Schlagkräftige neue Wirkstoffe für den lange aussichtslosen Kampf gegen Parasiten - dafür wurde in diesem Jahr der Nobelpreis für Medizin zuerkannt. Malaria und entstellende Wurmkrankheiten haben dank der Substanzen viel von ihrem Schrecken verloren.
Eine Hälfte des mit umgerechnet 929'000 Franken (8 Millionen Schwedischen Kronen) dotierten Preises geht an die Chinesin Youyou Tu für die Entdeckung eines Wirkstoffes gegen Malaria. Die zweite Hälfte teilen sich der gebürtige Ire William Campbell und der Japaner Satoshi Omura für die Entdeckung einer unter anderem gegen Würmer und Milben wirkenden Substanz.
Wirkstoffe retten millionenfach Leben
Das teilte das Karolinska-Institut am Montag in Stockholm mit. Die Wirkstoffe retten millionenfach Leben - vor allem von Menschen in armen Ländern. «Nach Jahrzehnten begrenzten Fortschritts bei der Entwicklung haltbarer Therapien für Parasiten-Krankheiten haben die Entdeckungen der diesjährigen Preisträger die Situation radikal verändert», lobte das Nobel-Komitee.
«Das ist eine tolle Anerkennung für den Kampf gegen Krankheiten der Armut und der vernachlässigten Krankheiten», kommentierte Marcel Tanner vom Schweizerischen Tropen- und Public Health-Institut (Swiss TPH) in Basel in einer Mitteilung. Das Institut erforscht seit vielen Jahren Malaria und vernachlässigte Wurmerkrankungen. Dank dieser wirkungsvollen Substanzen könne man in gewissen Regionen sogar an die Eliminierung der Malaria, Elefantiasis oder der Flussblindheit denken, erklärte Tanner, der bis Juni dieses Jahres Direktor des Instituts war.
Mit Bakterien gegen Würmer
Campbell (85) und Omura (80) hatten beim Bakterium Streptomyces avermitilis einen neuen Wirkstoff gegen Fadenwürmer entdeckt: Avermectin. «Ich dachte 'Darf ich es wirklich sein!?'», sagte Omura nach der Bekanntgabe dem japanischen Fernsehsender NHK. «Denn vieles habe ich ja von den Mikroorganismen gelernt. Es wäre angemessen, wenn man ihnen den Preis verleihen könnte.»
Omura hatte Anfang der 1970er Jahre aus Bodenproben Streptomyces-Arten isoliert und im Labor kultiviert. Campbell hatte auf der Suche nach neuen antibiotisch wirksamen Substanzen mit diesen Kulturen gearbeitet und war dabei auf die Avermectine gestossen. Diese Neurotoxine lähmen Fadenwürmer (Nematoden), Milben und Zecken und führen zu ihrem Tod.
Arme betroffen
Beim Menschen findet vor allem Ivermectin Verwendung, es hat die Häufigkeit von Flussblindheit und lymphatischer Filariose extrem vermindert. Die in den tropischen Gebieten Afrikas und Amerikas vorkommende Flussblindheit wird vom Fadenwurm Onchocerca volvulus verursacht. Sie führt zu Entzündungen der Hornhaut und bei 10 Prozent der Betroffenen zur Erblindung.
Fadenwürmer (Filarien) sind auch die Verursacher der Lymphatischen Filariosen. Die Parasiten besiedeln das Lymphsystem und führen zum Lymphstau in einzelnen Körperteilen, meist den Beinen, die sich in der Folge extrem vergrössern können (Elephantiasis). Betroffen sind vor allem arme Menschen in Entwicklungsländern. «Die Behandlung (mit Ivermectin) ist so erfolgreich, dass diese Krankheiten am Rand der Ausmerzung stehen, was eine grosse Meisterleistung in der Medizingeschichte wäre», hiess es vom Nobelkomitee.
Traditionelles Heilmittel
Youyou Tu (84) entdeckte bei Testreihen mit Pflanzenstoffen das Potenzial des Artemisinins, einer in der traditionellen chinesischen Medizin verwendeten Substanz aus Blättern und Blüten des Einjährigen Beifusses (Artemisia annua). Sie wirkt gegen Plasmodium falciparum, den Erreger der Malaria tropica. Die Sterblichkeitsrate Malariakranker liess sich damit deutlich reduzieren.
«Artemisinin ist das am häufigsten genutzte Medikament gegen Malaria», kommentierte Elena Levashina vom Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin. Allein für Afrika bedeute Artemisinin mehr als 100'000 gerettete Leben jährlich, erläuterte das Nobelkomitee. Die klarsten Worte fand die Hilfsorganisation Médecins sans Frontières mit Sitz in Lausanne, die sich stark für die Anwendung von Artemisinin eingesetzt hatte: Sie nannte die Wahl des Nobelkomitees schlichtweg «genial». Es gebe aber noch viel zu tun: Bessere Behandlungsmethoden für andere vernachlässigte Tropen-Krankheiten seien dringend nötig.