Der Weinbau in der Schweiz erlebte im Jahr 2023 eine vielfältige und komplexe Saison, wie Jürg Bachofner, Geschäftsführer des Branchenverbands Deutschschweizer Wein BDW und Philippe Herminjard vom Schweizerischen Weinbauernverband SWBV, erklären.
Das Jahr sei geprägt gewesen von stabilen Wetterlagen, sagt Bachofner: «Die Schönwetterperiode im Juni hat sich positiv auf die Befruchtung der Blüten und den Traubenansatz ausgewirkt.» Die Herausforderungen seien mit dem nass-kühlen Juli gekommen, welcher das Rebenwachstum verlangsamte, aber keinen Schaden an den Pflanzen verursachte.
Katastrophales Tessiner Weinjahr - aber hochstehender Jahrgang
Nicht alle Regionen hatten allerdings gleich viel Wetterglück, ergänzt Philippe Herminjard. So habe das Tessin ein katastrophales Weinjahr erlebt. «Der Druck durch Pilzkrankheiten war enorm und auch der Hagel richtete grosse Schäden an», erläutert er. Dagegen hätten andere Schweizer Regionen wie das Drei-Seen-Land, die Deutschschweiz, Genf und das Wallis eine gute Saison gehabt.
Auch die Krankheiten seien grösstenteils kontrollierbar geblieben, betont Jürg Bachofner. «Der späte Einfall der Kirschessigfliege hat noch etwelchen Schaden verursacht und gewisse Parzellen wurden deswegen vorzeitig geerntet», erläutert er. Und im August sei aufgrund der extremen Temperaturen über 30 Grad und der Trockenheit auch erstmals das Phänomen von Sonnenbrand aufgetaucht.
Trotzdem verspreche der Jahrgang 2023 dank hohem Zuckergehalt ausserdem ein hochstehender zu werden, charakterisiert durch sortentypische Geschmacksprofile, die von ihrem jeweiligen Terroir geprägt seien, prognostiziert Jürg Bachofner.
Marktsituation und Trends
Die Preise für Schweizer Weine bleiben allerdings ein Hindernis für Konsumentinnen und Konsumenten, ergänzt Philippe Herminjard. «Die Krise rund um das aktuelle Klima ermutigt die Konsumentinnen und Konsumenten, lokal zu konsumieren, aber diese Sorge wird bei weitem nicht von allen geteilt, denn die Preise für Schweizer Weine sind oft ein Hindernis für ebendiesen lokalen Konsum», erklärt er.
Und während die Zahl der Winzerinnen und Winzer, die sich für den biologischen und biodynamischen Anbau interessierten, stetig wachse, stagniere der Marktanteil für Biowein bei unter 20 Prozent, erklärt Herminjard: «Leider finden die Bemühungen am Markt keine Beachtung.»
Ein ähnliches Bild zeige sich beim Piwi-Weinbau. «Wie die Zahl der Winzerinnen und Winzer, die sich für den biologischen Anbau interessieren, steigt auch die Fläche, die mit ‹robusten› Rebsorten bepflanzt wird, stetig an – das Hindernis für ihre Ausbreitung ist der Markt, der sie kaum nachfragt und die Schwierigkeiten, Pflanzgut bei den Baumschulen zu finden, um die Flächen zu vergrössern», ergänzt er.
Herausforderung Fachkräftemangel
Sorgen bereitet der Branche nach wie vor auch die Situation auf dem Fachkräftemarkt: Sowohl Philippe Herminjard vom SWBV wie auch Jürg Bachofner vom BDW äussern sich besorgt über den Mangel an spezialisierten Arbeitskräften. «Es ist sehr schwierig, die nötigen Leute zu rekrutieren», sagt Jürg Bachofner und ergänzt: «Vor allem Önologen gibt es keine verfügbaren – daher ist es wichtig, eine Abwanderung der Arbeitskräfte mit attraktiven Anstellungsbedingungen zu verhindern.»
Und die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Branche bremsten auch das Interesse der Jugendlichen an den Berufen rund um den Weinbau und den Wein, meint Philippe Herminjard. «In der Westschweiz ist es nicht ungewöhnlich, dass insbesondere französisches Personal eingestellt wird», erläutert er.