Weidenblätter können Stickstoffemissionen senken.
Monika Gerlach
Ein uraltes Naturheilmittel könnte künftig helfen, den ökologischen Fussabdruck der Landwirtschaft zu verringern: Weidenlaub. Im Rahmen eines Kooperationsprojekts haben Wissenschaftler des Forschungsinstituts für Nutztierbiologie (FBN) und anderer beteiligten Universitäten gemeinsam nachgewiesen, dass bestimmte Inhaltsstoffe der Weidenblätter die umwelt- und klimaschädlichen Stickstoffemissionen aus dem Urin von Rindern signifikant senken können – um bis zu 81 Prozent.
Stickstoffemissionen – eine grosse Herausforderung der Landwirtschaft
Ammoniak (NH₃) und Lachgas (N₂O) gehören zu den zentralen gasförmigen Stickstoffverbindungen, die weltweit von der Landwirtschaft in grossen Mengen freigesetzt werden. Rund 80 Prozent der globalen Ammoniak- und 81 Prozent der Lachgasemissionen gehen auf diesen Sektor zurück. Besonders problematisch: Während Ammoniak Böden versauert und Ökosysteme überdüngt, wirkt Lachgas etwa 300-mal stärker auf das Klima als CO₂ und bleibt rund 150 Jahre in der Atmosphäre.
Ein erheblicher Teil dieser Emissionen entsteht direkt auf der Weide - durch den Urin von Wiederkäuern wie Rindern, Schafen und Ziegen. Die emissionsreichen Ausscheidungen auf der Weide galten bisher als schwer kontrollierbar, da klassische technische oder chemische Massnahmen wie Hemmstoffe hier kaum anwendbar sind. «Wenn wir die Weidehaltung als tiergerechte und nachhaltige Form der Nutztierhaltung erhalten wollen, müssen wir auch ihre Umweltwirkungen in den Griff bekommen», sagt Björn Kuhla, Leiter des Fokusthemas ‚Nutztierhaltung in Kreisläufen gestalten‘ am FBN.
Die überraschende Wirkung des Weidenlaubs
Angespornt durch frühere Erkenntnisse zur Wirkung pflanzlicher Inhaltsstoffe auf den Stoffwechsel, untersuchte Kuhla gemeinsam mit Kolleginnen der Universitäten Rostock (D), München (D) und Wien (Ö), ob das in Weidenlaub enthaltene Salicin Einfluss auf die Stickstoffumsetzung im Tierkörper haben könnte.
Tatsächlich zeigte sich im Experiment: Wird Rindern salicylathaltiges Weidenlaub verfüttert, verringert sich die Bildung von Ammoniak und Lachgas aus dem Harn dramatisch. Auf einem Standardboden konnten über 48 Stunden im Vergleich zur Kontrollgruppe 14 Prozent weniger Ammoniak und sogar 81 Prozent weniger Lachgas gemessen werden. Die Effekte gehen nicht allein auf die Salicylsäure zurück, sondern vermutlich auch auf weitere bioaktive Verbindungen im Weidenlaub.
Traditionelle Heilpflanze mit Potenzial für die Tierernährung
Weiden (Gattung Salix) sind schnell wachsende Gehölze, die traditionell als Heil- und Futterpflanzen genutzt werden - zum Beispiel in Neuseeland oder Nordamerika. In Deutschland werden sie bisher vor allem als Energiepflanzen oder in Agroforstsystemen eingesetzt. Dass ihr Laub so wirksam gegen Stickstoffverluste sein könnte, eröffnet neue Perspektiven für eine nachhaltige Tierernährung.
«Weidenlaub ist ein lokal verfügbarer, nachwachsender Rohstoff, der sich als natürlicher Futterzusatz besonders für die Weidehaltung eignet – dort, wo andere Lösungen versagen», so Kuhla.
Feldversuche und weitere Baumarten
Ob sich die positiven Effekte auch unter realen Haltungsbedingungen bestätigen, muss in weiteren Studien geklärt werden. Entscheidend sind dabei Faktoren wie Futteraufnahme, Bodentyp, Klima und mikrobielle Aktivität. Auch mögliche Auswirkungen auf die Nitratbildung im Boden werden derzeit untersucht. Parallel erforschen die FBN-Wissenschaftler weitere Laubarten wie Pappel, die ähnliche Eigenschaften wie Weiden aufweisen und ebenfalls groSSe Mengen an Salicylaten enthalten.
Agroforstsysteme als Chance für Tier und Umwelt
Langfristig sehen die Forschenden grosse Chancen in sogenannten silvopastoralen Systemen – also kombinierten Weide- und Gehölzflächen. Hier könnten Gehölze wie Weiden direkt auf der Weide als Futterquelle dienen, das Mikroklima verbessern und dabei helfen, die Emissionen natürlich zu reduzieren. Auch der Einsatz von Weidenlaub-Extrakten als Zusatz in Stallmist oder Gülle wird derzeit erprobt – hier ist jedoch noch viel weitere Forschung notwendig.