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EU: «Flächenprämien sind Auslaufmodell»

Der Reformvorschlag der EU-Kommission zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ab 2027 stösst bei führenden Agrarökonomen in Deutschland auf scharfe Kritik. Statt klare Anreize für Umwelt- und Klimaschutz zu setzen, halte Brüssel am überholten System pauschaler Flächenprämien fest. Zugleich fehlt es laut Experten an Daten, Transparenz – und politischem Mut zur echten Neuausrichtung.

AgE |

Der Vorschlag der EU-Kommission zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nach 2027 wird von deutschen Agrarökonomen überwiegend skeptisch bewertet. Gegenüber Agra Europe äussern mehrere Wissenschaftler deutliche Kritik daran, dass die Direktzahlungen weiter fortgeführt werden sollen. Dass den Mitgliedstaaten mehr Spielräume zur Politikgestaltung eingeräumt werden, werten sie dagegen tendenziell positiv.

Nach Ansicht des Direktors der Denkfabrik Agora Agrar, Harald Grethe, hat die Kommission mit ihrem ersten Aufschlag eine Chance verpasst. Anstatt die GAP auf die Honorierung gesellschaftlich gewünschter Leistungen auszurichten, halte sie am «Auslaufmodell» der flächenbasierten Einkommensstützung fest.

An regionalen Prioritäten orientieren

Damit falle sie hinter das Ergebnis der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) zurück, kritisiert Grethe. Ihm zufolge fliessen aktuell zwei Drittel der GAP-Gelder in pauschale Zahlungen wie Flächenprämien, lediglich ein Drittel in Gemeinwohlleistungen. «Dieses Verhältnis sollte umgekehrt werden», empfiehlt der Berliner Agrarökonom.

Eine Chance sieht Grethe in der grösseren Flexibilität, die den Mitgliedstaaten eingeräumt werden soll. Für Deutschland biete dies die Gelegenheit, «die Gelder gezielter einzusetzen und stärker an regionalen Prioritäten und Gegebenheiten zu orientieren».

Zweifel an der Legitimation der Zahlungen

Für Peter Feindt von der Berliner Humboldt-Universität kehrt die EU-Kommission mit ihrem Vorschlag zum alten Vorrang der Einkommensstützung zurück. Die bisherige Zweite Säule trete hingegen in einen Verteilungskampf im Rahmen der geplanten nationalen und regionalen Partnerschaftsfonds (NRP). Würden dann auch noch die GLÖZ-Standards (neun Standards für den guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand von Flächen) wegfallen, werde die Begründung der Agrarzahlungen durch Leistungen für Umwelt und Nachhaltigkeit weitgehend aufgegeben, so Feindt.

«Ob das zur Legitimation so gewaltiger Geldsummen ausreichen wird, ist eine offene Frage», gibt der Wissenschaftler zu bedenken. Er weist darauf hin, dass die Direktzahlungen zudem in erheblichem Masse an Landbesitzer und den vor- und nachgelagerten Sektor durchgereicht würden und letztlich nicht in den Betrieben verblieben.

Umverteilung hin zu kleineren Betrieben

Der Professor für Agrarpolitik an der Universität Göttingen, Stephan von Cramon-Taubadel, begrüsst, dass in Brüssel über weitreichende Reformschritte nachgedacht wird: «Es ist gut, dass die Kommission eine grundsätzliche Diskussion über europäische Prioritäten und darüber, welche agrarpolitischen Zuständigkeiten in Brüssel und welche besser national und regional anzusiedeln sind, anstösst.»

Cramon-Taubadel hält der Kommission zugleich vor, sie setze mit den Flächenprämien die falschen Prioritäten. Auch wenn durch Degression und Kappung eine Umverteilung hin zu kleineren Betrieben beschlossen werden sollte, bliebe die Einkommensstützung nicht ausreichend zielgerichtet.

Kommission im Blindflug

«Klein bedeutet nicht automatisch bedürftig», gibt von Cramon-Taubadel zu bedenken. Der Europäische Rechnungshof (EuRH) habe mehrfach festgestellt, dass die Kommission über keine repräsentativen Daten zum verfügbaren Einkommen der landwirtschaftlichen Haushalte in der EU verfüge. Zwar gebe es Daten zu den landwirtschaftlichen Einkommen dieser Haushalte, aber nicht über ihre «in vielen Fällen erheblichen nicht-landwirtschaftlichen Einkommen». Laut dem Wissenschaftler befindet sich die Kommission in dieser Hinsicht «grösstenteils im Blindflug».

Etwas abgewinnen kann der Göttinger Agrarökonom dagegen dem Vorschlag, mehr Verantwortung auf die Mitgliedstaaten zu übertragen. Es sei angesichts der Heterogenität der Landwirtschaft «nicht unbedingt falsch, bestimmte Aufgaben stärker in nationale und regionale Verantwortung zu geben». Die Kommission müsse allerdings wachsam bleiben, dass es auf dem Binnenmarkt nicht zu Wettbewerbsverzerrungen komme.

Spielräume tatsächlich nutzen

Der Leiter des Forschungsbereichs «Klimaresilienz» am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), Hermann Lotze-Campen, sieht im Entwurf für die GAP «einige interessante Ansätze». So gebe es beispielsweise klare Bekenntnisse zu den übergeordneten EU-Zielen in den Bereichen Klimaschutz, Bodenschutz und dem Schutz von Gewässern, Feuchtgebieten und Mooren.

Für Lotze-Campen bleibt allerdings abzuwarten, «wie die weiteren politischen Verhandlungen zu diesem Entwurf vorangehen, und ob die Mitgliedstaaten ihre Spielräume tatsächlich nutzen, um zum Beispiel das Ambitionsniveau beim Klimaschutz hochzuhalten».

Zahlungen stärker an Klimaschutz koppeln

«Für die Einhaltung der Klimaziele sind die nächsten 20 Jahre von grösster Bedeutung, um zukünftige hohe klimabedingte Schäden zu vermeiden», mahnt Lotze-Campen. Seinen Angaben zufolge wäre es daher wünschenswert, wenn die Direktzahlungen deutlich stärker an Klimaschutz, den Erhalt der Artenvielfalt und den Abbau von Stickstoffüberschüssen gekoppelt würden.

Nach Ansicht des Wissenschaftlers wäre es zudem sinnvoll, die Einbindung der Agrar- und Ernährungswirtschaft in das europäische Emissionshandelssystem (ETS) voranzutreiben. «Hier ergäbe sich die Chance, einen langfristig verlässlichen Politikrahmen für den Klimaschutz im Agrar- und Ernährungssektor zu schaffen», so Lotze-Campen.

Umverteilung in Deutschland

Kritisch gegenüber den Vorschlägen der EU-Kommission hatte sich zuvor auch der Direktor des Leibniz-Instituts für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO), Alfons Balmann, gezeigt. Nach seiner Einschätzung droht durch Degression und Kappung der Direktzahlungen eine Umverteilung von Geldern vom ökonomisch schwachen Osten der Bundesrepublik in die wohlhabenderen südlichen Bundesländer. Zudem würden strukturelle Probleme der europäischen Landwirtschaft verfestigt anstatt gelöst.

Kommentare (1)

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  • Gesunder Menschenverstand | 31.07.2025

    Klimaschutz, das neue Modewort.


    Klima hat sich schon immer gewandelt, z b. Mittelalterliche Warmzeit, als in England Wein produziert wurde.


    Klimaerwärmung hat weniger mit CO2 zu tun, eher mit vermehrter Sonneneinstrahlung. Bauern sollen wissen, bei mehr Sonnenschei ist es wärmer.

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