Die Opec hat die von ihr geplante Ölförderbremse zur Unterstützung der im Zuge der Coronavirus-Epidemie eingebrochenen Preise nicht durchsetzen können. Russland lehnte bei einem Treffen mit den führenden Erdölstaaten in Wien am Freitag eine drastische Drosselung der Produktion bis Jahresende ab.
«Ab 1. April wird es weder für die Opec, noch für Nicht-Opec-Staaten Begrenzungen geben», sagte der russische Energieminister Alexander Nowak nach einer Marathonsitzung am Sitz der Organisation Erdölexportierender Länder. Die Ölpreise stürzten daraufhin weiter in den Keller.
Experten schockiert
«Das war eines der schlimmsten Treffen in der Geschichte der Opec, das ich je erlebt habe», sagte Irans Ölminister Bidschan Sanganeh. Sechs Stunden lang sei verhndelt worden. Doch Russland und Saudi-Arabien hätten sich nicht einigen können. Er schloss gleichwohl nicht aus, dass vor April womöglich doch noch eine Übereinkunft erzielt werden könne.
Experten zeigten sich schockiert vom Scheitern der Gespräche. Analyst Björnar Tonhaugen von Rystad Energy etwa sprach von einer unerwarteten Entwicklung. «Das wird eine der ernsthaftesten Ölpreis-Krisen in der Geschichte auslösen.» Die Opec hatte am Donnerstag vorgeschlagen, dass die 14 Mitglieder eine Million Fass (je 159 Liter) Öl pro Tag weniger aus dem Boden pumpen und ihre zehn Kooperationspartner zusätzlich 500 000 Fass pro Tag beisteuern.
Um 30 Prozent eingebrochen
Der Ölpreis gab mit der Ankündigung erneut deutlich nach, nachdem er über den gesamten Freitag schon kräftig gesunken war. Ein Fass der Nordseesorte Brent kostete am Nachmittag zeitweise weniger als 45,50 US-Dollar - und damit mehr als neun Prozent weniger als am Vortag. Zu Jahresbeginn lag der Brent-Preis pro Fass noch bei mehr als 65 Dollar. In den vergangenen zwei Monaten ist der Preis um 30 Prozent eingebrochen.
Zahlreiche Experten und Organisationen gehen inzwischen davon aus, dass die Nachfrage nach Rohöl deutlich langsamer steigen wird als erwartet oder sogar sinken könnte. Bei gleichbleibender Produktion dürfte das den Ölpreis weiter unter Druck setzen.
Coronavirus drückt auf Ölnachfrage
Das macht vor allem den Opec-Ländern zu schaffen. Russland dagegen gab an, mit dem derzeitigen Preisniveau leben zu können. Der Ausbruch des Coronavirus drückt auf die Ölnachfrage, weil Flüge gestrichen und Reisen abgesagt wurden, um eine weitere Verbreitung des Erregers zu verhindern und ein Einbruch der Weltkonjunktur befürchtet wird.
Um gegenzusteuern, wollte die Opec die weltweite Förderung noch stärker drosseln als dies derzeit ohnehin schon praktiziert wird, und dazu grosse Öl-Länder, die wie Russland nicht dem Kartell angehören, mit ins Boot holen.
Geopolitische Konsequenzen
Am Donnerstag stellte die Opec der sogenannten Opec+ (Opec Plus) faktisch ein Ultimatum, indem sie neben der bis Ende März bereits vereinbarten Drosselung um 2,1 Millionen Fass pro Tag eine zusätzliche Kürzung um täglich 1,5 Millionen Fass bis Ende 2020 ins Spiel brachte. Es wäre die stärkste Förderkürzung seit der Finanzkrise 2008 gewesen.
Russland lehnte die zusätzliche Kürzung ab. Die Regierung in Moskau signalisierte lediglich Bereitschaft, die bereits vereinbarte Drosselung um 2,1 Millionen Fass bis Jahresende zu verlängern.
Das Platzen der Allianz zwischen der Opec und den anderen Öl-Staaten könnte auch über den Ölmarkt hinausreichende, geopolitische Konsequenzen haben. Der weltgrösste Erdölproduzent Saudi-Arabien, der die Opec de facto anführt, und Russland haben über die Ölgespräche in den vergangenen Jahren auch politisch wieder zueinander gefunden. Ihre Beziehungen litten unter dem Bürgerkrieg in Syrien, wo sie unterschiedliche Konfliktparteien unterstützt haben.