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Syngenta verliert bei Chlorothalonil-Streit

Der Bund darf eine neue Weisung an die Kantone erlassen zu Massnahmen gegen möglicherweise krebserregende Abbauprodukte des Pestizids Chlorothalonil. Das Bundesverwaltungsgericht hat eine Beschwerde des Agrochemiekonzerns Syngenta grösstenteils abgewiesen.

sda/blu |

Mit dem Entscheid sei die Rechtssicherheit beim Höchstwert für Chlorothalonil-Abbauprodukte im Trinkwasser wieder hergestellt, teilte das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) am Mittwoch mit. Die Trinkwasserversorger hätten wieder die klare Vorgabe, dass die Abbauprodukte 0,1 Mikrogramm pro Liter nicht überschreiten dürften.

Das BLV erliess eine neue Weisung. Die Kantone müssen die Wasserversorger auffordern, früher evaluierte Massnahmen für eine Reduktion der Metabolitenkonzentrationen sofort umzusetzen. In gewissen Regionen wird der Höchstwert im Trinkwasser überschritten. «Wasserversorger müssen mithilfe von Gemeinden und Kantonen alles daransetzen, dass die rechtlichen Anforderungen an Chlorothalonil-Abbauprodukte eingehalten werden», schreibt das BLV.

Die Weisung des BLV

Das BLV ordnet bei einer Überschreitung des Höchstwertes von 0,1 Mikrogramm pro Liter durch einen oder durch mehrere Metaboliten von Chlorothalonil im Trinkwasser Folgendes an:_

  • Der Kanton fordert den Trinkwasserversorger auf, ihm alle seit Publikation der Weisung 2020/1 evaluierten Sofortmassnahmen zur Reduktion der Metabolitenkonzentrationen zu unterbreiten und ohne Verzug umzusetzen.
  • Überschreitet ein Metabolit von Chlorothalonil den Höchstwert trotz ergriffener Sofortmassnahmen weiterhin, fordert der Kanton den Trinkwasserversorger auf, zusätzliche Massnahmen zu einer langfristig wirkenden Einhaltung der Anforderungen der Lebensmittelgesetzgebung auszuarbeiten und ihm diese zu unterbreiten. Der Kanton verfügt, dass die Massnahmen spätestens in zwei Jahren ab dem Datum der Publikation dieser Weisung umgesetzt sein müssen.
  • Ist die Umsetzung dieser Massnahmen innert zwei Jahren aus zeitlichen, finanziellen, politischen oder ökologischen Gründen nicht möglich, so verfügt der Kanton eine der Situation angemessene Frist und übermittelt dem BLV die verfügten Massnahmen.
  • Die Kantone verfügen gegenüber den Trinkwasserversorgern, deren Trinkwasser den Höchstwert für Metaboliten von Chlorothalonil überschreitet, dass diese ihre Zwischen- und Endabnehmer regelmässig über die Ergebnisse der Untersuchungen und die getroffenen Massnahmen informieren.

Folgen für die Grenzwerte

Nach der Beschwerde von Syngenta 2020 durfte der Bund Abbaustoffe von Chlorothalonil nicht mehr als toxikologisch relevant bezeichnen. Er musste eine Weisung von seiner Webseite entfernen. Die Einstufung als «relevant» hat Folgen für die Grenzwerte im Grund- und Trinkwasser.

Das Bundesverwaltungsgericht hatte den «Maulkorb» vorübergehend verhängt, weil es davon ausging, Syngenta könnte – bis ein Urteil vorliegt – aufgrund der breiten medialen Ausstrahlung des Themas ein wirtschaftlicher Nachteil erwachsen und der Ruf des Unternehmens Schaden nehmen.

Hin und Her beim Bund

Syngenta Agro stellt Fungizide mit dem Stoff Chlorothalonil her. Die Verwendung wurde per 1. Januar 2020 in der Schweiz verboten, nachdem es vorher ordentlich zugelassen worden war. Gegen das Verbot legte der Konzern Beschwerde ein. Das Unternehmen ist der Ansicht, dass wissenschaftliche Grundlagen für das Verbot fehlen. Diese Frage wird in einem separaten Verfahren behandelt.

Das BLV hatte Chlorothalonil und vier Abbaustoffe im Dezember 2019 in einem Gutachten noch als nicht relevant eingestuft. Der Grenzwert für Trinkwasser lag damit bei 10 Mikrogramm pro Liter. Der Grenzwert bei toxikologisch relevanten Metaboliten beträgt 0,1 Mikrogramm pro Liter.

Nach dem Entzug der Bewilligung für Fungizide mit Chlorothalonil durch das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) beschrieb das BLV den Wirkstoff auf seiner Website neu als «wahrscheinlich krebserregend». Es folgte damit der Einschätzung der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde (Efsa). Diese neue Bewertung des umstrittenen Wirkstoffs hat das BLV zu Massnahmen, beziehungsweise zur Weisung an die Kantone, im Zusammenhang mit der Sicherheit des Trinkwassers geführt.

Syngenta: Wichtiger Resistenzbrecher

Syngenta hatte früher die behördlichen Entscheidungen in der Schweiz im Fall des Pflanzenschutzmittels Chlorothalonil kritisiert. Diese seien aus wissenschaftlicher Perspektive nicht nachvollziehbar und insbesondere für die Landwirte sowie die Agrarindustrie von grosser Tragweite. Für die Landwirte ist es ein Verlust eines wichtigen Getreidefungizides und Resistenzbrechers, hiess es in einer Stellungnahme zur Beschwerde.

Der Einsatz von Chlorothalonil gefährde «erwiesenermassen» weder die Umwelt noch die Gesundheit, was die entscheidenden Kriterien für die Zulassung sein sollten, schrieb Syngenta. Zulassungs- und Widerrufsprozesse auf Basis nicht-nachvollziehbarer Kriterien könnten die stabilen und sicheren Rahmenbedingungen für Forschung und Produktion in der Schweiz gefährden und Innovationsprozesse hemmen.

Syngenta: Haupturteil ausstehend

Im weiteren nahm Syngenta das Urteil zur Kenntnis. Es handle sich dabei um ein Nebenurteil, teilte ein Firmensprecher der Nachrichtenagentur Keystone-SDA mit. Das Haupturteil zum Verbot von Chlorothalonil an sich in der Schweiz stehe nach wie vor aus.

Sehr tiefer Grenzwert

Der neue Grenzwert von 0,1 Mikrogramm pro Liter sei extrem tief, erklärte der Berner Kantonschemiker Otmar Deflorin im Januar 2020 gegenüber der Zeitung «Der Bund». «Bis vor kurzem liessen sich tiefere Werte gar nicht messen.» Zudem brauche es in der Regel eine gewisse Menge, bis eine Substanz toxisch, also giftig sei.

Er machte ein Beispiel: «Alkohol ist ein Zellgift, das nachweislich Leberkrebs verursacht. Wenn Sie ein Glas Whisky mit 40 Prozent Alkohol trinken, nehmen Sie eine ungleich grössere Menge an toxischen Substanzen ein, als wenn Sie einen Liter Wasser trinken.» Für Chlorothalonil gilt eine lebenslängliche Tagesdosis von 15 Mikrogramm pro Kilo Körpergewicht als unbedenklich. Um diese Dosis zu erreichen, müsste man also 150 Liter Wasser pro Kilo Körpergewicht trinken, sofern der Grenzwert eingehalten wird.

Auch unbelastetes Wasser kann gefährlich sein: Trinkt man innert kurzer Zeit sieben oder mehr Liter Wasser, so kann dies lebensbedrohlich werden. Trotzdem sei er «dezidiert» der Meinung, dass die Chlorothalonil-Abbauprodukte nicht ins Wasser gehörten, sagte Deflorin. «Dass Chlorothalonil nun verboten ist, ist eine grosse Errungenschaft der Behörden.»

Die Umweltorganisation Greenpeace schrieb von einem Etappensieg und begrüsste den aufgehobenen «Maulkorb» für die Behörden. Es gehe um eine Verschmutzung des Trinkwassers. Die Bevölkerung habe ein Anrecht, Bescheid über die Grenzwerte zu wissen, sagte Greenpeace-Konsumkoordinator Florian Kasser auf Anfrage.

(Urteil B-3340/2020 vom 20. März 2024)

Kommentare (2)

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  • Victor Brunner | 24.05.2024
    Und wer hat das Chlorothalonil ausgebracht? Die Bauern! Und wer darf jetzt bezahlen? Die Allgemeinheit!
    Vielen Dank liebe Bauern, seit Jahren ist bekannt das Chlorothalonil kritisch ist und ihr hebt einmal mehr weggeschaut, nicht zugehört!
    • Maier Peter | 27.05.2024
      Chlorothalonil wurde auch in Farben für Hausfassaden beigemischt. Nun wird diese Farbe die nächsten 50 Jahre ins Trinkwasser gespühlt. Hauptsache die Bauern sind Schuld Herr Brunner. Wir haben in der Schweiz eine Fachbehörde, die Chlorothalonil Bewilligt hat. Dein Kommentar sagt viel über dich aus......
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