Äpfel und Karotten statt Nelken und Tulpen. In der Berner Altstadt starten Blumenladen-Besitzer Altmann und Marktfahrerin Maurer ein gemeinsames Projekt. -> Mit Video
So still war es in der Berner Altstadt selten. Geschlossene Cafés,
abgeriegelte Kleidergeschäfte, keine Touristen unter den Lauben. Nur vor der
Blumen- und Hofboutique Flair an der Kramgasse sitzen zwei Menschen
nebeneinander auf einer Holzbank.
Bauern helfen einander
Umgeben von Pflanzen, steht auf einer Tafel mit
Kreide «Warteraum» geschrieben. Die
beiden Personen sind Urs Altmann und Lucy Maurer. Sie haben am Donnerstag das
Projekt des temporären Stadt-Hofladens gestartet. Weil Altmann seinen
Blumenladen wegen der Coronavirus-Verordnung schliessen musste, gehen nun statt
Tulpen und Nelken, Äpfel und Karotten über den Ladentisch.
Altmann,
selbst Bauer, führt im freiburgischen Kerzers einen Bauernhof, auf dem er
Getreide und Blumen produziert. In Bern verkauft er nebst Floristik auch
Hofprodukte: Sirup, Konfitüre oder Trockenfrüchte. Als er erfuhr, dass sein Laden geschlossen
werden muss, hat er nicht lange gefackelt und gehandelt. «Wir Bauern kennen und
helfen einander», sagt er.
Weiterhin Gemüse im Quartier
Bäuerin Lucy Maurer aus Diessbach BE kennt man in Bern. Sie
und ihre Familie verkaufen samstags Bio-Gemüse und -Früchte im Lorraine- und
Breitenrainquartier. Auch in Aarberg, Olten, Lyss und Solothurn stellt sie normalerweise
ihren Stand auf. Jetzt aber ist Schluss. «Märkte sind verboten, und auf dem
Land fehlen die Leute», sagt sie. Am Samstag steht ihr Verkaufsstand daher
lediglich auf dem Parkplatz der Bäckerei Bohnenblust im Berner Breitenrain.
Einzelstände sind nämlich laut Bund weiterhin erlaubt.
Dass Blumenladen-Besitzer Altmann auf sie zugekommen ist,
mache ihr Mut. Im Laden stehen Körbe und grüne Plastikharassen. Radieschen,
Kohlrabi und Selleriestängel locken mit satten Farben und auf der Ladentheke stehen
weisse und braune Eier in Kartonschachteln. «Wir hatten bereits am ersten
Morgen beachtlich Kunden», freut sich Maurer. «In der Berner Altstadt leben
immerhin mehr als 2000 Menschen. Es spricht sich rasch rum», meint auch
Altmann. Werbung gemacht hätten sie nicht. Nur Beiträge auf Social Media - und
die gingen durch die Decke. Sie wurden mehrere tausendmal angeschaut.
Nur drei Personen im Laden
In den Laden eintreten dürfen lediglich drei Personen gleichzeitig.
Daher der Warteraum draussen. Händewaschen nach jeder Bedienung ist Pflicht.
Auch werden die Kunden darauf hingewiesen, den nötigen Abstand voneinander zu
halten. Zahlen kann man bar oder mit Karte. Bei Maurer sind die Angestellten
von Altmann weiterhin beschäftigt.
So musste er niemanden kündigen. Er darf
zwar keine Blumen mehr verkaufen, doch ausliefern geht. Sträusse, Gestecke, Pflanzensetzlinge
und sogar Maurers Gemüse, liefert der Velo-Kurier bequem nachhause. Auch können
Kunden diese in der Abholbox direkt beim Laden selbst abholen.
Auch Läden ausserhalb von Grosshandel
Ob Altmann und Maurer so ihre Unkosten decken können, wissen
sie nicht. «Es ist ein gemeinsames Projekt», sagt der Landwirt. «Ob es rentiert
oder nicht wissen wir nicht». Aber darum scheint es nicht in erster Linie zu
gehen. Die beiden wollen der Berner Bevölkerung frische und gesunde
Lebensmittel bieten.
Für Altmann ist unverständlich, dass immer nur von grossen
Detailhändlern gesprochen wird, die ihre Türen offenhalten. Auch Bäcker, Metzgereien und Käsereien betreiben
ihre Geschäfte weiterhin. Rund um den neuen Hofladen in der Berner Gerechtigkeitsgasse
können Städter also durchaus Lebensmittel ausserhalb des Grosshandels
einkaufen.