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Ohne Bergbauern geht es nicht

Der Bergtourismus ist in einer Krise, Kulturlandschaften drohen zu verschwinden. Gefragt sind neue Angebote und eine enge Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft und Tourismus. Dabei gilt es, Chancen und Gefahren gegeneinander abzuwägen.

Martin Leutenegger, lid |

 

Der Bergtourismus ist in einer Krise, Kulturlandschaften drohen zu verschwinden. Gefragt sind neue Angebote und eine enge Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft und Tourismus. Dabei gilt es, Chancen und Gefahren gegeneinander abzuwägen.

Der Winter steht vor der Türe. Für viele

Landwirte ist es ruhiger geworden. Das Vieh ist im Tal, die Ernte eingefahren.

Viele Bäuerinnen und Bauern sind gezwungen, einem Nebenerwerb nachzugehen.

Einen solchen finden sie oft im Bereich des Tourismus: Der Landwirt als

Skilift-Angestellter oder Pistenfahrer, die Bäuerin als Snowboard-Lehrerin oder

im Service. Landwirtschaft und Tourismus sind gerade in Berggebieten

aufeinander angewiesen.

Gefährdete Existenzgrundlage

Seit

einigen Jahren hat der Bergtourismus in der Schweiz allerdings einen schweren

Stand: Trotz einer kürzlichen leichten Erholung sind die Übernachtungszahlen in

den letzten zehn Jahren um 43 Prozent gesunken. Während die Anzahl Logiernächte

in Städten sogar zunahm, sank sie in den Bergregionen massiv.

Der Tourismus

aber stellt für die Berggebiete einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor dar; die

anhaltende Krise führt laut dem Schweizer Tourismus-Verband (STV) dazu,

"dass eine wichtige wirtschaftliche Basis der Berggebiete wegbricht und

damit auch die Existenzgrundlage der Bevölkerung gefährdet ist."

Neue Ideen sind gefragt

Allgemein

hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass neue Ideen gefragt sind, um den

Trend umzukehren. Das können vergünstigte Skiabonnemente für Kinder sein oder

grössere Investitionen in die Infrastruktur, zum Beispiel der Ausbau der

Schneekanonen - in Savognin GR war im November 1978 weltweit die erste

Kunstschneeanlage im alpinen Raum in Betrieb genommen worden. Was die einen

jedoch als wirtschaftlichen Erfolg feiern, ist für andere ein schändlicher Eingriff

in die Natur.

Es braucht die Bergbauern

Argumentiert

wird oft, dass die Touristen in den Bergen nicht in erster Linie Ferien machen,

um sich zu amüsieren, sondern um sich in der intakten Natur zu erholen. Was für

die Wintersaison von Bedeutung ist, gilt erst recht für die übrigen

Jahreszeiten: Während beispielsweise im Glarnerland im Winter die Züge voll

sind mit Menschen, die in Braunwald oder Elm dem Wintersport frönen,

frequentieren in den schneefreien Jahreszeiten zwischen Schwanden GL und Linthal

täglich grössere Gruppen von "Wandervögeln" die Bahnhöfe, die ihre

Freizeit in der unberührten Natur verbringen wollen.

Wer aber

sorgt dafür, dass "Gottes freie Natur" so schön und öffentlich

zugänglich bleibt? Die Antwort ist schnell gegeben: Es sind die Bergbäuerinnen

und Bergbauern, die durch harte Arbeit dafür sorgen, dass das wertvolle

Kulturland erhalten bleibt. Würde auf diese Leistungen verzichtet, käme es zu

einer Vergandung ganzer Regionen. "Wenn die Berglandwirtschaft verschwände",

so Christophe Clivaz, Tourismusexperte und Professor am Institut für Geografie

und Nachhaltigkeit der Universität Lausanne, "würden auch die

Kulturlandschaften verschwinden; der Wald breitete sich aus, die Landschaft

würde verarmen und der Tourismus somit stark an Attraktivität verlieren."

Natur pur versus Adrenalin und Spass

Was aber,

wenn die Gästezahlen weiterhin rückläufig sind? Gelegentlich wird propagiert,

neue Attraktionen zu schaffen, die auf die Bedürfnisse jüngerer Generationen

Rücksicht nehmen, beispielsweise auf die Mountain-Biker.

Vorprogrammiert sind

bei solchen Investitionen allerdings die Einwände der Gegner. Wanderer

befürchten, selbst in abgelegenen Gebieten von einem Veloraser über den Haufen

gefahren zu werden. Um ein friedliches Zusammenleben der verschiedenen

Nutzergruppen in den Bergen zu unterstützen, wurde im Bündnerland das Projekt

"Fairtrail Graubünden" initiiert.

Keine Beziehung zur Natur

"Im

Kampf um Gästezahlen steigt das Angebot in vielen Tourismusdestinationen

explosiv", so die Alpenschutzorganisation "Mountain Wilderness

Schweiz: "Um neue Kundensegmente in die Berge zu locken, wird die

Infrastruktur auf immer materialintensivere Weise ausgebaut."

Oft gehe es

darum, dem umworbenen Gast möglichst schnell "Adrenalin, Spass und

Aufregung" zu bieten. Das Problem dabei sei jedoch, "dass auf diese

Weise keine Beziehung zur umgebenden Natur aufgebaut wird - für Seilrutschen,

Hüpfburgen und Rodelbahnen ist die Landschaft austauschbar."

 

Blick in die Zukunft

Seit 2008 unterstützen Bund und Kantone im Rahmen der Neuen Regionalpolitik (NRP) das Berggebiet und den weiteren ländlichen Raum in ihrer regionalwirtschaftlichen Entwicklung. In diesem Zusammenhang wurde Ende 2018 "Visit Glarnerland" gegründet, wo sich die Tourismusorganisationen Braunwald, Elm, Glarus und Glarus Nord zusammengeschlossen haben, um die Vermarkung der Dachmarke Glarnerland gemeinsam zu fördern.

Ein besonderes Augenmerk möchte Marco Baltensweiler, Leiter der Abteilung Landwirtschaft des Kantons Glarus, auf solche Entwicklungen legen, die heute "Megatrends" genannt werden. Dazu gehören die zunehmende Zahl von Menschen in fortgeschrittenem Alter, die Zeit und Geld haben, um ihre Freizeit in einer ihnen angepassten Umgebung zu verbringen ("Silver Society"), aber auch die wachsende Tendenz, im Einklang mit der Natur leben zu wollen ("Neo-Ökologie") sowie die "Slow Culture", nach dem Motto: "Entschleunigung liegt im Trend - als bewusstes Gegengewicht zum digitalen Alltag."

 


Zusammenarbeit und Vernetzung

Viele Institutionen, die sich mit dem Thema befassen, sehen die Lösung deshalb darin, einen Bergtourismus anzustreben, der einerseits die Schönheiten der Natur bewahrt und anderseits die regionalen, kulturellen und landschaftlichen Eigenheiten betont. Wichtig ist dabei eine enge Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft und Tourismus, wobei, so Franziska Grossenbacher von der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz (SL), auch historische Gegebenheiten berücksichtigt werden sollten.

Ziel sei es, den Charakter einer Kulturlandschaft zu erhalten, auch wenn sich die Landwirtschaft ändere. Sie erwähnt alte Trockenmauern, Kastanienselven oder die Suonen, historischen Bewässerungskanäle des Wallis, wie eine davon auch auf der neuen Hunderternote abgebildet ist. Es gehe nicht darum, die Schweiz als grosses Freilichtmuseum zu präsentieren, doch die Spuren früherer Epochen sollten gewissermassen als Archiv der Geschichte erhalten bleiben

Verschiedene Akteure müssen eng zusammenarbeiten

Einig sind sich alle Beteiligten, dass sich der Bergtourismus neu positionieren müsse, um weiterhin seine Rolle als Wirtschaftsmotor der Berggebiete erfüllen zu können, und, so STV-Direktorin Barbara Gisi und Thomas Egger von der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für Berggebiete (SAB) im Vorwort zu ihren "12 Thesen zur Zukunft des Tourismus in den Berggebieten": "Die Trendwende kann nur gelingen, wenn die verschiedenen Akteure eng zusammenarbeiten."

Im verstärkten internationalen Wettbewerb sei es ausserdem wichtig, so SAB-Direktor Thomas Egger, sich zu grösseren Destinationen zusammenzuschliessen: "Der Gast aus Japan entscheidet sich nicht für eine Reise ins Hotel Rössli in XY, sondern für eine Reise in die Schweiz. Tirol hat es vorgemacht, Kantone wie Graubünden und Wallis ziehen nach.

Zum Beispiel Glarus und Graubünden

"Für Graubünden", sagt Luzi Bürkli von "Graubünden Ferien", "sind die vielfältigen Kulturlandschaften für den Bergtourismus existenziell und ein Bündner Tourismus ist ohne die Berglandwirtschaft kaum vorstellbar." Neben den vielfältigen Übernachtungsmöglichkeiten auf Bauernhöfen oder in Jurten auf Alpweiden erwähnt Bürkli die zahlreichen gastronomischen Angebote, zu denen auch Swisstavolata gehört, die traditionelle Landfrauenküche bei Bäuerinnen und Winzerinnen zuhause.

Erlebnisse wie etwa Lama- und Geisstreckings oder Genusswanderungen ergänzen das vielfältige Angebot. Allen Interessierten, so Bürkli, stehe mit der Geschäftsstelle Agrotourismus Graubünden eine zentrale und unabhängige Anlaufstelle zur Verfügung.

Im Kanton Glarus ist die Zusammenarbeit zwischen der Landwirtschaft und den Touristik-Anbietern vor vier Jahren angelaufen, so Fritz Waldvogel, Präsident des Glarner Bauernverbands. Zu erwähnen wären an dieser Stelle ein "Käseparcours", wo Wanderer und Velofahrer auf verschiedenen Alpen einen Stempel in ihren "Käsepass" machen lassen können. Die jährlichen Alpabfahrten des Viehs werden mit Musik und Festwirtschaft begangen und als nächstes sollen die Höflädeli in den Blickpunkt gerückt werden, so dass sich Touristinnen und Touristen vor der Rückreise mit Souvenirs und Glarner Spezialitäten eindecken können.


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