Am 25. September entscheidet das Stimmvolk über die Initiative gegen Massentierhaltung. Die Detailhändler haben sich bis jetzt zurückgehalten. Migros-Chef Fabrice Zumbrunnen spricht sich nun deutlich gegen das Begehren aus.
Die Initiative «Keine Massentierhaltung in der Schweiz» verlangt eine Verfassungsänderung zur landwirtschaftlichen Tierhaltung. Der Bund soll die Würde des Tieres in der landwirtschaftlichen Tierhaltung schützen.
Bio-Suisse-Richtlinien von 2018
Konkret sollen Kriterien festgelegt werden für eine tierfreundliche Haltung und Pflege, den Zugang der Tiere ins Freie und die Schlachtung. Ebenso soll der Bund bestimmen, wie viele Tiere höchstens zusammen in einem Stall untergebracht werden dürfen.
Tiere und Tierprodukte, die mit in der Schweiz verbotenen Methoden produziert worden sind, dürfen gemäss Initiative nicht importiert werden. Für die Umsetzung der Initiative sind maximale Übergangsfristen von 25 Jahren vorgesehen. Die gesetzlichen Ausführungsbestimmungen sollen drei Jahre nach dem Ja in Kraft sein und sich an den Bio-Suisse-Richtlinien von 2018 orientieren.
«Schweiz bei Tierwohl Vorreiterin»
Die Schweizer Detailhändler, insbesondere Coop und Migros, hielten sich bis jetzt zurück. Obwohl beide Unternehmen eigene Schlachtbetriebe (Coop mit Bell und Migros mit Micarna) unterhalten, haben sie sich in der Öffentlichkeit nicht klar positioniert. Diese Woche sagte die Migros-Medienstelle gegenüber «Schweizer Bauer», dass sich CEO Fabrice Zumbrunnen diese Woche in einer grossen Schweizer Zeitung zur Massentierhaltungsinitiative äussern werde.
Gegenüber dem «Blick» bezog nun der Migros-Chef deutlich Position. «Tierwohl ist uns sehr wichtig. Wir bemühen uns heute schon, unsere Fleischprodukte so nachhaltig wie möglich zu produzieren», so der 53-Jährige. In den letzten Jahrzehnten seien in der Schweiz massive Fortschritte erzielt worden.
Ernährungssicherheit nicht gewährleistet
Die Schweiz sei in Sachen Tierwohl Vorreiterin, die hiesigen Betriebe seien deutlich kleiner als jene im Ausland. Für Zumbrunnen deshalb klar: «Diese Initiative ist unnötig und nicht zielführend.» Er bringt den Selbstversorgungsgrad ins Spiel. Dieser sei für das Land zentral. Bei einem Ja sinke dieser beim Poulet von 58 auf 5 Prozent, bei den Eiern von 56 auf 20 Prozent und beim Schweinefleisch von 92 auf 50 Prozent. Er bezieht sich dabei auf eine Studie der Fachhochschule Nordwestschweiz.
«Die Ernährungssicherheit, die während der Covid-Krise so gelobt wurde, wäre nicht mehr gewährleistet, wenn wir nur noch Bio haben, wie es die Initiative verlangt», sagte Zumbrunnen zu «Blick». Er verhehlt auch nicht, dass die Migros mit der Micarna über eine grosse Verarbeitungstochter verfügt. Diese wäre von einem Ja enorm betroffen, stellt er klar. Aber nicht nur sie, sondern die gesamte Wertschöpfungskette. Eine Annahme wäre für den Migros-Chef eine Revolution. Denn nur einer von zehn Betriebe produzieren nach Bio-Richtlinien.
Ob sich die Migros finanziell an der Abstimmungskampagne gegen die Initiative engagiert, geht aus dem Interview nicht hervor.
«Kunden weichen auf günstigere Produkte aus»
Zumbrunnen argumentiert aber auch mit dem Faktor Preis. Die Migros merke, dass die Konsumenten in den vergangenen Wochen vermehrt auf den Preis achteten. «Statt Premiumprodukte oder Bio-Fleisch kaufen sie vermehrt günstigere Produkte und Aktionsartikel. Wir spüren, dass das Portemonnaie nicht mehr so locker sitzt», so Zumbrunnen zu «Blick». Wegen der Teuerung verkaufe die Migros mehr Fleisch aus IP-Suisse-Betrieben. Laut Migros-Chef sind die Preise für Milchprodukte und Fleisch im Laden im Schnitt 3 Prozent gestiegen.
Zumbrunnen erklärte weiter, dass sich Bevölkerung nicht von oben herab diktieren lasse, was man konsumieren dürfe. «Das funktioniert nicht», führte er aus. Deshalb überlasse die Migros den Konsumenten den Entscheid, ob sie Biofleisch, Budget-Fleisch oder Imitate kaufen wolle.
Auch Coop gegen Initiative
Auch für die Detailhändlerin geht die Initiative zu weit. «Wir glauben daran, dass man nicht alles regeln muss. Wir würden bei einem Ja die Konsumenten erst recht ins Ausland verlieren, die dort billiges Fleisch einkaufen. Zudem sind wir natürlich bestrebt, in Sachen Tierwohl weiterhin alles zu geben, unabhängig von der Initiative», sagte Coop-Chef Philipp Wyss im April zur «Bauernzeitung». Die Medienstelle sagte gegenüber «Schweizer Bauer», dass sich Coop aber nicht finanziell an der Abstimmungskampagne beteilige. sal
Kein gutes Beispiel.