In der Schweiz gilt die IP-Suisse als Vorreiterin dieses «dritten» Wegs. Das Label steht für eine umweltschonende und tiergerechte Landwirtschaft, ohne Bio zu sein. In Europa gewinnt dieser Mittelweg zwischen konventionellem und biologischem Anbau zunehmend an Bedeutung. Für Robert Finger, Professor für Agrarökonomie und Agrarpolitik an der ETH Zürich, ist dieser «dritte Weg» durch einen Verzicht auf synthetische Pestizide gekennzeichnet.
Mitte März veröffentlichte Robert Finger eine Studie mit dem Namen «Das Aufkommen von pestizidfreien Anbausystemen in Europa» , in der die verschiedenen europäischen «Dritte-Weg»-Programme und Initiativen untersucht wurden. Die Studie zeigt, dass Landwirte verschiedene Ansätze kombinieren, um Pflanzenschutzmittel zu ersetzen. Die Produkte als «pestizidfrei» zu vermarkten, kann Vorteile verschaffen. Ohne finanzielle Anreize würde sich dieser Wandel hin zu einer pestizidfreien Anbauweise jedoch nicht vollziehen, so ein Fazit der Studie.
IP-Suisse fördert eine umweltschonende und tiergerechte Landwirtschaft ohne Bio zu sein.
Daniel Salzmann
Grössere Flexibilität
Europäische Landwirte setzen vermehrt auf den «dritten Weg». Um für die Umwelt, die Biodiversität und die menschliche Gesundheit etwas zu tun, sei dieser Weg einfacher umzusetzen als komplett auf Bio umzustellen, heisst es in einem Blog von Robert Finger.
Pestizidfreie Produktionssysteme bieten den Landwirten mehr Flexibilität als eine Umstellung auf Biolandbau. So sei es möglich, nur bei einigen Kulturen auf Pflanzenschutzmittel zu verzichten, diese bei anderen Kulturen aber weiter zu verwenden. Anders als Biobetriebe müssen Betriebe auf dem «dritten Weg» nicht auf Kunstdünger verzichten, was die Ertragseinbussen verringert.
Finanzielle Unterstützung nötig
Entsprechend dem Kompromiss, der mit diesem «dritten Weg» eingegangen wird, liegen auch die Erträge zwischen jenen der biologischen und der konventionellen Anbauweise. Eine Umstellung auf pestizidfreie Produktion bedürfe deshalb auch der Unterstützung, sonst sei sie oft noch nicht rentabel, erkennen die Studienleiter weiter.
Der Bund hat diesbezüglich im Rahmen der parlamentarischen Initiative 19.475 entsprechend Produktionssystembeiträge gesprochen. So werden für eine pestizidfreie Produktion vom Bund zwischen 650 (zum Beispiel Getreide) und 1’400 Franken (zum Beispiel Raps) pro Hektare als Direktzahlung ausgerichtet.
Bei IP Suisse gibt es seit 2019 ein Programm, bei dem Landwirtinnen für pestizidfrei produziertes Brotgetreide rund 30 Prozent mehr bezahlt wird, als für konventionell hergestelltes Brotgetreide. Ähnliche Initiativen gebe es auch in Deutschland und mit dem Label «cultivé sans pesticides» für Tomaten auch in Frankreich.
@coquelicots_ Champ de colza cultivé sans pesticides contre désert...tout est dit. Bravo pour cet appel des #coquelicots! pic.twitter.com/7qmRmVKgPK
— Sophie Leguil (@SLeguil) September 11, 2018
Ansätze kombinieren
Mit der Studie wurden die verschiedenen europäischen «Dritte-Weg»-Programme und Initiativen untersucht. Landwirtinnen und Landwirte würden dabei verschiedene Ansätze kombinieren, um Pflanzenschutzmittel zu ersetzen, lautet eine Erkenntnis. So würden sie resistente Sorten verwenden, Unkraut mechanisch bekämpfen und Fruchtfolgen anpassen.
Eine Umfrage zeige auch, dass es für Schweizer Landwirtinnen und Landwirte von zentraler Bedeutung ist, dass sie durch die Umstellung auf eine pestizidfreie Produktion wirtschaftlich nicht schlechter gestellt werden. Was sie auch von dieser Anbauweise abhalten kann, ist das grössere Risiko, das sie damit eingehen. Preisaufschlägen und Flächenzahlungen könnten diesen «dritten Weg» attraktiver machen.
Mehrwert mit Herausforderungen
Pestizidfreie Produktionssysteme haben mit gezielter Förderung das Potenzial, grossflächig genutzt zu werden und so bestehende Anbausysteme zu ergänzen, heisst es auf dem Blog. Der «dritte Weg» bringe der Landwirtschaft zusätzliche Flexibilität bei der Wahl standortgerechter Produktion und könne Schritt für Schritt auch auf andere Teile der Fruchtfolge ausgeweitet werden.
Der Blog von Robert Finger legt neben dem Mehrwert für Umwelt und Landwirte aber auch die Herausforderungen einer pestizidfreien Produktion offen:
- was als pestizidfreie Produktion gilt und was nicht, ist noch nicht vollständig harmonisiert
- die Kennzeichnung pestizidfreier Produktion ist mit logistischen Herausforderungen verbunden, da alle Verarbeitungsschritte getrennt werden müssen
- wenn sich die pestizidfreie Produktion als Standard durchsetzen würde, stellt sich die Frage, inwieweit Preisaufschläge und Flächenzahlungen langfristig aufrechterhalten werden können
- auch müssen die Ertragseinbussen gegenüber der konventionellen Produktion verringert werden
- dann muss die Wirksamkeit der Ansätze zum Ersatz von Pflanzenschutzmitteln erhöht und deren Kosten reduziert werden
Der Herbizidfreie Anbau funktioniert, das kann ich als Praktiker bestätigen, aber nur wenn das Wetter mitspielt, in diesem Frühjahr war es nicht möglich zu striegel und daher habe ich abgemeldet und gespritzt.