Die dramatisch zunehmende Plastikverseuchung verleiht der Aufgabe, vor der Unterhändler aus aller Welt ab Dienstag in Genf stehen, eine hohe Dringlichkeit: Erneut wird ein Versuch unternommen, ein Uno-Abkommen gegen Plastikmüll zustandezubringen.
Neues Forschungsfeld
Die potenziellen Auswirkungen der winzigen Plastikpartikel im menschlichen Körper auf die Gesundheit sind bisher ungeklärt, es handelt sich um ein neues Forschungsfeld. Wissenschaftler mahnen jedoch, dass schon jetzt Massnahmen gegen mögliche Gesundheitsrisiken ergriffen werden müssten. So erklärte mit Blick auf die Genfer Verhandlungen das Institut für Globale Gesundheit in Barcelona, dass «politische Entscheidungen nicht auf vollständige Daten» zu den Gesundheitsrisiken von Mikroplastik warten könnten.
Mikroplastik wurde in den vergangenen Jahren in den menschlichen Lungen, im Herzen, der Leber, den Nieren, in der Plazenta und im Blut gefunden. Für weltweites Aufsehen sorgte eine Studie, die Anfang des Jahres in der Fachzeitschrift «Nature Medicine» erschien und zu dem Schluss gelangte, dass es eine zunehmende «Tendenz der Konzentration von Mikroplastik im Gehirn» wie auch in der Leber gebe.
Plastik in Grösse eines Kaffeelöffels
Der Leiter der Studie, Matthew Campen von der University of New Mexico, sagte, die in Gehirnen gefundene Menge an Plastikpartikeln entspreche der Grösse eines Plastik-Kaffeelöffels. Auch sagte er, dass Forscher in der Lage seien, zehn Gramm Plastik aus einem gespendeten menschlichen Hirn zu isolieren.
Campens Team hatte das Gehirngewebe von 28 Menschen, die 2016 im US-Bundesstaat New Mexico gestorben waren, mit dem von 24 Menschen verglichen, die dort im Jahr 2024 starben. Die Forscher fanden heraus, dass die Mikroplastikmenge in dem Gewebe von 2024 deutlich höher war als in dem acht Jahre älteren Gewebe.
Erhöhtes Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle
Andere Forscher warnen jedoch vor vorschnellen Schlussfolgerungen aus dieser Studie, die eine relativ schmale Datenbasis hat. Auch wenn die Ergebnisse interessant seien, «sollten sie mit Vorsicht interpretiert» und die ausstehende unabhängige Verifizierung abgewartet werden, sagte der Toxikologe Theodore Henry von der schottischen Heriot-Watt-Universität der Nachrichtenagentur AFP. «Derzeit gehen die Spekulationen über die potenziellen Auswirkungen von Plastikpartikeln auf die Gesundheit weit über die vorliegenden Beweise hinaus», betonte Henry.
Die meisten bisherigen Studien zu den möglichen Folgen von Mikroplastik für die menschliche Gesundheit sind rein «beschreibend», können also keinen kausalen Zusammenhang zwischen den Plastikpartikeln und Erkrankungen herstellen. Im vergangenen Jahr erschien eine solche «beschreibende Studie» im US-Fachmagazin «New England Journal of Medicine». Sie ergab, dass die Ansammlung von Mikroplastik in Blutgefässen mit einem erhöhten Risiko für Herzinfarkten und Schlaganfällen in Verbindung steht. Eine ähnliche Studie für Mikroplastik im Gehirn gibt es nicht.
460 Million Tonnen Plastik pro Jahr
Das Institut für Globale Gesundheit in Barcelona betonte jedoch, es sei auch ohne komplette Daten wichtig, jetzt zu handeln und etwa «Methoden zur Risikobewertung» von Mikroplastik zu verbessern, «bevor es zu einer umfassenden Krise im Bereich der öffentlichen Gesundheit» komme.
Derzeit werden nach Angaben des UN-Umweltprogramms Unep, das die Genfer Verhandlungen organisiert, weltweit etwa 460 Million Tonnen Plastik pro Jahr hergestellt – aber nur die Hälfte davon wird recycelt. Trotz der dramatischen Zunahme der Plastikverseuchung unseres Planeten war eine vorherige Verhandlungsrunde über ein globales Plastikabkommen allerdings im vergangenen Dezember im südkoreanischen Busan gescheitert.