Die EU-Landwirtschaftsminister haben sich am Montag erneut über die aktuelle Situation auf dem EU-Agrar- und Lebensmittelmarkt nach der Invasion Russlands in die Ukraine ausgetauscht. Die Diskussion konzentrierte sich auf das vorgelegte EU-Massnahmenpaket zur Gewährleistung der Ernährungssicherheit sowohl auf unmittelbare als auch auf längerfristige Sicht.
Neben der Ausnahmeregelung zur Nutzung von Brachflächen sprach sich die österreichische Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger vor allem für eine EU-Eiweissstrategie aus. «Wenn wir die Brachfläche nutzen wollen, dann braucht es jetzt die notwendigen Massnahmen. Allein in Österreich könnten wir dadurch rund 9’000 ha mehr in die Produktion bringen. In Europa gibt es ein Potenzial von 4 Mio. ha», erklärte Köstinger.
Insgesamt 20 EU-Mitgliedsstaaten unter Federführung von Österreich sprachen sich bei der Ratssitzung für eine EU-Eiweissstrategie aus. «Wir brauchen endlich eine EU-weite Eiweissstrategie, um bei Futtermitteln unabhängiger von Drittlandimporten zu werden», forderte Köstinger, die seit 2018 dieses Thema auf europäischer Ebene forciert und erst im vergangenen Dezember eine gemeinsame Initiative mit dem französischen Landwirtschaftsminister Julien Denormandie für eine EU-Eiweissstrategie startete.
Ausnahmeregelungen möglich
Neben der Ausnahmeregelung zur Nutzung von Brachflächen könnten nach dem EU-Massnahmenpaket Vorschusszahlungen von Direktzahlungen sowie flächen- und tierbezogenen Massnahmen im Rahmen der Ländlichen Entwicklung, die Private Lagerhaltung von Schweinefleisch sowie eine Aktivierung der Krisenreserve im Rahmen der Gemeinsamen Marktordnung, die verstärkte Beobachtung der Agrarmärkte, insbesondere von Lebens- und Futtermitteln, sowie die Schaffung von Regeln zur Ermöglichung von staatlichen Beihilfen im aktuellen Kontext, insbesondere zur Produktion von pflanzlichem Eiweiss, kommen.
Der Krieg in der Ukraine hat gravierende Auswirkungen auf die weltweite Ernährungssicherheit. Aktuell wird über den größten ukrainischen Seehafen in Odessa kein Getreide mehr exportiert. Zudem sind viele bäuerliche Betriebe in dem Land nicht in der Lage die Felder zu bestellen, weil Betriebsmittel, Maschinen und Arbeitskräfte fehlen oder Flächen sowie Infrastruktur zerstört oder besetzt sind.
Dabei greifen russische Streitkräfte gezielt Agrarinfrastruktur an, um die Produktion zu verunmöglichen. Laut dem Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus werden bereits jetzt Ernteausfälle bis zu 60% der ukrainischen landwirtschaftlichen Produktion erwartet. Abhängig von den weiteren Kampfhandlungen kann es zu noch größeren Ausfällen kommen.
Eigenversorgung wichtig
Dieser Produktionsrückgang wird nach aktuellen Einschätzungen zu enormen Verwerfungen führen und vor allem die Ernährungssicherheit in Nordafrika, aber auch im Nahen Osten gefährden. Ein Grossteil des Getreides, das die FAO (Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen) einsetzt, kommt aus der Ukraine, und die aktuellen Ausfälle müssen kompensiert werden.
«Der Krieg Russlands gegen die Ukraine zeigt einmal mehr die dringende Notwendigkeit, dass sich ein starkes Europa selbst mit Lebens- und Futtermitteln versorgen können muss. Ich fordere die EU-Kommission und die Mitgliedsstaaten auf, das vorgelegte EU-Massnahmenpaket sofort zu beschliessen und umzusetzen. Wir müssen jetzt handeln, damit wir die Ausfälle in der Ukraine zumindest teilweise kompensieren können», appellierte Köstinger.