Seit dem Rücktritt des St. Gallers Walter Müller 2018 in der vergangenen Legislatur war kein einziger FDP-Landwirt mehr in Bundesbern vertreten war. Unter anderem Martin Birrer will diese Lücke jetzt schliessen.
Vertritt liberale Interessen der Bauern
Es ist ruhig geworden um die bäuerlichen FDP-National- und Ständeräte. «Kein Wunder», mag es manchem Bauern in den Ohren klingeln. Scheinen sie doch weniger denn je miteinander vereinbar, die Grundsätze einer freiheitlich-liberalen Wirtschaftspolitik mit den Argumenten einer protektionistischen, bauernfamilienorientierten Schweizer Agrarpolitik. Es verwundert denn auch wenig, dass seit dem Rücktritt des St. Gallers Walter Müller 2018 in der vergangenen Legislatur kein einziger FDP-Landwirt mehr in Bundesbern vertreten war.
So lag es in den vergangenen vier Jahren in erster Linie am ehemaligen Direktor des Schweizer Bauernverbandes (SBV) Nationalrat, Jacques Bourgeois (FDP, FR), die bäuerlichen Interessen in die liberale Fraktion unter der Bundeshauskuppel zu tragen.
Mutterkuhhalter nominiert
Das könnte sich diesen Herbst freilich wieder ändern. Nebstdem sich auch der neue SBV-Direktor Martin Rufer um einen Sitz als FDP-Nationalrat bewirbt, werfen auch aktive Landwirte ihre Hüte für die FDP bei den eidgenössischen Parlamentswahlen in den Ring. So zum Beispiel auch Martin Birrer aus dem luzernischen Emmen. Die Liberalen Hochdorf haben den Mutterkuhhalter offiziell für die Nationalratswahlen vom 22. Oktober 2023 nominiert.
Ende Juni fand auf dem Hof von Birrer die Generalversammlung der Ortspartei statt, welche Birrer präsidiert. Gelegenheit für den «Schweizer Bauer», vorbeizuschauen.
Platz für Melkstand
Wie seine politische Karriere richtet Birrer gerade auch seinen Landwirtschaftsbetrieb für die Zukunft aus. Der Hof des 50-Jährigen ist derzeit eine grosse Baustelle. Auch dies ein ambitioniertes Projekt. Es entsteht ein neuer Stall mit 67 Meter Länge und 40 Meter Breite ‒ stützenfrei.
Den imposanten Bau stellt Birrer bereits mit einem Blick auf die nächste Generation. Zwar werde der Stall jetzt für 48 Limousin-Mutterkühe sowie 8 Pferdeboxen gebaut, aber: «Meine Tochter hat Freude an Milchkühen, wer weiss», meint Birrer. Leerrohre sowie Platz für einen etwaigen Melkstand seien vorgesehen. «Was wir nicht wollen, sind Wohnwagen oder sonstige nichtlandwirtschaftliche Nutzung.» Ein Bau mit Weitblick und klaren Abgrenzungen. Eine Strategie, die Birrer nicht nur für seinen Landwirtschaftsbetrieb, sondern auch in Bern verfolgen möchte – oder besser gesagt muss.
Keine Angst vor Importen
Denn offenkundig ist, dass Birrer mit seiner neuen Halle auf den Rindfleischmarkt setzt und damit also in eine Branche investiert, die heute noch sehr stark durch Zölle geschützt ist. Zölle, die vielen pharma- oder industrienahen FDP-Bundespolitikern seit Langem ein Dorn im Auge sind. Birrer sieht hier nur bedingt ein Dilemma. «Ich bin überzeugt, dass nachhaltig und einheimisch produzierte Produkte immer einen Absatz finden werden, ganz gleich wie billig Importware in die Schweiz kommt.»
Schweizer Konsumenten hätten in den vergangenen Jahren eine sehr grosse Sensibilität für nachhaltig produzierte Lebensmittel entwickelt. Davon zeugten die zahlreichen Labels in Regalen der Supermärkte. «Hier treffen wir mit unserem strengen Tierschutz oder Ökoauflagen den Nerv der Zeit», so Birrer.
Direktzahlungssystem ist diskutierbar
Auch über das bestehenden Direktzahlungssystem sei er bereit zu diskutieren. Dieses behindere teils die strukturelle sinnvolle Entwicklung der Schweizer Landwirtschaft. Trotz oder wegen solcher klaren Haltungen gilt Birrer in seinem Wahlkreis als authentisch und fungiert deshalb oft als Vermittler. Sein Hof, direkt am Flugplatz der 32’000 einwohnerstarken Gemeinde Emmen gelegen, steht auf dem Stadt-Land-Graben.
Das hat Birrer geprägt und er kann landwirtschaftliche Themen auch einer urbanen Bevölkerung nahebringen. Eine Qualität, die ihm bisher oft Türen geöffnet und nun vielleicht ein Ticket nach Bern löst.
Zur Person
Martin Birrer ist 50 Jahre alt und bewirtschaftet mit seiner Frau in Emmen einen 20-Hektaren-Betrieb mit Mutterkühen. Birrer hat zwei Töchter, Nina ist ausgebildete Pferdefachfrau und Lea steht kurz vor dem Abschluss der Ausbildung Landwirtin EFZ.
Nebst Familie, Kantonsrat, Präsident der Ortspartei ist er teilzeitangestellt bei der Futtermittelfirma Utro Fikovit AG. rb