Russland als Dünger-Lieferant fällt aus. Die Branchenvertreterin der Schweizer Düngemittelimporteure Agricura will deshalb den Grenzwert für Schwermetall in importierten Phosphordünger lockern. Sie hat beim Bundesamt für Landwirtschaft einen entsprechenden Antrag gestellt.
In den vergangenen Wochen und Monaten sind die Preise für Vorleistungen massiv gestiegen, insbesondere für Dünger.
5600 Tonnen werde importiert
Auch Phosphordünger hat sich verteuert. Die Schweiz kann den Bedarf zwar zu 80 Prozent durch Gülle und Recyclingdünger decken. Die übrigen 20 Prozent, das sind 5600 Tonnen, müssen importiert werden. Bisher stammten die Einfuhren aus Russland.
Vor dem Ukraine-Krieg war das Land der grösste Exporteur von Phosphor für die Düngerherstellung, der dazu noch besonders schadstoffarm war. Doch aufgrund der Sanktionen fällt Russland als Lieferant für die Schweiz aus. Das hat gravierende Folgen. Wegen der Versorgungsengpässe drohe bei phosphathaltigen Düngern sogar ein Lieferengpass, sagt die Branchenvertretung der Schweizer Düngemittelimporteure, Agricura, gegenüber den Tamedia-Zeitungen.
Temporär EU-Grenzwert
«Die in Europa noch erhältlichen Phosphat-Dünger erfüllen den strengen Schweizer Kadmium-Grenzwert nicht», sagt Agricura-Sekretär Michael Brügger. Die Importeure haben beim Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) einen Antrag gestellt, den Grenzwert für Kadmium temporär auf EU-Niveau zu erhöhen. Das soll es möglich machen, Dünger mit Phosphor aus anderen Ländern zu importieren, der bisher die Schweizer Anforderungen nicht erfüllt. Der Grenzwert soll wieder gesenkt werden, sobald sich die Lage auf dem Düngermarkt beruhigt.
Beim BLW wird der Antrag geprüft. Kadmium sei aber giftig für Menschen. Über den Dünger könne das Schwermetall in den Boden gelange. «Der heute gültige Grenzwert stellt sicher, dass eine Gefährdung der menschlichen Gesundheit ausgeschlossen werden kann», sagte BLW-Sprecher Jonathan Fisch zu den «Tamedia-Zeitungen».
Ab 2026 100 Prozent aus der Schweiz
Die Importeure hingegen halten fest, dass von einer temporären Erhöhung keine Gefahr ausgehe. Der heute in der Schweiz geltende Kadmium-Grenzwert sei mehr als doppelt so streng wie der in der Europäischen Union, so Brügger zu den Zeitungen. Das BLW wiederum weist darauf hin, dass auch in anderen Ländern Phosphor abgebaut werde, der weniger Kadmium enthalte.
In Sachen Phosphor will die Schweiz bis 2026 den Bedarf komplett aus eigenen Quellen decken. Phosphor soll aus dem Abwasser, dem Klärschlamm sowie aus Tier- und Knochenmehl extrahiert werden.
Dilemma auch in der EU
Nach Einschätzung des Pflanzenbauberaters Ole Schou vom dänischen Agrarberatungsunternehmen VKST beim Phosphordünger kurzfristig nur die Wahl zwischen mehreren schlechten Alternativen. Wie Schou im April gegenüber dem Fachmagazin «Landbrugs Avisen» erläuterte, hat die Europäische Union mit ihren Sanktionen gegen Russland auch die Lieferkette zum dortigen Phosphor durchtrennt.
Das Mineral aus den russischen Minen gehört laut dem Pflanzenbauberater aber zu den reinsten weltweit, während Phosphor aus anderen Quellen oft mehr oder weniger mit dem giftigen Schwermetall Cadmium verunreinigt sei. Schou wies darauf hin, dass in der Europäischen Union ab dem 16. Juli ein neuer Grenzwert für Cadmiumverunreinigungen gilt. Dieser soll in Diphosphorpentoxid künftig bei weniger als 60 Milligramm pro Kilogramm Dünger liegen.
Phosphordünger aus alternativen Destinationen wie Nordafrika oder Saudi-Arabien weise in der Regel aber Schwermetallgehalte von mehr als dem Doppelten dieses Grenzwerts auf, gab der Pflanzenbauexperte zu bedenken. Schou zufolge steht die EU, solange das Embargo gegen Russland anhält, vor dem Dilemma, entweder den Einsatz von Phosphordünger aus Regionen mit hohen Cadmiumgehalten zu erlauben oder eine weitere Verteuerung dieses Betriebsmittels in Kauf zu nehmen, wenn diese gereinigt werden müssen.
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