Bis heute werde vor allem auf Wiederaufforstung gesetzt, und das auch in Gebieten, die natürlicherweise keine Wälder seien. In der am Mittwoch in «Nature Communications» veröffentlichten internationalen Studie schlagen die Wissenschaftler einen Paradigmenwechsel vor. Beteiligt waren Forschende der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften BFH-HAFL in Zollikofen BE.
43 Prozent der Landfläche Wald
Mit dem neuartigen globalen Modell präsentieren die Forschenden die erste umfassende Karte, die das natürliche Vegetationspotenzial der Erde zeigt «einschliesslich Bäumen, Gräsern, Sträuchern und sogar von Natur aus vegetationsfreier Flächen».
Mitautor Claude Garcia, Professor für Governance von Waldlandschaften an der BFH-HAFL, meint, «mit dieser Karte können wir nun zeigen, wie unwahrscheinlich ein Wald oder eine Savanne an einem bestimmten Ort ist». Man dokumentiere, wie schwierig es sein werde, ein Ökosystem wiederherzustellen oder zu erhalten, und wie sich die Natur voraussichtlich entwickeln werde.
Gemäss dem Modell könnten 43 Prozent der Landfläche natürlicherweise von Bäumen bedeckt sein, 39 Prozent von Gräsern und Sträuchern und 18 Prozent der Flächen wären natürlicherweise vegetationsfrei, abgesehen von Flechten, Moosen und einjährigen Pflanzen.
Feuer und Pflanzenfresser ausschlaggebend
Mithilfe von Szenarien zu Feuer, Wildtierverbiss und Klimawandel bis 2050 zeigen die Forschenden, wie stark Entscheidungen im Landschaftsmanagement die Landbedeckung beeinflussen. Denn Feuer und Pflanzenfresser seien entscheidende Faktoren für den Schutz und die Wiederherstellung von Ökosystemen. So können gemäss den Forschern viele Pflanzenfresser den Waldanteil massiv verringern – beispielweise von 55 auf 11 Prozent in den Dinarischen Alpen. Kontrolliertes Feuer kann den Baumbestand je nach Intensität um über 20 Prozent verändern.
Studienleiter Jean-François Bastin macht deutlich, dass Ergebnisse bei der Wiederherstellung nicht festgelegt sind. Sie müssten für jede Landschaft gemeinsam mit den lokalen Akteuren sorgfältig durchdacht werden, denn «wenn unsere Entscheidungen nicht informiert sind, ist Scheitern die Norm». Claude Garcia unterstreicht: «Landschaften entstehen nicht einfach – wir gestalten sie gemeinsam mit der Natur.»
40’000 Testflächen
Die Studie nutzte Daten aus über 17’000 streng geschützten Gebieten, um natürliche Vegetationsmuster zu modellieren. Das Modell basiert auf über 40’000 Testflächen und sechs grossen Klimadatensätzen, die mithilfe von KI-Modellierung (mit künstlicher Intelligenz) zusammengeführt wurden, wie es weiter hiess.
Das Modell sei offen zugänglich und ermögliche es «Akteuren im Naturschutz, für jede Region zu untersuchen, wie Feuerhäufigkeit und Wildtierpräsenz das Gleichgewicht von Bäumen, Gräsern und offenen Flächen beeinflussen könnten».