Laut einer Studie zu Vitiforstsystemen stand den Reben in diesen rund 20 % mehr Stickstoff zur Verfügung. (Symbolbild)
zvg
Beim kombinierten Anbau von Reben und anderen Gehölzen verschlechtert sich die Weinqualität gegenüber dem Soloanbau von Wein nicht. Gleichzeitig sind Reben bei solchen Vitiforstsystem besser mit Wasser versorgt, und auch die Nährstoffverfügbarkeit steigt.
Das sind die zentralen Ergebnisse des Projekts «VitiForst – Gehölze im Weinbau zur Steigerung von Klimaschutz und Biodiversität», an dem Wissenschaftler der deutschen Universitäten Hohenheim und Freiburg zusammen mit mehreren Winzerfamilien im rheinland-pfälzischen Ayl gearbeitet haben.
Mit Eichen oder Pappeln
Laut Hochschulangaben untersuchten die Wissenschaftler seit 2007 in der Weinbaugemeinde Ayl im Landkreis Trier-Saarburg auf einer 0,5 Hektar grossen Versuchsfläche, wie sich der kombinierte Anbau von Reben und anderen Gehölzen auf den Wasserhaushalt, die Stickstoffversorgung und die daraus resultierende Weinqualität auswirkt. Im Mittelpunkt stehen demnach die Rebsorten Riesling und Sauvignon-Blanc, die sowohl als Reben alleine als auch in Kombination mit Eichen oder Pappeln kultiviert werden.
Die Forscher sprechen von vielversprechenden Ergebnissen. So ist nach ihren Ausführungen überraschenderweise keine Konkurrenz von Bäumen und Reben um Wasser beobachtet worden. Vielmehr habe den Reben selbst in Trockenperioden mehr Wasser zur Verfügung gestanden als im Soloanbau. Insbesondere der Riesling habe in den Mischkulturen von der verbesserten Wasserversorgung profitiert, berichteten die Wissenschaftler.
Die Verbindung von Weinreben und Bäumen ist eine jahrtausendealte Praxis, die vermehrt zurückkehrt. Hier sollen die Bäume insbesondere Bodenerosion vorbeugen und dafür sorgen, dass der Hang stabil bleibt.
Renate Hodel
Gleichzeitig stand den Hochschulen zufolge in den Mischsystemen den Reben auch rund 20% mehr Stickstoff zur Verfügung. Darüber hinaus beobachteten die Projektpartner positive Auswirkungen auf die Biodiversität im Weinberg. Während Eichen vor allem die mikrobielle Vielfalt förderten, bildeten sich im Zusammenspiel mit Pappeln hochspezialisierte mikrobielle Gemeinschaften. Deren langfristige Wirkung auf Ertrag und Pflanzengesundheit sei aber noch unklar, so die Forscher.
Weinlese verschiebt sich in den Herbst
Als erfreulich bewerteten die Wissenschaftler darüber hinaus, dass es zwar zwischen dem reinen Reben- und dem Mischanbau mit Eiche beziehungsweise Pappel kleine Unterschiede im Zucker- und Säuregehalt der Weine gegeben habe. Jedoch seien diese nicht signifikant oder qualitätsmindernd gewesen. «Die sensorische Qualität des Weins bleibt erhalten», betonte Christian Zörb vom Fachgebiet Qualität pflanzlicher Erzeugnisse und Weinbau an der Universität Hohenheim. Auch die Weinlese verschiebe sich dank der Reifeverzögerung weiter in den Herbst.
Für Projektleiter Jakob Hörl sind Vitiforstsysteme eine zukunftsorientierte Alternative im Weinbau. Der kombinierte Anbau schone Ressourcen und fördere die Biodiversität, stabilisiere den Wasserhaushalt, verbessere die Nährstoffversorgung, schütze vor Extremwetterereignissen und erhalte die Weinqualität. Für den Wissenschaftler sind Vitiforste deshalb ein überzeugendes Konzept in Zeiten des Klimawandels.
Neues Marketingpotenzial
Gleichzeitig eröffnet sich nach seinen Ausführungen ein neues Marketingpotenzial. Konsumenten und Konsumentinnen wünschten sich zunehmend nachhaltige, klimafreundlich produzierte Produkte. «Wein aus einem Agroforstsystem» könnte diesen Wunsch erfüllen und gleichzeitig zum Qualitäts- und Alleinstellungsmerkmal werden, hob Hörl hervor.
Die Wissenschaftler weisen aber auch darauf hin, dass der erhöhte Pflegeaufwand und zusätzliche Kosten bei der Umsetzung eines solchen Systems nicht unterschätzt werden dürften. Eine gute Planung, standortgerechte Sortenwahl und ein gezieltes Marketing seien daher entscheidend für den Erfolg.
Weiterer Projektverlauf
In einer zweiten Phase soll nun das Projekt wissenschaftlich bewertet und auf seine Praxistauglichkeit in deutschen Weinbaugebieten geprüft werden. Das baden-württembergische Wissenschaftsministerium fördert das Vorhaben mit umgerechnet rund 557’000 Franken. Am Staatlichen Weinbauinstitut Freiburg (WBI) und der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg (LVWO) sollen zusätzliche Versuchsflächen angelegt werden. Auch die Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) ist beteiligt.
Zusätzlich untersuchen die Forscher laut Hochschulangaben in den Fokusregionen Remstal und Kaiserstuhl die Effekte bestehender agroforstähnlicher Gehölzstrukturen und unterstützen Praxisbetriebe bei der Einrichtung solcher Systeme. Ziel sei es, dieses Anbausystem weiterzuentwickeln und die nachweislich positiven physiologischen und ökologischen Wechselwirkungen im Weinbau nutzbar zu machen.