Künftig soll bei Rodungen vermehrt durch ökologische Aufwertungen statt durch neue Aufforstungen kompensiert werden, um Kulturland zu erhalten.
Peter Rupf
Der Nationalrat hat mit 113 zu 75 Stimmen eine Motion aus dem Ständerat gutgeheissen, die es künftig ermöglichen soll, bei Rodungen nicht mehr zwingend an einem anderen Ort aufzuforsten. Stattdessen könnte die Aufwertung bestehender Waldflächen als Ersatz dienen.
Dieser Vorschlag, initiiert vom St. Galler Mitte-Ständerat Benedikt Würth, wurde bereits in der Wintersession vom Ständerat unterstützt. Würth argumentiert, dass der Wald in seiner flächenmässigen Ausdehnung nicht mehr bedroht sei und vielmehr wachse. Durch die Aufwertung bestehender Waldflächen sollen neue Möglichkeiten zur Nutzung von Land eröffnet werden.
Ziel: Schutz der landwirtschaftlichen Flächen
Die Mehrheit der vorberatenden Nationalratskommission befürwortete die Änderung des Waldgesetzes. Sie argumentierte, dass die strikte Regelung zur Aufforstung nach Rodungen die landwirtschaftliche Nutzfläche unnötig verringere.
Die Aufwertung bestehender Waldflächen soll hier eine praktikable Lösung bieten. Doch es gibt auch Kritiker. Eine Minderheit der Kommission, angeführt von Gabriela Suter (SP/AG), war der Ansicht, dass das bestehende Recht bereits genügend Ausnahmen ermögliche, und dass die neue Regelung vor allem den Druck auf das Kulturland erhöhen könnte.
Sie verweist darauf, dass der Hauptdruck auf landwirtschaftliche Flächen eher durch Strassen- und Siedlungsbau entstehe als durch den Rodungsersatz.
Der Bundesrat stimmt zu – aber mit Einschränkungen
Der Bundesrat muss nun einen Umsetzungsvorschlag für die Flexibilisierung erarbeiten. Umweltminister Albert Rösti stellte klar, dass diese Massnahme keine Aufweichung des Waldgesetzes sei, sondern eine «bescheidene Flexibilisierung», die vor allem in Zeiten geopolitischer Unsicherheiten eine grössere Bedeutung erlange.
Die Aufwertung bestehender Waldflächen soll den Fokus auf den Erhalt von Fluchtfolgeflächen legen, die als besonders wichtig für den Naturschutz gelten. Laut Rösti wird der Wald weiterhin umfassend geschützt und die Aufwertung bestehender Flächen stelle eine praktikable Lösung dar.
Pro Natura kritisiert die Entscheidung scharf
Die Entscheidung, den Rodungsersatz zu flexibilisieren, stösst jedoch auf scharfe Kritik seitens der Umweltorganisation Pro Natura. In einer Medienmitteilung warnt die Organisation vor einem gefährlichen Systemwechsel, der den Schweizer Wald langfristig gefährden könnte.
Elena Strozzi, Verantwortliche Waldpolitik bei Pro Natura, erklärt: «Nach 150 Jahren erfolgreichem Einsatz für den Schutz des Waldes würde damit der Weg frei, Waldflächen zu roden, ohne sie wieder ersetzen zu müssen.» Besonders die Wälder im Mittelland und Jura könnten unter dieser Regelung leiden, da diese Regionen bereits jetzt durch andere Landnutzungen stark beansprucht werden.
Befürchtungen über den Verlust von Waldflächen
Pro Natura befürchtet, dass die neue Regelung zur schrittweisen Reduktion von Waldflächen führen könnte, vor allem in dicht besiedelten Gebieten wie dem Mittelland. Die Organisation argumentiert, dass die klimatischen Herausforderungen und der zunehmende Landnutzungskonkurrenz den Wald ohnehin schon stark beanspruchen, sodass eine weitere Lockerung des Rodungsersatzes kontraproduktiv wäre. Die Organisation fordert daher eine klare Ablehnung der Motion, um die langfristige Sicherung und den Schutz der Schweizer Wälder zu gewährleisten.
Die Diskussion um den Rodungsersatz und den Waldschutz bleibt also auch nach der Entscheidung des Nationalrats ein heisses Thema. Während die Landwirtschaft eine Flexibilisierung als notwendigen Schritt für den Erhalt der landwirtschaftlichen Nutzfläche sieht, befürchtet der Naturschutz einen Verlust wertvoller Waldflächen und eine Verschlechterung der Biodiversität.
Das wollte die Motion:
«Der Bundesrat wird beauftragt, das Bundesgesetz über den Wald wie folgt zu ändern:
Der Rodungsersatz kann qualitativ neben den bestehenden Massnahmen im Bereich des Natur- und Landschaftsschutz mindestens zur Hälfte durch Aufwertungsmassnahmen der bestehenden Waldfläche erfolgen. Temporäre Rodungen bleiben vorbehalten, denn dort soll an Ort und Stelle wieder aufgeforstet werden.»
Begründung: Der Wald wächst in der Schweiz und ist nicht mehr flächenmässig bedroht – dennoch bleibt er geschützt und darf nur in Ausnahmefällen gerodet werden. Künftig soll der Rodungsersatz stärker qualitativ erfolgen: Bestehende Waldflächen werden gezielt ökologisch aufgewertet, was auch dem Schutz von Kulturland dient. Ein Mindestanteil von 50 Prozent solcher Aufwertungsmassnahmen ist vorgesehen. Das Potenzial dafür ist gross – besonders im Hinblick auf Klimawandel und Biodiversität.
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