Pflanzenschutzmittel mit dem Wirkstoff Chlorothalonil wurden seit den 1970er-Jahren in der Schweiz eingesetzt. Wegen Gesundheitsbedenken verbot sie der Bund per 1. Januar 2020. «Abbauprodukte, so genannte Metaboliten, von Chlorothalonil sind aber nach wie vor im Grund- und dadurch im Trinkwasser auffindbar», teilt das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) am Mittwoch mit.
Sanierungsmassnahmen
In gewissen Regionen übersteigen die Konzentrationen im Trinkwasser den erlaubten Höchstwert (mehr dazu im Kasten unten) von 0,1 Mikrogramm pro Liter. Der Wert enthalte eine grosse Sicherheitsmarge, so das BLV weiter. Es bestehe keine «akute» Gesundheitsgefahr. «Für den Bundesrat müssen die Höchstwertüberschreitungen ernst genommen werden. Es gilt das Prinzip des vorsorglichen Gesundheitsschutzes», heisst es weiter. Die Bevölkerung habe Anrecht auf «rechtskonformes Trinkwasser».
Wasserversorgungen, deren Trinkwasser den Höchstwert überschreitet, müssen unter der Aufsicht des kantonalen Vollzugs Sanierungsmassnahmen umsetzen. Zu den Sanierungsmassnahmen gehören das Mischen mit unbelastetem Wasser, die temporäre Schliessung von belasteten Fassungen oder der Einkauf von Wasser aus benachbarten Wasserversorgungen. Technische Aufbereitungsanlagen sollen nur installiert werden, wenn die rasch umsetzbaren Massnahmen nicht möglich oder schon ausgeschöpft sind. Die Aufbereitung von verschmutztem Wasser dürfe keine permanente Lösung sein, das Bundesamt weiter. Der Fokus liege auf dem vorsorglichen Gewässerschutz, damit schädliche Stoffe gar nicht erst ins Grundwasser gelangen.
Kosten
Für die Aufbereitung des Trinkwassers wären je nach Variante geschätzte Investitionskosten im Umfang von 54 Millionen bis 818 Millionen Franken nötig, schrieb das BLV. Die jährlichen Gesamtkosten beliefen sich auf 13 bis 74 Millionen Franken. «Für einen vierköpfigen Haushalt würde sich die Trinkwasserrechnung durchschnittlich um weniger als hundert Franken pro Jahr zur Entfernung von Chlorothalonil-Metaboliten erhöhen», schreibt das BLV im Bericht. Die meisten Wasserversorger haben Sanierungsmassnahmen eingeleitet.
An den geltenden Zuständigkeiten und dem Finanzierungssystem zwischen Wasserversorgungen, Gemeinden, Kantonen und Bund will der Bundesrat festhalten. «Die Kosten für die Chlorothalonil-Sanierung zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands müssen entsprechend von den Wasserversorgungen getragen werden», schreibt das BLV.
Gemäss Schätzungen im Bericht hat von 2019 bis 2021 durchschnittlich ein Zehntel der Bevölkerung Trinkwasser konsumiert, welches den Höchstwert für Chlorothalonil überschritten hat. Der Anteil der Bevölkerung, das von kontaminiertem Trinkwasser betroffen ist, wird sich über die nächsten 5 bis 15 Jahre durch den natürlichen Rückgang der Konzentration im Grundwasser deutlich reduzieren.
-> Den ganzen Bericht gibt es hier
Sehr tiefer Grenzwert
Das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) bewilligte den Einsatz von Chlorothalonil in den 1970er-Jahren. Der Wirkstoff wurde im Getreide-, Gemüse-, Wein- und Zierpflanzenbau gegen Pilzbefall eingesetzt. 2019 geriet das Fungizid international in den Fokus. Aufgrund neuer Forschungsergebnisse hat der Bund Chlorothalonil als «wahrscheinlich krebserregend» bezeichnet und die Anwendung per Anfang 2020 verboten. Dies deshalb, weil auch im Grund- und Trinkwasser möglicherweise gesundheitsgefährdende Rückstände nachweisbar sind.
Im Dezember 2019 hatte das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) alle Abbauprodukte (Metaboliten) von Chlorothalonil als Trinkwasser-relevant eingestuft. 2017 wurden erstmals Metaboliten im Grundwasser nachgewiesen. Für diese Stoffe gilt somit ein Höchstwert von 0,1 Mikrogramm pro Liter für Trinkwasser, der in diesem Fall auch für das Grundwasser als Grenzwert gültig ist.
Von Fachexponenten wurde der Höchstwert als sehr tief angesetzt kritisiert. Der Berner Kantonschemiker Otmar Deflorin sagte im Januar 2020 gegenüber der Zeitung «Der Bund»: «Bis vor kurzem liessen sich tiefere Werte gar nicht messen.» Zudem brauche es in der Regel eine gewisse Menge, bis eine Substanz toxisch, also giftig sei. Für Chlorothalonil gilt eine lebenslängliche Tagesdosis von 15 Mikrogramm pro Kilo Körpergewicht als unbedenklich. «Um diese Dosis zu erreichen, müsste man also 150 Liter Wasser pro Kilo Körpergewicht trinken, sofern der Grenzwert eingehalten wird», sagte Deflorin. Trotzdem sei er «dezidiert» der Meinung, dass die Chlorothalonil-Abbauprodukte nicht ins Wasser gehörten.
Arzneimittel, Kosmetika usw. nicht vergessen