Der Bundesrat erleichtert das Abschiessen von Wölfen in der Schweiz ab dem 1. Juli mit einer Teilrevision der Jagdverordnung. Künftig muss ein Wolf weniger Schäden angerichtet haben, damit er zum Abschuss freigegeben wird. Damit soll die Situation für die betroffenen Gebiete entschärft werden, bis das revidierte Jagdgesetz in Kraft tritt.
Gemäss Mitteilung des Bundesrats leben aktuell rund 250 Wölfe und 26 Rudel in der Schweiz. «Und der Wolfsbestand wächst weiter an», heisst es weiter. Rund 1500 Mal rissen Wölfe im vergangenen Jahr Nutztiere. In neun von zehn Fällen waren es Schafe. In diesem Jahr dürfte sich die Situation auf den Alpen weiter verschärfen. Angesichts dieser Probleme für die Alpwirtschaft will der Bundesrat mehr Wolfsabschüsse ermöglichen.
Der Bundesrat hat am 2. Juni 2023 die revidierte Jagdverordnung genehmigt. Sie wird auf den 1. Juli 2023 in Kraft gesetzt. Die für einen Abschuss massgebende Schaden-Schwelle wird für einzeln herumstreifende Tiere und auch für Wolfsrudel gesenkt.
Schadenschwellen gesenkt
Gemäss der revidierten Jagdverordnung ist neu der Abschuss von Einzelwölfen (nicht zu einem Rudel gehörende Tiere) auch innerhalb von Rudelterritorien möglich. «Erfahrungen aus den letzten Jahren haben gezeigt, dass Einzeltiere auch in Rudelrevieren herumstreifen und Schaden anrichten können», hält der Bundesrat fest.
Für Einzelwölfe, die in Gebieten unterwegs sind, in denen bereits früher Schäden zu verzeichnen waren, hat der Bundesrat die für den Abschuss massgebende Schadenschwelle von 10 auf 6 Nutztierrisse gesenkt. Zudem können neu Einzelwölfe auch abgeschossen werden, wenn eine erhebliche Gefährdung von Menschen besteht.
Grosse Nutztiere: Schadgrenze bei 1 Tier
Auch bei der Regulierung von Rudeln wird die Schadenschwelle gesenkt. Neu können Kantone bei 8 Nutztierrissen statt bisher 10 Rissen beim Bundesamt für Umwelt (Bafu) Regulierungsabschüsse beantragen. In den Regionen mit mehr als einem Rudel dürfen die Kantone stärker regulieren als bisher.
Neu werden nicht nur von Wölfen getötete, sondern auch schwer verletzte Rinder, Pferde sowie zum Beispiel Lamas oder Alpakas als grosser Schaden angerechnet. Die Schadengrenze bei grossen Nutztieren liegt neu bei einem Tier statt bisher zwei Tieren. Diese Bestimmung gilt sowohl bei Regulationseingriffen in Rudeln als auch bei Massnahmen gegen einzelne Wölfe.
Gefahr von Mensch: Abschuss sofort möglich
Eine Verschärfung gibt es auch bei Wölfen, die sich Menschen nähern. Ein Wolf eines Rudels kann unverzüglich abgeschossen werden, wenn er plötzlich und unvorhergesehen Leib und Leben von Menschen bedroht. «Ein solcher Abschuss ist ohne die Zustimmung des Bundesamts für Umwelt möglich», schreibt der Bundesrat.
Für die Verstärkung des Herdenschutzes hat der Bundesrat zudem zusätzliche 4 Millionen Franken gesprochen. Mit dem Geld werden Sofortmassnahmen finanziert, die die Kantone beantragen können.
Regulierung trotz Schutz möglich
Wölfe sind geschützt. Gemäss Berner Konvention ist eine Regulierung möglich, wenn andere Massnahmen nicht genügen und die Art trotz Abschüssen überleben kann. Die nun erlassenen Massnahmen zur Regulierung könnten in Übereinstimmung mit diesem Standard interpretiert werden, schreibt der Bundesrat.
Im vergangenen Winter hat das eidgenössische Parlament beschlossen, die Jagd auf den Wolf zu vereinfachen. Die Kantone sollen Wölfe von 1. September bis 31. Januar regulieren dürfen, mit Zustimmung des Bundes. Abschüsse sollen Schäden und Gefährdungen verhindern, dürfen aber die Population nicht gefährden. Voraussetzung für Abschüsse ist auch, dass Herdenschutz mit zumutbaren Massnahmen nicht möglich gewesen ist. Ein lanciertes Referendum kam im Frühjahr nicht zu Stande. In Kraft ist das neue Gesetz noch nicht.
Die Revision war ein neuer Anlauf zur Revision des Jagdgesetzes. 2020 scheiterte an der Urne eine Vorlage, mit der die Wolfsjagd neu geregelt worden wäre. Bei einem Ja hätten Wölfe geschossen werden dürfen, bevor sie Schaden angerichtet haben. Die Gegnerinnen und Gegner sprachen damals von «Abschüssen auf Vorrat».
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