Die bisherigen Naturschutzmassnahmen haben laut einer neuen Studie in Sachen Biodiversität in der Pflanzenwelt weniger bewirkt als erhofft. Vor allem Pflanzen mit spezialisierter Bestäubungsbiologie hätten von den Massnahmen kaum profitiert, teilte das Naturkundemuseum Stuttgart am Freitag mit.
Ein deutsch-schweizerisches Wissenschaftlerteam der Universitäten in Bonn, Zürich und Basel sowie des Naturkundemuseums Stuttgart haben in einer Studie die Veränderungen in der Schweizer Flora seit dem Jahr 2002 analysiert. Die Ergebnisse zeigen, dass die Generalisten unter den Pflanzenarten aufgrund von Naturschutzbemühungen wieder zugenommen haben. Spezialisierte Pflanzen und Insekten profitieren davon aber kaum.
Die in der Fachzeitschrift BMC Ecology and Evolution erschienene Publikation relativiere damit die Ergebnisse vergangener Studien, heisst in der Mitteilung des Naturkundemuseums Stuttgart. Bisher sei die Forschung davon ausgegangen, dass das Artensterben in der Pflanzenwelt seit den 1990er-Jahren gestoppt oder sogar umgekehrt werden konnte.
Neophyten und Generalisten profitieren
Die Ergebnisse der neuen Studie zeigten indes, dass nur Neophyten und Generalisten unter den Pflanzenarten wieder zugenommen haben. Spezialisierte Pflanzen hingegen hätten kaum profitiert. Darunter fallen insbesondere Pflanzen, die auf spezialisierte Bestäuber wie Hummeln oder Schmetterlinge angepasst seien. Die Erkenntnisse liessen sich ebenfalls auf Insekten übertragen, heisst es in der Mitteilung weiter.
«Bei den Untersuchungen der Schweizer Flora konnten wir feststellen, dass es positive Entwicklungen über alle Artgruppen hinweg gibt. Diese Entwicklung ist allerdings viel deutlicher ausgeprägt bei Arten, die vom Wind und nicht von Insekten bestäubt werden», sagt Stefan Abrahamczyk, Botaniker am Naturkundemuseum Stuttgart.
Langzüngige Insekten gefährdet
Innerhalb der insektenbestäubten Pflanzenarten profitieren Arten, die von generalistischen Insekten, wie z.B. Fliegen oder Bienen mit kurzen Zungen bestäubt werden mehr, als Arten, die auf spezialisierte Bestäuber angewiesen sind. Hierunter fallen Hummeln und langzüngige Wildbienen. «Ebenfalls erholen sich Pflanzenarten stärker, die nicht auf Pollen eines anderen Individuums der eigenen Art angewiesen sind besser, als fremdbestäubte Pflanzen. Spezialisten hingegen profitieren kaum», so Stefan Abrahamczyk weiter.
Diese Erkenntnis lässt sich ebenfalls auf Insekten übertragen, die auf der Suche nach Nektar und Pollen auf spezifische, hoch spezialisierte Nahrungspflanzen angewiesen sind. «Was die Bestäuber betrifft, so hat Europa in den letzten Jahrzehnten einen viel beachteten Zusammenbruch der Insektenpopulationen erlebt. Vor allem Insektenarten mit spezialisiertem Brut- oder Fressverhalten, darunter viele langzüngige Arten, sind drastisch zurückgegangen», heisst es in der Mitteilung.
Künftige Naturschutzmassnahmen sollten deshalb so ausgewählt werden, dass spezialisierte Pflanzen profitierten, schrieb das Naturkundemuseum weiter. Dann könnten sich spezialisierte, heimische Pflanzen und Insekten in Zukunft erholen.