Die Brennnessel (Urtica dioica) gilt landläufig als lästiges Unkraut – doch wer genauer hinschaut, erkennt: Sie ist eine ökologische Schlüsselpflanze mit zahlreichen Vorteilen für die Landwirtschaft, heisst es in einer Mittelung.
Als Lebensraum für Nützlinge, als natürlicher Dünger und als Indikatorpflanze liefert sie einen wertvollen Beitrag zu nachhaltigen Anbausystemen.
Lebensraum für Nützlinge
Brennnesseln bieten Lebensraum und Nahrung für über 50 Insektenarten, darunter Schmetterlingsraupen wie das Tagpfauenauge oder der Kleine Fuchs.
Diese Arten wiederum sind Teil eines stabilen ökologischen Gleichgewichts auf dem Feld. Wer Brennnesselstreifen stehen lässt, fördert die Biodiversität – und somit indirekt auch den Pflanzenschutz.
Brennnesseljauche: biologischer Dünger und Pflanzenschutz
In der biologischen Landwirtschaft ist Brennnesseljauche ein bewährtes Hausmittel. Die fermentierte Pflanzenbrühe enthält Stickstoff, Kalium und Kieselsäure und wirkt stärkend auf viele Kulturpflanzen. Gleichzeitig kann sie Blattläuse und Pilzkrankheiten in Schach halten – ganz ohne synthetische Mittel.
Wie stellt man Brennnesseljauche her?
Zutaten und Material:
- Frische Brennnesseln (ca. 1 kg)
- 10 Liter Wasser (ideal ist Regenwasser oder abgestandenes Leitungswasser)
- Ein grosser Behälter (z. B. ein Eimer oder eine Regentonne)
- Ein Deckel oder Tuch zum Abdecken
- Ein Sieb oder eine Stoffwindel, um die Flüssigkeit abzugiessen
Anleitung:
1. Brennnesseln sammeln: Suchen Sie frische, junge Brennnesseln. Achten Sie darauf, dass sie noch nicht zu blühend oder verholzt sind, da die Blätter dann weniger Nährstoffe enthalten.
2. Zerkleinern: Schneiden Sie die Brennnesseln grob in kleinere Stücke, um den Zersetzungsprozess zu beschleunigen. Handschuhe sind ratsam, um die Brennhaare der Pflanzen zu vermeiden.
3. Wasser hinzufügen: Geben Sie die zerkleinerten Brennnesseln in den Behälter und fügen Sie 10 Liter Wasser hinzu. Das Verhältnis von Brennnesseln zu Wasser sollte etwa 1:10 betragen.
4. Fermentation starten: Decken Sie den Behälter locker ab (z. B. mit einem Deckel oder Tuch), damit Luft eindringen kann, aber keine Verunreinigungen. Stellen Sie den Behälter an einen schattigen, gut belüfteten Ort. Die Brennnesseln beginnen nun zu gären.
5. Rühren und abwarten: Rühren Sie die Mischung alle 2-3 Tage um, um die Fermentation zu fördern. Nach etwa 1-2 Wochen sollte die Jauche einen starken Geruch entwickelt haben – ähnlich wie fauliger Mist. Der Fermentationsprozess ist abgeschlossen, wenn sich die Flüssigkeit dunkel und trüb verfärbt hat.
6. Abseihen und lagern: Seihen Sie die fertige Jauche durch ein Sieb oder ein Stofftuch ab, um die festen Pflanzenteile zu entfernen. Die Flüssigkeit kann nun für den Einsatz auf dem Garten oder Ackerland verwendet werden.
Anwendung von Brennnesseljauche:
- Dünger: Verdünnen Sie die Jauche im Verhältnis 1:10 mit Wasser und giessen Sie sie direkt an den Wurzeln der Pflanzen. Sie versorgt die Pflanzen mit wichtigen Nährstoffen wie Stickstoff, Kalium und Eisen.
- Pflanzenschutz: Unverdünnt oder nur leicht verdünnt kann die Jauche auf die Blätter gesprüht werden, um Schädlinge wie Blattläuse oder Pilzkrankheiten zu bekämpfen.
Standortanzeiger und Bodenverbesserer
Brennnesseln wachsen bevorzugt auf stickstoffreichen Böden. Ihr Vorkommen kann Landwirtinnen und Landwirten Hinweise auf Nährstoffüberschüsse oder einseitige Bodenverhältnisse geben. In der Gründüngung kann die Pflanze ausserdem zur Humusbildung beitragen.
Vom Rand ins Zentrum denken
Anstatt Brennnesseln konsequent zu roden, lohnt sich eine bewusste Integration ins Betriebskonzept – etwa durch gezielte Habitatstreifen oder als Teil eines ökologischen Ausgleichs. So wird aus dem vermeintlichen Problemkraut ein Baustein für eine zukunftsfähige Landwirtschaft.