Die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen der Efta-Staaten mit den Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay verzögert sich auf unbestimmte Zeit. Man stehe in Kontakt mit den Mercosur-Staaten, teilte das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) am Mittwoch auf Anfrage mit.
Im August 2019 hatte Wirtschaftsminister Guy Parmelin in Buenos Aires erklärt, die Schweiz habe sich im Verbund mit den Efta-Staaten Norwegen, Island und Liechtenstein mit dem südamerikanischen Staatenblock Mercosur auf einen Handelsvertrag geeinigt.
Im Fokus des Abkommens steht der Abbau von Zöllen. 95 Prozent der Ausfuhren aus der Schweiz sollen zollbefreit werden. Angesichts der hohen Zölle, die bislang von den Mercosur-Staaten erhoben wurden, ermöglicht das Abkommen gemäss dem Eidgenössischen Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) jährlich Zolleinsparungen von über 180 Millionen Franken. Der durchschnittliche Zollansatz auf Schweizer Exporten liegt bei 7 Prozent mit Zollspitzen bis zu 35 Prozent.
zvg
Erhebliche Meinungsverschiedenheiten
Gemäss dem ursprünglichen Fahrplan sollte der Vertrag noch 2019 definitiv unter Dach und Fach gebracht werden. Wie die «Neue Zürcher Zeitung» am Mittwoch vermeldete, wartet die Schweizer Exportwirtschaft aber immer noch auf die Unterzeichnung des Handelspaktes. Zunächst habe es geheissen, die Corona-Krise, die Südamerika besonders heftig erfasst hatte, habe den Abschluss gebremst.
Wegen der Reisebeschränkungen sei es nicht möglich gewesen, die noch ausstehenden Arbeiten zu Ende zu bringen. Nach und nach sei aber klar, dass erhebliche Meinungsverschiedenheiten unter den Vertragspartnern einen Abschluss verhinderten.
Unterschiedliche Interpretationen
Seco-Sprecher Michael Wüthrich, der sich auch gegenüber der NZZ geäussert hatte, bestätigte auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA, dass «die Verhandlungen mit Mercosur in der Substanz abgeschlossen werden konnten». Bei der juristischen Überprüfung sei es aber aus verschiedenen Gründen zu grösseren Verzögerungen gekommen.
Zudem hat sich laut Wüthrich gezeigt, dass «hinsichtlich einiger inhaltlicher Punkte unterschiedliche Interpretationen bestehen, die noch geklärt werden müssen, wie etwa bezüglich technischen Fragen im Zusammenhang mit Ursprungsregeln». Weitere Angaben dazu machte der Seco-Sprecher nicht. Man stehe in Kontakt und sei bestrebt, die offenen Fragen zu lösen. Noch sei aber unklar, bis wann diese geklärt werden könnten.
260 Millionen Einwohner
Die vier südamerikanischen Staaten erwirtschaften mit insgesamt 260 Millionen Einwohnern ein Bruttoinlandprodukt im Umfang von rund 2,4 Billionen US-Dollar. Noch offen bleibt, ob und wann Bolivien dem Pakt beitritt. Sechs weitere Staaten sind zudem assoziierte Mitglieder.
Die Schweiz exportiert heute Güter im Wert von etwa 3,6 Milliarden Franken pro Jahr in die Mercosur-Staaten. Das meiste davon sind chemisch-pharmazeutische Produkte, also Medikamente. Sie machen rund drei Viertel der Schweizer Exporte aus. Mit knapp einem Fünftel sind Maschinen und Elektronikprodukte die zweitgrösste Exportklasse.
Auf der Gegenseite liefern die Mercosur-Staaten vor allem Nahrungsmittel in die Schweiz. Nahrungs- und Genussmittel machen einen Anteil von 57 Prozent an den gesamten Importen aus. Dabei stechen Kaffee und Fleisch als wichtigste Exportgüter heraus. Im Agrarbereich gewährt die Schweiz etwa für Fleisch, Käse, Speiseöle, Weizen, Früchte, Gemüse, Rotwein oder Futtergetreide jährliche Konzessionen.
Regierungswechsel
Die NZZ machte zwei Gründe aus, aufgrund derer das Abkommen noch scheitern könnte: Erstens den Regierungswechsel in Argentinien an Alberto Fernandez und zweitens das Ringen der Europäischen Union um ein Abkommen mit dem Mercosur.
Wie die Efta hatte auch Brüssel vor drei Jahren im Grundsatz eine Einigung erzielt. Jedoch machten das EU-Parlament und auch viele Mitgliedstaaten klar, dass sie den Vertrag in der bestehenden Form nicht annehmen wollten, da verbindliche Verpflichtungen zu Umwelt- und Sozialstandards sowie zum Schutz der Menschenrechte fehlten.
Die Schweizer Exporteure sollten dank dem Abkommen die meisten Produkte zollfrei nach Südamerika liefern können. Für Käse, Kaffee und Schokolade soll sich mit Abkommen die Exportbedingungen verbessern. Im Gegenzug sollen aus den vier Ländern 3000 Tonnen Rindfleisch, 1000 Tonnen Pouletfleisch, 2000 Tonnen Soja- und Erdnussöl und 1500 Tonnen Weizen zollfrei in die Schweiz kommen.