Bald ist Weihnachten. «Oeschberg – der Lebensort» feierte bereits vergangenen Mittwoch. Für das ehemalige Dienstbotenheim in Koppigen BE war es die erste Weihnachtsfeier unter neuem Namen. Neu war auch die Idee der individuellen Präsente. Heimleiterin Pia Zwahlen erzählt vom wichtigsten Tag im Jahr.
«Schweizer Bauer»: Was bedeutet Weihnachten für den Lebensort Oeschberg?
Pia Zwahlen: Weihnachten ist für unseren Betrieb der wichtigste Anlass im Jahr. Viele unserer Bewohner haben kein Zuhause mehr oder nie eines gekannt. Daher ist es uns wichtig, eine heimelige, familiäre Atmosphäre zu schaffen, die das Gefühl eines Daheims vermittelt.
Wann beginnen Sie mit den Vorbereitungen?
Damit die Feier besonders schön wird, starten wir früh mit deren Planung. Der nächstjährige Termin ist bereits festgelegt. So kann die Pfarrerin und Organistin frühzeitig organisiert werden. Nach unserem Grossanlass, dem Brunch im September, beginnt die Organisation der Weihnachtsfeier. Am Kaderrapport im Herbst werden erste Details und die Verantwortlichkeiten besprochen.
Was bedeutet die Feierlichkeit für die Heimleitung und das Team?
Es gibt viel zu tun. Jeder Bereich hat seine Aufgabe. Die Hauswirtschaft ist für die weihnachtliche Dekoration zuständig. Dazu gehört das Schmücken der Weihnachtsbäume und der Hausgänge sowie die Dekoration des Esstisches am Weihnachtsabend. Die Küche ist während der Feier mit der Zubereitung des Weihnachtsmenus beschäftigt. Das Betreuungsteam übernimmt die Versorgung der Bewohner. Auch in der Administration gibt es einiges zu tun. Wir schreiben Weihnachtsbriefe und erstellen seit heuer eine Art Bewohner-Urkunde, um deren Treue und Unterstützung im Betrieb zu ehren. Am Weihnachtsabend sind explizit alle Mitarbeiter anwesend. Das Ziel ist ein ruhiges Fest ohne Hektik. Sie sollen sich Zeit nehmen können für die Bewohner.
Wie läuft eine Weihnachtsfeier am Lebensort Oeschberg ab?
Bereits nachmittags um fünf Uhr treffen sich die Bewohner und Mitarbeiter des Heims im feierlich geschmückten Esszimmer des Hauptgebäudes. Dort hält Pfarrerin Melanie Kern eine Andacht, die mit einem Segen schliesst. Dabei steht nicht die Schwermütigkeit, sondern das Erfreuliche im Fokus. Es wird eine lustige Weihnachtsgeschichte erzählt. Dazwischen werden die Lieder «Oh du Fröhliche», «Leise rieselt der Schnee», «Oh Tannenbaum» und «Stille Nacht» angestimmt. Ich lese die Weihnachtsgeschichte von Maria und Josef aus dem Lukas-Evangelium vor. Nach dem kurzen Gottesdienst begeben wir uns in die ÖGA-Scheune, die direkt neben dem Hauptgebäude steht. Im Raum stehen sorgfältig hergerichtete Tische und ein schön geschmückter Tannenbaum mit brennenden Kerzen. Die Plätze werden zugewiesen. An jedem Tisch sitzen zwei bis drei Mitarbeiter. Sie unterstützen beim Servieren des Weihnachtsessen und haben Zeit zum Austausch und gemütlichen Beisammensein.
Für welches Weihnachtsmenu haben sich die Organisatoren entschieden?
In diesem Jahr wurde vorab eine Steinpilzsuppe serviert. Als Hauptgang gab es küchengeräucherte Hamme von unseren Turopolje-Schweinen. Dazu Kartoffelsalat sowie Nüsslersalat mit Ei. Fürs Dessert stand ein Buffet mit verschiedenen Cremen, Schokoladen-Mousse und Meringues mit Schlagrahm bereit. Das Essen wurde von unseren fünf Köchen in der hauseigenen Küche zubereitet. Viele Produkte sind eigene. Traditionellerweise werden zum Kaffee Weihnachtschrömli serviert. Früher haben die Bewohner diese selbst gebacken. Heute ist es ihnen aufgrund des hohen Alters nicht mehr möglich. Doch sitzen sie gerne mit dabei und schauen zu, wie das Küchenpersonal am Tisch in der grossen Stube chrömlet.
Werden Geschenke verteilt?
Bis anhin erhielten die Bewohner jeweils einen Geldbetrag von 50 Franken. Heuer haben wir zusätzlich persönliche Geschenke verteilt. Jeder Mitarbeiter, die Geschäftsleitung inklusive, hat sich um ein Geschenk für einen Bewohner gekümmert. Das konnte beispielsweise ein wohlriechendes Duschgel oder eine Körperlotion sein. Aber auch ein Schwinger-Kalender für jemanden, der dem Schwing-Sport zugewandt ist. Die Bewohner haben sich über die persönlichen Geschenke sehr gefreut. Wir werden auch in den kommenden Jahren an der Idee festhalten. Sowohl der Batzen als auch die Geschenke werden durch Spendengelder finanziert.
Woher stammt der Weihnachtsbaum?
Wir haben zwei Bäume. Der eine ist ein Geschenk eines Vorstandsmitgliedes. Den anderen schneiden wir in unserem Wald. Die Tanne in der Scheune ist in den Farben Rot-Gold geschmückt. Die zweite, ebenfalls Rot-Gold dekoriert, steht im Hauptgebäude und bleibt bis im Januar dort stehen.
Was bedeutet für Sie persönlich Weihnachten?
Einerseits Besinnlichkeit, aber auch Zeit finden für mich selbst und die Familie.
Das Heim
1906 wurde das Dienstbotenheim Oeschberg in Koppigen BE eröffnet. Da von den 39 Heimbewohnern nur noch rund zehn aus dem Beruf der Dienstboten (Knechte und Mägde) stammen, entschied man sich per 1. Januar 2018 für eine Namensänderung. Die gängigen Betriebsstrukturen wurden beibehalten.
Unter der neuen Bezeichnung «Oeschberg - der Lebensort» öffnet sich das Heim auch anderen Menschen mit Bezug zum Landleben. Nicht nur Pensionierte sind willkommen, hier neuen Wohn- und Lebensraum zu finden. Die Betriebsstruktur der Selbstversorgung ermöglicht es den Bewohnern, sich in verschiedenen Betriebszweigen einzubringen und somit sinnstiftenden Tätigkeiten nachzugehen.
Zum Landwirtschaftsbetrieb gehören aktuell zwei Schweine und 180 Weidehühner, bald auch vier Fleischziegen. Nebst der Tierversorgung ist die Beschäftigung in der Küche, im Garten, auf dem Pflanzblätz oder im Wald möglich. Auch das Wischen des Hausplatzes ist eine beliebte Aufgabe. Damit das Heim weiterhin bestehen bleiben kann, zeichnen sich Veränderungen ab. Geplant ist eine Sanierung der Gebäude sowie ein Neubau.