«Die grössten Hebel, den Ausstoss von Klimagasen in der Landwirtschaft zu senken, sind der Energieverbrauch, die Nutztierfütterung und die Hofdüngerlagerung», stellt Michael Studer fest. Studer ist Dozent für erneuerbare Rohstoffe und Energieträger an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (Hafl) in Zollikofen.
Der Schwerpunkt seiner Forschung ist, Technologien zu entwickeln, um nicht essbare Biomasse wie Abfallholz, Hofdünger oder Maisstroh in hochwertige Chemikalien und Energieträger umzuwandeln. Den Podcast von Michael Studer mit dem Titel «Wenn die Landwirtschaft schon Biomasse besitzt, dann soll sie damit auch Geld verdienen können» finden sie unten.
Biomasse als Energiequelle
Ein grosser Teil der Emissionen kommt in Form von Methan und Lachgas aus der Hofdüngerlagerung und der Verdauung von Kühen. Michael Studer rechnet, dass allein durch die bessere Lagerung von Hofdünger der Treibhausgasausstoss der Landwirtschaft um eine Million Tonnen CO 2 -Äquivalente reduziert werden könnte. «In Biogasanlagen werden Hofdünger in einem geschlossenen Raum gelagert und Verluste vermieden», erklärt er. In der Schweiz werden jedoch erst 5 Prozent der Hofdünger in Biogasanlagen vergärt.
Der Hafl-Forscher sieht drei Möglichkeiten, wie Landwirte und Landwirtinnen Biomasse besser nutzen können. Erstens als Energiequelle, zweitens als erneuerbare Kohlenstoffquelle und drittens könnte Biomasse verbrannt und das CO 2 aufgefangen und gespeichert werden.
Michael Hans-Peter Studer ist «relativ zuversichtlich», dass die Landwirtschaft bis 2050 klimaneutral wird.
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Biogasanlagen für die Stromproduktion können laut Michael Studer Sinn machen, wenn sie dann Strom produzieren, wenn dieser gefragt ist. «Für die Treibhausgasreduktion würde es jedoch mehr bringen, das Biogas zu verbrennen», hält der Forscher fest. Dabei würde im besten Fall gleich viel CO 2 in die Luft abgegeben, wie durch die Pflanzen gebunden worden ist. Der Bau von Biogasanlagen wird jedoch vom Staat nur gefördert, wenn aus dem Gas Strom produziert wird.
Biomasse als erneuerbare Kohlenstoffquelle
Kohlenstoff ist für die chemische Industrie unabdingbar, denn er kommt in allen organischen Verbindungen vor. Eine Entkarbonisierungsstrategie wie beim Verkehr ist für diese Industrie deshalb nicht möglich. «Sie muss sich auf eine Defossilisierung fokussieren», so Michael Studer – also den Kohlenstoff aus erneuerbaren Quellen beziehen. Dazu gibt es zwei Möglichkeiten: Kohlenstoff aus Biomasse gewinnen oder CO 2 aus der Luft akkumulieren. Da Biogas eine Mischung von Methan und CO 2 ist, müsste es gereinigt werden, damit die Industrie es wie Erdgas verwenden kann, das überwiegend aus Methan besteht. Die Forschungsgruppe um Michael Studer arbeitet an neuen technischen Lösungen dafür. «Methan zu produzieren ist lukrativer als Strom», begründet er.
Methan kann ein Teil der Lösung für die Landwirtschaft sein, da es in Biogasanlagen erzeugt werden kann.
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Für die Reinigung gibt es zwei Ansätze: Entweder werden grosse Biogasanlagen mit Reinigungen gebaut, die von vielen Bauernhöfen gespiesen werden. Dafür muss der Hofdünger transportiert werden. Oder viele kleine dezentrale Anlagen produzieren mit dem vor Ort verfügbaren Hofdünger das Biogas und dieses wird zu einer zentralen Reinigungsanlage transportiert. Die Forschung und Entwicklung gehen derzeit in beide Richtungen. Michael Studer fokussiert auf die Strategie mit dezentralen Biogasanlagen.
Politische Rahmenbedingungen anpassen
Wird Biomasse sequestriert, also verbrannt, das CO 2 aufgefangen und in einem Bohrloch versenkt, könnte die Landwirtschaft Negativemissionen produzieren, die sie verkaufen könnte. Dafür braucht es jedoch neue technische Lösungen. Schon bekannt ist die Technik aus Holz Kohle herzustellen und darin CO 2 zu binden. Holzkohle und Pflanzenkohle könnten der Wald- und Landwirtschaft als CO 2 -Senken angerechnet werden. «Wenn die Landwirtschaft schon grosse Biomassebesitzerin ist, dann könnte sie damit auch Geld verdienen», findet der Hafl-Forscher.
Damit Landwirte mit Biomasse Geld verdienen können, braucht es nicht nur neue technische Lösungen, sondern auch andere politische Rahmenbedingungen, sagt Michael Studer.
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Notwendig sind dafür nicht nur neue technische Lösungen, sondern auch andere politischen Rahmenbedingungen. Der Staat müsste den Bau von Biogasanlagen auch dann mitfinanzieren, wenn das Biogas zu biogenem Methan aufbereitet wird. Für den Strom aus Biogas gibt es ausserdem einen gestützten Preis, nicht aber für CO 2 oder Methan aus Biogas. Ausserdem sei es auf dem privaten Markt sehr teuer, zu einem Zertifikat für negative CO 2 -Emissionen zu kommen, so Michael Studer. Um die Kosten für alle Akteure zu senken, plädiert er deshalb für einen staatlich bereitgestellten Marktplatz.
Landwirtschaft kann klimaneutral werden
«Wir haben uns im Rahmen des Pariser Klimaabkommens verpflichtet, die Treibhausgasemissionen bis 2050 auf null zu bringen – es stellt sich deshalb nicht die Frage, ob, sondern wie wir die Emissionen reduzieren können», betont Michael Studer. Für die Landwirtschaft sei er relativ zuversichtlich, dass sie klimaneutral werde. «Aber es bleibt noch viel zu tun», so der Forscher. Er geht davon aus, dass die Schweiz 2050 noch etwa 10 Millionen Tonnen CO 2 -Äquivalente ausstossen wird. Die Landwirtschaft werde dazu etwa 5 Millionen beitragen.
Relativ nimmt der Anteil der Landwirtschaft also zu, absolut trägt die Landwirtschaft dazu bei, die CO 2 -Emissionen zu reduzieren. Die 5 Millionen Tonnen CO 2 -Äquivalente entsprechend dem Ziel, ihre Emissionen im Vergleich zu 1990 um 40 Prozent zu reduzieren. Damals verursachte die Landwirtschaft 8 Millionen Tonnen CO 2 -Äquivalente, 2020 noch rund 7,2 Millionen Tonnen. Müsste die Landwirtschaft Netto-Null erreichen, müssten Treibhausgase sequestriert werden, so Michael Studer.
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