Die Rosskastanien-Miniermotte (Cameraria ohridella) ist ein invasiver Schädling.
WSL/Lisa Bose
Die Zahl eingeschleppter Baumschädlinge nimmt rasant zu. Meistens tauchen sie zuerst in Städten auf, weil dort der Waren- und Personenverkehr am intensivsten ist. Von dort aus können sie sich in die natürliche Umgebung ausbreiten.
Zürich, Basel und Lugano als Einfallstore
Bei der Bekämpfung muss man laut Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) somit als erstes hier ansetzen und stellte sich folgende Fragen: «Können insektenfressende Vögel hier helfen und so verhindern, dass sich die Schädlinge auch im Wald ausbreiten? Welche Bedingungen brauchen sie?»
Die Antworten hat der WSL-Forscher Marco Basile in Zürich, Basel und Lugano gesucht. Denn der Flughafen Zürich, der Rheinhafen Basel und das Tessin wegen der benachbarten italienischen Poebene seien mögliche Einfallstore für eingeschleppte Arten, begründet der Forscher in der Mitteilung über die Studie sein Vorgehen.
Raupen aus Knetmasse
Basile hat drei Standorttypen angeschaut: städtische Parks und Friedhöfe, die dem Wald bezüglich Vogelvielfalt und -arten sehr ähnlich sind, Wohngebiete mit viel Grün und naturferne, verdichtete Stadtzentren. An diesen Orten hat er die Vögel bestimmt und gezählt. Ausserdem hat er die Jagdaktivität der insektenfressenden Vögel untersucht, wie das WSL schreibt.
Dazu habe er eine gängige Technik verwendet, nämlich Raupenattrappen aus Knetmasse, die an Bäumen und Büschen befestigt werden. Basile prüfte jeweils nach zehn Tagen, welche Tiere versucht hatten, die Raupen zu fressen. Vögelschnäbel, Nagetierzähne und Insektenspuren liessen sich gut unterscheiden:
Mehrere tausend Kastanienblätter untersucht
Als Praxisbeispiel für invasive Insekten dienten dem Forscher Rosskastanien und ein auf sie spezialisierter Kleinschmetterling, die Rosskastanienminiermotte. «Diese frisst sich durch Kastanienblätter und hinterlässt dabei typische Frassgänge», wird in der Mitteilung über die Studie erklärt.
Es sei bekannt, dass beispielsweise Meisen gut darin sind, die Raupen der aus dem Balkan stammenden Art aus dem Blatt zu picken. Basile untersuchte mehrere tausend Kastanienblätter darauf, ob Raupengänge vorhanden waren und ob Vögel die Raupen gefressen hatten.
Einheimische Bäume benötigt
Tatsächlich fanden Basile und seine Mitautoren eine höhere Vielfalt an insektenfressenden Vögeln in Gebieten mit höherer Baumkronenbedeckung. Dort wurden auch mehr Angriffe auf die künstlichen Raupen gezählt, berichten sie im Fachjournal Biological Conservation. Dies traf aber nur zu, wenn der Anteil an einheimischen Bäumen hoch war, also Ahorn, Linde oder Schwarz-Erle.
Marco Basile nimmt Blattproben von Rosskastanien in Lugano.
WSL/Lisa Bose
«Bei der Jagd auf die Kastanienminiermotte spielte weniger die Baumbedeckung als die Raupendichte eine Rolle, um insektenfressende Vögel anzulocken. Das lässt sich damit erklären, dass Rosskastanien in Städten häufig einzeln oder in Reihen stehen und nicht in waldähnlichen Beständen», so die Erklärung der Forschenden.
30 Prozent Baumfläche
Besonders spannend findet Basile gemäss der WSL-Mitteilung das Ergebnis, ab welchem Schwellenwert von Baumbedeckung genug Vögel da sind, damit sie als Schädlingsbekämpfer wirksam sind. «Mit 30 Prozent Baumfläche haben wir eine ziemlich hohe Vielfalt an insektenfressenden Vögeln», sagt Basile darin. Dies decke sich mit dem Richtwert von 30 Prozent Baumbedeckung, der sich als Ziel in der Stadtentwicklung etabliert hat.
Dabei geht es um das menschliche Wohlbefinden und den Hitzeschutz. In Schweizer Städten erreichten allerdings nur Villenviertel mit grossen Gärten diese Schwelle. «Unsere Ergebnisse zeigen nun, dass es auch der natürlichen Schädlingsbekämpfung zugutekäme, wenn dieser Wert flächendeckend erreicht wird», wird Basile in der Mitteilung der WSL zitiert. Es würde laut dem Forscher schon viel bringen, die leeren Flächen rings um Einzelbäume in Alleen mit Sträuchern zu bepflanzen.