Strukturwandels im heimischen Schweinesektor. Die Utrechter Analysten gehen in einer aktuellen Studie davon aus, dass die Zahl der Schweinehalter bis zum Jahr 2030 im Vergleich zu 2017 um insgesamt 2'500 oder 71 % auf nur noch 1'000 schrumpfen dürfte.
In der Vergangenheit habe sich die Zahl der schweinehaltenden Landwirte pro Dekade „nur“ etwa halbiert. Ausserdem sehen die Experten eine Abstockung des nationalen Sauenbestandes um etwa 140'000 Tiere oder 14% auf nur noch 890'000 Stück voraus.
Mehrere Betriebe an unterschiedlichen Standorten
Dagegen werde die durchschnittliche Bestandsgröße im Schweinesektor im Prognosezeitraum wahrscheinlich weiter steigen. Allerdings erwarten die Fachleute, dass dann ein einzelner Unternehmer mehrere Betriebe an unterschiedlichen Standorten gleichzeitig führen wird. Die Rabobank begründet
ihre Einschätzung unter anderem mit notwendigen Modernisierungsinvestitionen in den Schweinebetrieben, wodurch sich die individuellen durchschnittlichen Produktionskosten erhöhen werden. Das könne sich aber nicht jeder Landwirt leisten.
Zudem würden die Auflagen für die Aufstockung bestehender Schweineställe immer strenger, heißt es in der Studie. An bestimmten Standorten seien inzwischen keine Betriebserweiterungen mehr möglich. Beispielsweise zwinge die Provinz Nordbrabant die Schweinebauern, rasch in Umweltschutzmassnahmen zu investieren, mit denen aber keine zusätzlichen Gewinne zu erwirtschaften seien. Die Region im Süden der Niederlande ist eines der wichtigsten Veredlungsgebiete des Landes. Die Analysten schliessen nicht aus, dass andere Provinzen künftig eine ähnliche Politik fahren könnten.
„Kulturwandel“ empfohlen
Die Analysten nennen zahlreiche Anforderungen, die ein zukunftsfähiger Schweinesektor nach ihrer Ansicht erfüllen muss. Unter anderem sei eine marktorientierte Produktion in einer integrierten Vermarktungskette anzustreben. Allein mit niedrigen Produktionskosten in der Schweinehaltung sei es nicht mehr getan. Auch die Zuchtbetriebe, die Futtermittelhersteller sowie die Schlacht- und Verarbeitungsunternehmen müssten innovativ sein und über effiziente Anlagen verfügen. Als Beispiel wird die Optimierung der gesamten Vermarktungskette durch den Einsatz von Digitaltechnologie zur Planung und Steuerung der Warenströme genannt.
Dabei sollten alle Glieder der Kette das gemeinsame Ziel verfolgen, qualitativ hochwertiges Fleisch für einen möglichst hohen und garantierten Preis zu erzeugen. Ausserdem müsse der Gewinn so gut wie möglich in der Vermarktungskette geteilt werden. Daneben betonen die Rabobank-Experten die
Notwendigkeit, die Vernetzung des Schweinesektors mit der Gesellschaft zu stärken. Dafür müsse die Branche allerdings einen „Kulturwandel“ bewältigen. Um sich von einem „unerwünschten Widersacher“ zu einem „Mitstreiter“ zu entwickeln, seien gegenseitiges Verständnis, eine flexible Einstellung sowie Kommunikation und Respekt vonnöten. Die Utrechter Fachleute empfehlen unter anderem Bündnisse mit Branchenkritikern und Verbraucherorganisationen.
Export durch Handelsmissionen fördern
Der Studie zufolge sollte die niederländische Fleischindustrie dazu in der Lage sein, Kunden in der ganzen Welt zu beliefern. Dabei werde die Fähigkeit zu Produktdifferenzierungen als Erfolgsfaktor an Bedeutung gewinnen. Zu bedienen seien sowohl das Niedrigpreissegment als auch die Nachfrage nach Erzeugnissen mit einem hohen Zusatznutzen. Eine kontinuierliche Herausforderung für die Schlachtunternehmen und Fleischverarbeiter sei es, sich an die wechselnden Situationen auf dem Binnenmarkt und am Weltmarkt anzupassen, gaben die Experten zu bedenken.
Dabei sei auch die Unterstützung durch staatlich und sektoral organisierte Handelsmissionen erforderlich, denn die niederländische Schweineproduktion sei mit jährlich etwa 15 Millionen geschlachteten Tieren mehr als doppelt so hoch wie der nationale Verbrauch. Darüber hinaus sei damit zu rechnen,
dass die Ferkelnachfrage in Deutschland in den kommenden Jahren wegen strengerer Vorschriften für die Zuchtbetriebe steigen werde, so die Prognose der Fachleute. Zurzeit beziehe Deutschland jährlich insgesamt rund 12 Millionen Ferkel und darüber hinaus als zweitgrößter EU-Exporteur von Schweinefleisch rund 4 Millionen Mastschweine pro Jahr aus dem Ausland. Die wichtigsten Lieferanten seien Dänemark und die Niederlande.