Gleich nach dem Regenwald gelten die Alpen als der Raum mit der grössten Biodiversität. Anders als im Regenwald, wo seit Jahrmillionen alles auf natürliche Weise herangewachsen ist, muss der Mensch in den Alpen dafür sorgen, dass es so bleibt.
Denn ohne seine Interventionen verbreiteten sich Pflanzen, die diese biodiverse Flora verdrängen. Lösungen sind einerseits vorhanden, anderseits wird immer noch danach geforscht. Generell brauche es eine Abstimmung verschiedener Massnahmen, um dem Unkraut in den Alpen Herr zu werden, lässt sich einem Artikel der «Aargauer Zeitung» entnehmen.
Alpenblacke als Problempflanze
Die Rumex alpinus, wie die Alpenblacke oder der Alpen-Ampfer in der Fachsprache genannt wird, gilt in den Alpen als Problempflanze. Sie kommt typischerweise auf Viehlagerplätzen und in der Nähe von Alphütten oder Viehställen vor. «Die Alpenblacke ist eine grosse Last für die Bauern und Bäuerinnen», sagt Caren Pauler, Agrarbiologin bei Agroscope. Mit verschiedenen Massnahmen kann sie aber reguliert werden.
Dafür sind die Älplerinnen und Älpler aber gefordert, besonders auch in jener Zeit, in der die Tiere die Alpen wieder verlassen. Den Alpen-Ampfer jetzt einfach seinem Schicksal zu überlassen ist keine Option. Pflanzenschutzmittel auszubringen ist eine weitere Option. Doch dies ist auf den Alpweiden streng reguliert und genügt allein nicht.
Problem Grün-Erle
Und wenn sich die Pflege als zu unrentabel und zu aufwändig erweist, gehen Alpflächen verloren, auch fürs Wandern. In den Bergen sei so in den letzten 30 Jahren eine Alpfläche in der Grösse des Kantons Schaffhausen verloren gegangen, wie die «Aargauer Zeitung» ausführt. Das entspricht einer Fläche von rund 300 Quadratkilometern.
Auf diesen Flächen breite sich dann auch die Grün-Erle aus, eine weitere Problempflanze. Diese strauchförmige Pflanzenart, die sonst nur in Bachtälern und Lawinenhängen anzutreffen ist, verbreitet sich dann auch auf den Alpweiden. Die Grün-Erle fixiert dabei den Stickstoff aus der Luft und gibt ihn an den Boden ab. Dies überdüngt denn Boden, auch wenn kein Vieh mehr drauf weidet. Dies wiederum lässt die Artenvielfalt stark sinken, beziehungsweise gibt der Alpenblacke Aufwind,
entstanden.
Agridea
«Die Älpler leisten enorm viel»
Die Alpweiden gehören zu den artenreichsten Gegenden Mitteleuropas. «Weltweit betrachtet kommen sie diesbezüglich gleich nach den Regenwäldern», weiss der Agroscope-Experte Pauler. Diese Artenvielfalt kommt in den Alpen jedoch erstaunlicherweise nicht von der Natur, sondern von den Menschen, also den Älplerinnen und Älpler, welche die Bergregionen pflegen. «Die Älpler leisten enorm viel. Den ganzen Sommer sind sie im Einsatz, um die Alpweiden so zu erhalten, wie wir sie kennen», sagt Pauler der «Aargauer Zeitung».
Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Alp weder unter- noch übernutzt wird und dass die Pflege dieser «Wanderwegwelten» weiterhin gesichert ist. Seit 2013 gibt es für das Erhalten artenreicher Weiden Direktzahlungen. Bedingung ist, dass ein gewisser Prozentsatz an Problempflanzen nicht überschritten werden darf.
Aber auch die Kühe selbst tragen viel dazu bei, dass die Alpenblacke eingedämmt wird. Dies besonders im Frühling, wenn der Alpen-Ampfer noch jung und zart ist. In diesem Stadium kann er als Delikatesse sogar den Speiseplan von uns Menschen ergänzen. Der Ampfer schmecke so jung und zart noch besser als Spinat. Auch würde er gegen Insektenstiche helfen, heisst es im Artikel. Doch sobald sich in der Pflanze einmal Oxalsäure angereichert hat, schwindet auch ihre Attraktivität als Fresspflanze, sowohl für Mensch wie auch für Tier.
Empfehlungen zur Regulierung der Alpenblacke gibt folgendes Video.
Drei Faktoren fördern Wildwuchs
Die Agronomin Julie Klötzli hat zusammen mit anderen Forschenden Massnahmen zusammengetragen, die die Regulierung der Problempflanzen im Alpengebiet unterstützen. Wenn beispielsweise die Grasnarbe der Blacke nicht geschlossen wird, wachsen nach deren Beseitigung nur noch mehr dieser Pflanzen heran.
Die Pflanze wächst dort, wo sich in den Alpwiesen eine Lücke auftut. Und dies sind auch jene Lücken, welche die Weidetiere schaffen. Die immer intensivere Bewirtschaftung der Alpen würde diese Lücken erweitern. Denn überall, wo grosse und schwere Tiere lange stehen, liegen und Mist hinterlassen, gedeiht der Alpen-Ampfer, weil er sich die eben dadurch entstehenden Lücken für sich erobert.
In einer Studie mit Wiesen-Blacken konnten Agrarforschende zeigen, dass vor allem drei Faktoren den Wildwuchs des Alpen-Ampfers fördern: zu viel Düngung, verdichteter Boden und offene Grasnarben. Die Fallstudie zeigee, dass das Risiko fürs Auftreten von Blacken nur halb so gross ist, wenn sich die offene Fläche um 10 Prozent reduziert.
Junge Forschende mit kreativen Lösungen
Aber auch weitere Studien tragen dazu bei herauszufinden, wie den Problempflanzen in den Bergen begegnet werden kann. Diese Studien von Julie Klötzli und ihren Kolleginnen und Kollegen tragen so komplexe Namen, wie «Kompetitive Wechselwirkungen beeinflussen das Larvenüberleben von zwei wurzelbohrenden Unkrautbekämpfungskandidaten von Rumex spp»
Julie Klötzli hat für die Arbeitsgemeinschaft zur Förderung des Futterbaus (AGFF) Versuche mit dem Roten Ampfer-Glasflügler gemacht. Sie klebten dazu Larven dieses Schmetterlings an Zahnstocher und steckten diese in die Blacken. Die Larven fressen dann die Wurzeln und schwächen die Pflanze. Dies würde sie um 80 Prozent schrumpfen lassen.
Julie Klötzli entdeckte, wie die Larven eines Schmetterlings die Wurzeln der Blacken fressen und diese damit schwächen.
zvg
Langfristige Strategien bewähren sich
Franz Josef Steiner arbeitet beim Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL . Sein Bruder bewirtschaftet am Sihlsee zwei Alpen des Klosters Einsiedeln. Auf zwei Hektaren ihrer Alpweiden hätten sie einen starken Bewuchst mit den Alpblacken gehabt. Es hätte dann zehn Jahre gedauert, bis sie den Wildwuchs eingrenzen konnten. Sie haben dabei verschiedene, langfristige Massnahmen ergriffen: früh im Jahr mit einjährigen Rindern abgeweidet, regelmässig geschnitten und entsorgt und die Alp so eingezäunt, dass das Vieh keinen Zugang mehr zu den alten Liegeplätzen hatte.
Die Brüder hätten ausserdem die alten Viehwege repariert, damit die Tiere schneller in den Stall gehen und also unterwegs keinen Mist hinterlassen. «Mit den Blacken ist es gut jetzt», sagt Steiner, «schlimmer sind das Alpenkreuzkraut und Disteln, denn diese haben fliegende Samen, und wenn der Nachbar nicht schaut, habe auch ich ein Problem», erklärt Steiner der «Aargauer Zeitung».
Den Stein auf den Berg zu rollen bedarf also vieler Hände. Ob den Wanderern wohl genügend bewusst ist, welche Arbeit dahintersteckt, damit sie auch weiterhin in den Genuss einer schönen und biodiversen Bergwelt kommen?
Patura Alpina, eine Webseite speziell zu Problempflanzen auf Alpweiden, bietet weitere Informationen zum Thema Alpenblacke.