Alt-Nationalrat Erich von Siebenthal (SVP/BE) reichte im März 2022 die Motion «Raus-Programm. Weidezeitpunkt an die Winterfütterung und damit der Realität anpassen». In seinem Vorstoss fordert er den Bundesrat auf, das Programm «Regelmässiger Auslauf ins Freie» (Raus) ab Bergzone so anzupassen, dass wenn vegetationsbedingt im Mai und Oktober kein Weidegang möglich ist, die Bestimmungen vom Raus 13 Mal Laufhof pro Monat anteilsmässig zu erfüllen sind.
Anbindestall benachteiligt
Von Siebenthal kritisiert bei Raus-Regelung die fixen Daten bei der Weidesaison. «Es ist offensichtlich, dass diese nicht in der ganzen Schweiz und schon gar nicht auf allen Höhenlagen am gleichen Tag beginnt», schreibt er. «In den Bergzonen kommt es im Mai und Oktober immer wieder dazu, dass über längere Zeit kein oder kaum ein Weidegang möglich ist. Wenn das nicht möglich ist, gilt es, alle Tage Laufhof zu machen», sagte er im September 2023 im Nationalrat.
Raus-Programm
Gemäss Direktzahlungsverordnung müssen Betriebe, die am Programm teilnehmen wollen, Tiere vom 1. Mai bis zum 31. Oktober an mindestens 26 Tagen pro Monat Auslauf auf eine Weide gewähren. Vom 1. November bis zum 30. April ist den Tieren an mindestens 13 Tagen pro Monat Auslauf auf einer Auslauffläche oder Weide zu gewähren. Der Beitrag pro Grossvieheinheit (GVE) beträgt pro Jahr 190 Franken. -> Mehr dazu hier
Bauern seien abhängig von der Natur. Diese bestimme die Zeit der Weide- und der Winterfütterung. «Dass für das Vieh im Anbindestall heute für Mai und Oktober alle Tage Laufhof vorgeschrieben ist, wenn nicht geweidet werden kann, ist gegenüber den Bauern mit Anbindestall im Berggebiet nicht verhältnismässig», kritisierte der Berner. Denn im Berggebiet gebe es viele Anbindeställe, über 50 Prozent. Mit der derzeitigen Regelung werde der Anbindestall unattraktiv. «Das ist vermutlich auch die Absicht von Bundesbern ist», mutmasste er.
«Wenn wir weiden, dann weiden wir»
Er verlangt, dass bei Winterfütterung im Mai und Oktober wie im Winter anteilsmässig 13 Mal Laufhof pro Monat verlangt werden soll. «Wenn wir weiden können, weiden wir. Es kann nicht sein, dass wir mit solchen Auflagen abgestraft werden, weil unsere Höfe im Berggebiet liegen, wo der Frühling später und der Winter früher kommt», führte er weiter aus. Es sei deshalb notwendig, die Regelung für den Auslauf im Winter, im Frühling wie auch im Herbst der witterungsbedingten Realität anzupassen. Die Einhaltung lasse sich einfach kontrollieren.
Der Nationalrat stimmte dem Vorstoss von Erich von Siebenthal 105 zu 74 Stimmen deutlich zu. Am Dienstag befasste sich nun auch der Ständerat mit dem Vorstoss. Im Vorfeld hatte die Wirtschaftskommission (WAK-S) dem Vorstoss deutlich zugestimmt. Werner Salzmann (SVP/BE) sprach für die Kommission.
Weiden am wirtschaftlichsten
Salzmann brachte einen wirtschaftlichen Aspekt ins Spiel. «Da der Weidegang für den Betriebsleiter die wirtschaftlich günstigere Variante darstellt, wird er ganz sicher bestrebt sein, eine Umstellung auf den frühestmöglichen agronomisch sinnvollen Zeitpunkt vorzunehmen», führte er aus.
Die WAK-S sei der Meinung, dass den klimatischen, regionalen und topografischen Besonderheiten der Landwirtschaftsbetriebe in bestimmten Höhenlagen Rechnung getragen werden müsse. Die aktuell geltende Praxis, wonach die Kantone für gewisse Betriebe Ausnahmen bewilligen können, sei aufwendig und unzureichend. Der Ständerat stimmte dem Vorstoss sehr deutlich mit 34 zu 2 Stimmen zu.
Bundesrat auf verlorenen Posten
Der Bundesrat lehnte den Vorstoss ab. «Die vorgeschlagene Regelung besteht darin, die Vegetationsperiode als Kriterium für die Anzahl der Tage mit Auslauf auf der Weide und Auslauf in einem Auslaufgebiet festzulegen. Dies entspricht der Regel, die zu Beginn des Raus-Programms im Jahr 2007 angewandt wurde», sagte Agrarminister Guy Parmelin. Man solle sich aber an die Gründe erinnern, weshalb diese Regel heute nicht mehr in Kraft sei. «Die Vegetationsperiode als Kriterium führte zu individuellen Beurteilungen durch die Landwirte. Daraus entstanden Unklarheiten bei der Umsetzung und führte zu Unsicherheiten bei den Betrieben. Deshalb wurde 2008 die heute geltende Regelung eingeführt», sagte Parmelin.
Für den Bundesrat ist die derzeitige Regelung für die Betriebsleitenden leicht verständlich. Sie fördere die Gleichbehandlung , sei administrativ einfach zu vollziehen und ermögliche eine wirksame Kontrolle. Die Motion sei kompliziert und erhöhe den Verwaltungsaufwand, führte der Agrarminister aus. Das Parlament sieht das anders. Die Motion wurde von beiden Räten angenommen.
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