«Norwegen darf Importzölle erhöhen» Hildegunn Gjengedal vom Norwegischen Bauernverband erklärt, warum Norwegen Zolltarife für Käse und Fleisch erhöhen will.
«Schweizer Bauer»: Warum will Norwegen die Importzölle erhöhen?
Hildegunn Gjengedal: Einerseits sind in den letzten Jahren die Kontingente für zollfreien Import erhöht worden. Anderseits sind die Ausserzoll-kontingentsansätze so niedrig, dass die verzollten Importe sehr stark zugenommen haben. Deshalb hat die norwegische Regierung bekannt gegeben, dass sie im nächsten Jahr die Zölle für Hartkäse, Rind- und Lammfleisch von einem fixen Betrag (norwegische Kronen pro Kilogramm) auf einen Wertzoll (Prozent des Preises) umstellen und erhöhen will. Es geht darum, die Produktion im eigenen Land zu sichern.
Wird beim Hartkäse auch die Schweiz betroffen sein?
Die Schweiz exportierte letztes Jahr 90 Tonnen Käse und schöpft damit ihr zollfreies Kontingent derzeit nicht aus. Es könnte aber sein, dass einige Schweizer Hartkäse doch von der Massnahme betroffen sind. Die Details sind noch nicht bekannt.
Wie wurde die Entscheidung der norwegischen Regierung im Land aufgenommen?
Der Norwegische Bauernverband begrüsst sie, er hat sich im Vorfeld auch dafür stark gemacht. Die Importeure und Detailhändler hingegen sind erbost, sie verweisen auf die Wahlfreiheit der Konsumenten und wollen an den Importen natürlich gutes Geld verdienen.
Die Europäische Union hat dagegen protestiert. Fürchtet Norwegen nicht Gegenmassnahmen?
Einige EU-Mitgliedsländer wie Dänemark, Holland und Deutschland sind in der Tat aufgebracht. Es kam die Drohung auf, dass im Gegenzug die Importzölle für norwegisches Öl und norwegischen Fisch erhöht werden könnten. Und davon exportiert Norwegen erhebliche Mengen. Aus unserer Sicht ist das jedoch etwas ganz anderes.
Darf Norwegen denn aufgrund existierender Verträge die Zölle überhaupt erhöhen?
Wir sind der Meinung ja. Zwar verlangt ein vor zwei Jahren über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) ausgehandelter Vertrag, dass Norwegen und die EU auf eine weitergehende Liberalisierung des Handels mit Agrargütern hinarbeiten. Nun sind aber nicht Schritt für Schritt etwas mehr Importe hereingekommen, sondern es gab eine abrupte Entwicklung. Deshalb beruft sich Norwegen auf WTO-Recht, wonach sich Importländer in solchen Fällen wehren dürfen. Schliesslich ist Norwegen nicht Mitglied der EU und hat noch eine eigene Agrarpolitik.
Genau wie die Schweiz.
Ja, es gibt in der Tat grosse Gemeinsamkeiten zwischen Norwegen und der Schweiz. Beide Länder haben die EU als grosse Nachbarin. Die Landwirte in beiden Ländern produzieren in einem sehr hohen Kostenumfeld und in einer herausfordernden Topografie. Es braucht in beiden Ländern einen funktionierenden Importschutz, damit die Bauern die wichtige Aufgabe, Nahrungsmittel für die eigene Bevölkerung zu produzieren, wahrnehmen können. Damit die Länder weiterhin dieses Recht haben, spannen die Bauernverbände beider Länder auf internationaler Ebene, im Kontext der WTO, zusammen, etwa indem sie den Appell «Call for Coherence» unterstützen.
Norwegens Bauern
Neben wenig Ackerbau im Süden (Getreide und Kartoffeln) dominiert in Norwegens Landwirtschaft die Tierhaltung: Schafe, Ziegen, Rindvieh, Schweine. Sehr bedeutend ist aber auch die Fischerei. Von den OECD-Staaten liegt Norwegen an der Spitze, was die staatliche Unterstützung der Landwirte betrifft. 60% ihrer Einnahmen kommen direkt oder indirekt vom Staat — in der Schweiz sind es 56%. sal