Die für die am Mittwoch im Fachblatt «Nature Geoscience» veröffentlichte Studie untersuchten Jahrringdaten reichen zurück bis ins Jahr 1600.
Mehr Bewässerung vonnöten
Ein Mass für die Lufttrockenheit ist das Dampfdruckdefizit (Englisch: vapor pressure deficit, kurz VPD). Diese physikalische Grösse beschreibt den Unterschied zwischen dem tatsächlichen und dem maximal möglichen Wassergehalt der Luft. «Also sozusagen den «Wasserdurst» der Luft», so die Studienautoren. Wasserdurstige Luft, also hohes VPD, zieht vermehrt Wasser aus dem Boden und aus Pflanzen, reduziert das Wachstum und kann sogar zum Absterben von Bäumen führen. Die ausgetrocknete Vegetation und die trockenen Böden erhöhen die Waldbrandgefahr.
Angesichts der Dürreereignisse in vielen Regionen Europas in den letzten Jahren sei dies bedenklich, sagte Kerstin Treydte, Erstautorin der Studie und Forscherin am Eidgenössischen Forschungsinstitut für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) in einer Mitteilung des Forschungsinstituts. Die Folge: Pflanzen wachsen schlechter, manche sterben ab. Von grosser Bedeutung sei dies ausserdem für die Landwirtschaft. «Je höher das VPD ist, desto grösser ist der Wasserbedarf der Nutzpflanzen. Mehr Bewässerung wird nötig und die Erträge sinken», so Treydte.
Bei Wäldern seien Holzversorgung und Kohlenstoffbindung gefährdet, was zu Unsicherheiten hinsichtlich der Klimaregulierung und der zukünftigen Kohlenstoffspeicherung dieser Ökosysteme führe, so Treydte weiter.
Jahrringe als Zeitzeugen
In den bis zu über 400 Jahre alten Jahrringen spiegelt sich das VPD in den so genannten Sauerstoffisotopen wider. Isotope sind unterschiedlich schwere Varianten von Atomen. Aus der Zusammensetzung der Sauerstoffisotope in den Jahrringen können die Forschenden ablesen, wie hoch das VPD in einem Jahr war.
«Unsere Erkenntnisse werden dabei helfen, Simulationen künftiger Klimaszenarien zu präzisieren und die potenzielle Bedrohung durch hohes VPD für Ökosysteme, Wirtschaft und Gesellschaft abzuschätzen», so Treydte.
Die trockenere Luft hat Konsequenzen für Wälder und die Landwirtschaft.
Fendt
Mitteleuropa besonders betroffen
Die Analyse zeigte, dass die Luft in Europa im 21. Jahrhundert im Vergleich zur vorindustriellen Zeit aussergewöhnlich hoch ist. Schon zuvor war bekannt, dass das VPD in einem sich erwärmenden Klima ansteigt. Über die räumliche Ausprägung und langfristige Schwankungen bis in vorindustrielle Zeit ohne menschlichen Einfluss wusste man laut WSL-Mitteilung bisher jedoch wenig.
Am stärksten zeigte sich dies laut der Studie in den zentraleuropäischen Tiefländern, in den Alpen und in den Pyrenäen. Die höchsten Werte wurden demnach in den Dürrejahren 2003, 2015 und 2018 erreicht. Anhand von zusätzlichen Modellsimulationen konnten die Autorinnen und Autoren ausserdem zeigen, dass die heutigen VPD-Werte ohne Treibhausgas-Emissionen nicht hätten erreicht werden können.
Kommentare (1)