Es ist ein grauer Nachmittag im Februar, die Temperatur ist mild für die Jahreszeit, es geht ein leichter Wind. Rund 500 Schafe grasen auf einer Wiese vor einem kleinen Waldstück in Hildisrieden LU. Am Waldrand hat es eine Holzbeige, die zum Schutz gegen den Regen mit mehreren Wellblechplatten gedeckt ist. Ein paar der Schafe streichen um das Brennholz herum. Ein Wellblech fällt herunter, es scheppert und die Schafe rennen weg.
Die Schafe stets im Blick
Am Feldrand steht ein Auto, über dessen Kofferraumdeckel ist eine Blache gespannt, die als Windschutz dient. Unter dieser Vorrichtung sitzen Schäfer Michael Cadenazzi und ein befreundetes Ehepaar. Sie haben zusammen Mittag gegessen. Jetzt gibt es Kaffee und Kuchen.
Cadenazzi erzählt von seiner Arbeit. Dabei hat er die Schafe stets im Blick. Entfernen sich einige der Tiere zu weit weg von der Herd, schickt er den Hund Zorro los, um die Tiere wieder zurückzuholen. Von Dezember bis Mitte März ist Cadenazzi mit der Schafherde auf Wanderschaft im Luzernbiet. Die Schafe vertrauen ihm mehrheitlich andere Besitzer an, die den Hirt pro Schaf und Tag für seine Arbeit entschädigen.
Michael Cadenazzi hat auch einige Lieblingsschafe.
Bettina Kiener
Bauer leistet Putzdienst
Auf der Wiese, wo die Tiere jetzt grasen, ist Cadenazzi früher, als dass er gerne gehabt hätte. Auf der vorhergehenden Weide hätten die Tiere nicht gut gefressen, das Gras habe ihnen nicht gepasst, sagt der Schäfer. Darum musste er am Vormittag die Herde über eine stark befahrene Hauptstrasse treiben und im späteren Nachmittag wird er wieder zurückgehen müssen. Das zusammen mit den drei Hirtenhunden und den vier Eseln. Einer davon transportiert die Zäune für die Nacht.
Nach dem Passieren der Hauptstrasse wird Cadenazzi mit seinen 500 Schafen durch ein Wohnquartier laufen. Auch wenn diese Route dem Schäfer zuwider ist, gibt es keine andere Möglichkeit. Zu weit fortgeschritten ist mancherorts die Vegetation, oder die Bauern haben die Felder schon geackert. Damit niemand reklamiert, hat Cadenazzi einen Landwirt gebeten, die Quartierstrasse mit der Putzmaschine zu säubern, sobald die Schafe vorbeigezogen sind.
Entfernen sich einige der Tiere zu weit weg von der Herd, schickt Michael Cadenazzi den Hund Zorro los, um die Tiere wieder zurückzuholen.
Bettina Kiener
Fragen ist erwünscht
Diesbezüglich wünscht er sich etwas mehr Wohlwollen aus der Bevölkerung. «Oft fehlt das Verständnis der Leute», sagt der Wanderschäfer. In dieser Saison hatte er darum auch schon Besuch von der Polizei. Jemand habe die Behörden informiert, dass seine Schafe keinen Witterungsschutz hätten, erzählt Cadenazzi.
Den Schafen macht die Kälte im Winter jedoch nichts aus. Die dicke Wolle isoliert und die zusätzliche Fettschicht speichert die Körperwärme. Weiter dienen zum Schutz vor dem Wetter natürliche Strukturen wie Hecken oder Bäume. «Die Leute vermenschlichen die Tiere. Wenn sie selbst kalt haben, heisst das nicht, dass auch die Schafe kalt haben», so Cadenazzi. «Würden sie doch einmal fragen kommen», wünscht er sich.
Polizei wird kontaktiert
Laut dem Onlineportal Nau wurde erst kürzlich im Kanton Zürich eine Schafherde von der Polizei und dem Veterinärdienst kontrolliert. Auf Nachfrage bei der Kantonspolizei Zürich, ob die Polizei häufiger von Privatpersonen kontaktiert würde, weil sie einen angeblichen Tierschutzverstoss bei einem Tierhalter befürchteten, heisst es, dass zwar ein moderater Anstieg zu verzeichnen sei.
Dies entspreche aber der Bevölkerungszunahme und der Ausdehnung der Agglomerationen in ländliche Gebiete und sei daher nicht auf eine erhöhte Tierschutzaffinität einzelner Personen zurückzuführen. Von anderen kantonalen Polizeistellen tönt es ähnlich.
Steht am liebsten herum
Zurück beim Wanderschäfer auf dem Feld. Der Windschutz für den Hirt und seine Gäste ist abgebaut und Cadenazzi packt eine Plane auf den Transportsattel des Esels: Es geht weiter. Eigentlich laufe er gar nicht gerne, sagt der Schäfer und lacht. Viele lieber stehe er den ganzen Tag am gleichen Ort. Denn das bedeute, dass die Schafe am Fressen und ruhig seien.
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