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Deshalb will der Bundesrat das AKW-Bauverbot kippen

Energie- und Umweltminister Albert Rösti hat am Mittwoch in Bern vor den Medien den Plan des Bundesrats begründet, das AKW-Bauverbot aus dem Gesetz zu streichen. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

sda |

Energie- und Umweltminister Albert Rösti will der Aufhebung des Bauverbots von neuen AKWs einem Anliegen der Volksinitiative «Jederzeit Strom für alle (Blackout stoppen)» Rechnung tragen. Er bereitet einen indirekten Gegenvorschlag vor. Das Parlament könnte womöglich schon gegen Ende nächsten Jahres darüber beraten.

«Jetzt handeln»

«Das bestehende Neubauverbot für Kernkraftwerke ist mit dem Ziel der Technologieoffenheit nicht vereinbar und birgt darüber hinaus auch Risiken für den Rückbau bestehender Anlagen», begründete der Bundesrat seinen Richtungswechsel. Es sei offen, ob der Ausbau der erneuerbaren Energien rasch genug erfolgen werde, um die wegfallenden Kapazitäten und den steigenden Strombedarf rechtzeitig decken zu können.

Pläne für ein neues AKW gab es zuletzt weder beim Bund noch bei den Energieunternehmen. Neue AKWs dürfte es ohne massive Subventionen nicht geben. Für Rösti ist klar: Solange ein Verbot bestehe, machten sich die Firmen auch keine Gedanken über neue Projekte. «Wir müssen jetzt handeln, um später bereit zu sein.»

Sieben Jahre nach dem Atomausstieg

Gemäss dem Bundesrat könnte die AKW-Option den Bau von Anlagen mit erneuerbarer Energie beschleunigen. Sie könne den Druck erhöhen, dass es bei diesen Anlagen endlich vorwärtsgehe.

Die Schweiz hatte nach dem Reaktorunfall von Fukushima in Japan 2011 den schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen. 2017 sprach sich das Volk mehrheitlich für den Atomausstieg aus. Der Bau neuer Kernkraftwerke ist seitdem verboten. Die vier laufenden AKWs dürfen am Netz bleiben, solange sie sicher sind.

Was gilt heute?

Das Schweizer Stimmvolk hatte vor sieben Jahren den Ausstieg aus der Atomkraft beschlossen. Neue AKWs dürfen daher nicht mehr gebaut werden. Die vier bestehenden Kernkraftwerke in Gösgen SO, Leibstadt AG und Beznau AG dürfen in Betrieb bleiben, solange sie sicher sind. Die im Februar eingereichte Volksinitiative «Blackout stoppen» verlangt allerdings eine Aufhebung des AKW-Bauverbots.

Wie steht es um die Energieversorgung? 

Laut Rösti funktioniert die Energieversorgung gut. Trotzdem gehöre ein Blackout zu den grössten volkswirtschaftlichen Risiken mit einem Schadenspotenzial in «hoher Milliardenhöhe». Die inländische Stromversorgung auch längerfristig zu sichern, sei deshalb seine «oberste Devise».

Reicht der Ausbau der Erneuerbaren nicht aus?

Der Ausbau von Wasserkraftwerken, Solar- und Windparks hat für Rösti weiterhin «höchste Priorität». Jedoch würden viele Projekte durch Beschwerden massiv verzögert. Bei alpinen Solaranlagen komme die technische Komponente hinzu: Die Machbarkeit solcher Kraftwerke sei schwieriger und teurer als zunächst angenommen. Der Bundesrat müsse langfristig denken, sagte Rösti. Falls der Ersatz der bestehenden AKWs nicht mit Erneuerbaren bewerkstelligt werden könne, sollten neue AKWs eine Option sein. «Dieses Land braucht mehr Strom – je schneller, desto besser.»

Was der Bundesrat zur Kernenergie?

Die Kernenergie gehöre zu den «klimaschonenden Technologien», sagte Rösti. Der Bundesrat wolle daher die Rahmenbedingungen so definieren, dass grundsätzlich auch moderne AKWs gebaut werden könnten. Die Energieunternehmen könnten künftig ein Gesuch stellen, «wenn sie das als opportun erachten würden». Dieser Schritt stelle den Ausbau der Erneuerbaren nicht infrage. Klar sei weiter, dass Kernenergie-Fachkräfte in der Schweiz gehalten werden müssten. «Junge Kernphysiker gehen nicht gerne in einen Markt, wo es ein Technologieverbot gibt», sagte Rösti.

Würde der Bund neue AKWs mitfinanzieren? 

Rösti blieb bei dieser Frage vage. Einerseits sagte er, dass der Bund keine Kraftwerke bauen werde. Andererseits schloss er die Option einer Finanzierung des Bundes nicht aus. «Die Technologieoffenheit schafft Handlungsoptionen, das will der Bundesrat – nicht mehr und nicht weniger.» Es gebe aber keine Anfrage, ein konkretes AKW-Projekt umzusetzen. «Wir werden kein AKW bauen, wenn genügend andere Stromquellen da sind.»

Was hat sich seit dem Atomausstieg 2017 geändert?

Laut Rösti hat in den vergangenen Jahren auf dem Strommarkt ein «Paradigmenwechsel» stattgefunden. Vor sieben Jahren sei der komplette Ausstieg aus fossilen Brennstoffen noch kein Thema gewesen. Zudem habe sich die geopolitische Lage in Europa mit dem Krieg in der Ukraine «massiv verschärft». Die Importmöglichkeiten seien seither eingeschränkt. Nicht zuletzt sei das Bevölkerungswachstum stärker als damals angenommen. Damit steige auch die Nachfrage nach Strom schneller.

Weshalb lehnt der Bundesrat die Initiative «Blackout stoppen» ab?

Das AKW-Neubauverbot kann laut Rösti auch mit einer Gesetzesrevision gestrichen werden; es braucht dazu keine Verfassungsänderung. Zudem wolle die Initiative die Verantwortlichkeiten bei der Stromversorgungssicherheit neu regeln, was der Bundesrat ablehne. «Die Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Kantonen funktioniert grundsätzlich.» Der Bundesrat sage aber vor allem Nein zu Initiative, weil bei einem Ja der Betrieb von Gasreservekraftwerken gefährdet wäre. «Das ist nicht zu verantworten.»

Wie schätzt der Bundesrat die Chancen seines Vorschlags ein? 

Dass der Ausstieg aus dem Atomausstieg im Parlament bisher keine Mehrheiten gefunden hat, ist Rösti bewusst. Der Bundesrat wolle nun aber eine fundierte Auseinandersetzung – mit einer ordentlichen Vernehmlassung. Falls das Parlament dem Vorschlag des Bundesrats zustimme, werde die Bevölkerung darüber entscheiden. Das sei «gut, richtig und wichtig».

Wie kommt der Entscheid an? 

SP, Grüne und Grünliberale laufen in ersten Reaktionen Sturm. Sie und mehrere Umweltverbände werfen der Landesregierung die Missachtung des Volkswillens vor. Die Gegner warnen bei der Atomkraft vor Risiken für Mensch und Umwelt. Zudem seien die Kosten für den Bau eines neuen Kraftwerks unberechenbar. Die Grünen hatten einem möglichen Neubau von Atomkraftwerken bereits Mitte August an ihrer Parteiversammlung den Kampf angesagt und ein Referendum angekündigt. Auf der anderen Seite begrüsst das Nuklearforum Schweiz den Beschluss. Die Aufhebung des Neubauverbots in der Schweiz würde einen wichtigen Schritt hin zu einer sicheren und klimafreundlichen Stromversorgung markieren, wird argumentiert. Ebenso notwendig seien eine Vereinfachung der Bewilligungsverfahren und Rechtssicherheit während der Projektierungs- und Bauphase, um Neubauprojekte in der Schweiz wieder zu ermöglichen.

Wie geht es weiter? 

Der Bundesrat hat angekündigt, bis Ende Jahr eine Vorlage zur Anpassung des Kernenergiegesetzes zu erarbeiten. Konkret will er einen indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Blackout stoppen» erarbeiten. Die Vernehmlassung soll bis Ende März 2025 dauern. Danach wird das Parlament die Initiative und den Gegenvorschlag beraten.

Kommentare (2)

Sortieren nach:Likes|Datum
  • Gesunder Menschenverstand | 29.08.2024
    Das AKW-Bauverbot aus dem Gesetz zu streichen, ist klug!
    Wenn sich die Lage ändert, muss man eine früher gemachte Entscheidung überdenken und handeln, das machen auch erfolgreiche Unternehmen!
  • Kollege | 29.08.2024
    Die wachsende Elektromobilität und vor allem der künftig enorme Bedarf an Winterstrom aufgrund von Wärmepumpen anstatt Ölheizungen, erfordert eine sichere Stromversorgung. Mit PV und Wind klappt das mangels fehlender Saisonspeichermöglichkeiten nicht. Kernkraft ist derzeit die einzige nichtfossile Alternative.
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