Während sich die Quaggamuscheln in den Schweizer Seen rasend schnell vermehren und die Artenvielfalt bedrohen, indem sie Kanalisationen, Fischernetze, Bootsrümpfe und Strände besiedeln, wolle Alien Limited «diese Plage in eine Chance verwandeln», sagt Unternehmensgründerin Carole Fonty der Nachrichtenagentur Keystone-SDA auf Anfrage.
Muschelkalk statt Felskalk
Ziel sei, die nicht essbare Muschel in ihre Einzelteile zu zerlegen und alle möglichen Absatzmöglichkeiten zu nutzen. Zunächst einmal will sie den Kalk aus den Muscheln gewinnen, um daraus einen CO2-armen Zement herzustellen.
Um dies zu erreichen, arbeitet die Unternehmerin mit dem Labor für Baumaterialien der ETH Lausanne (EPFL) zusammen. Ziel ist, im Herstellungsprozess des LC3-Zements, der die CO2-Emissionen im Vergleich zu herkömmlichem Zement um 40 Prozent senkt, den Felskalk durch Muschelkalk zu ersetzen.
«Die Testergebnisse haben bestätigt, dass die technischen Eigenschaften dieses Zements denen des aus Steinkalk hergestellten LC3-Zements ähneln», sagt Fonty. Als weltweite Vorreiterin auf diesem Gebiet sei sie bereits von mehreren Zementherstellern angesprochen worden, die an ihrer Forschung interessiert seien.
Aussichtsvolle Testergebnisse
Nach der Schale suchte die Genferin nach einer Verwendung für das Fleisch der Muschel. Gemeinsam mit der Hochschule HEIG-VD in Yverdon wurden Studien durchgeführt, deren endgültige Ergebnisse diesen Herbst erwartet werden. Die ersten Resultate sind vielversprechend. Quaggamuscheln mit den darin enthaltenen Mineralien und Nährstoffen könnten auch als «organischer und lokaler Dünger»für die Landwirtschaft dienen könnten, sagt Fonty.
Neben Hochschulen hat ihr Start-up-Unternehmen in den letzten Monaten auch mit öffentlichen Einrichtungen zusammengearbeitet. Für Ende des Jahres ist insbesondere ein Pilotprojekt mit den Lausanner Stadtwerken geplant. Dabei soll getestet werden, ob Alien Limited in der Lage ist, seine Arbeitsverfahren zu industrialisieren.
Mehrere tausend Tonne
Fonty hofft, dass sie im nächsten Jahr «etwa 100 Tonnen» Quaggamuscheln sammeln kann, bevor sie einen Schritt weiter geht. Für 2045 strebt sie «mehrere tausend Tonnen»an, wobei sie betont, dass das Gleichgewicht des Sees respektiert werden muss.
«Die Idee ist nicht, den Grund des Sees auszubaggern, sondern eine Sammlung vorzunehmen, die das Ökosystem nicht ausbeutet», betont sie. Derzeit werden Partnerschaften mit Fischern, öffentlichen Einrichtungen und Unternehmen, die den See nutzen, geschlossen, um die Mollusken zu sammeln.
«Etwas für den See tun»
Das Ziel besteht auch nicht darin, sich auf den Genfersee zu beschränken, da die Technologie, die es ermöglicht, den mineralischen und organischen Teil der Muschel zu trennen, replizierbar ist, merkt Fonty an. Sie verweist auf andere Seen, die derzeit mit der Invasion durch die Quaggamuschel konfrontiert sind, wie etwa der Neuenburger-, der Bieler- oder der Bodensee.
Das Unternehmen Alien Limited mit Sitz in Lausanne wurde im Mai offiziell gegründet. Seine Anfänge gehen jedoch auf den Sommer 2023 zurück, als Fonty nach einer 15-jährigen Karriere im Marketing und Management beschloss, sich umzuorientieren und «etwas für den See zu tun», wie sie sagt.
Die gebürtige Pariserin, die seit 2010 in Genf lebt, trat daraufhin an verschiedene Akteure am Genfersee heran. «In meinen Gesprächen stellte ich sofort fest, dass die Quaggamuschel ein grosses Problem darstellte. Es gab ein Gefühl des aussichtslosen Kampfes. Da ich Herausforderungen liebe, habe ich mich darauf eingelassen.»
Auszeichnungen als Starthilfe
Und das mit Erfolg. Ihr Projekt hat bereits mehrere Preise bei Wettbewerben für Start-ups gewonnen: den Genilem-Preis Ende 2023 in Lausanne und zuletzt einen der Venture-Preise in Zürich. Sie gehört auch zu den Finalisten des Preises «Innovate 4 Nature», dessen Finale im September in Arles (F) stattfindet.
Neben der Betreuung und den über diese Wettbewerbe gesammelten Geldern erhält Alien Limited weitere Unterstützung, insbesondere von Innosuisse und dem Impact Hub in Lausanne.